Der neue Rad-«Kannibale» demütigte in Frankreich alle
Das steckt hinter dem unheimlichen Pogacar

Er hat seine Konkurrenz bei der Tour de France in Grund und Boden gefahren: Tadej Pogacar bewegt sich in diesem Jahr in eigenen Sphären. Dafür liefert der Slowene Gründe. Doch im Radsport sind auch die Zweifler nicht weit.
Publiziert: 23.07.2024 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2024 um 11:00 Uhr
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Tadej Pogacar (r.) und Jonas Vingegaard: In diesem Jahr fuhren die beiden Rivalen nicht auf Augenhöhe.
Foto: Getty Images
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Andrea CattaniRedaktor Sport

Mit einer kurzen Handbewegung schickt Tadej Pogacar am Sonntag nochmals eine klare Botschaft in die Welt hinaus. Während er – gebückt auf seinem bis ins letzte Detail aerodynamisch geformten Rad – über die Promenade von Nizza rast, streckt der Slowene hinter seinem Rücken drei Finger in die Kamera. Die Konkurrenz und die Zuschauer sollen es ruhig nochmals sehen: Hier fährt einer gerade zu seinem dritten Gesamtsieg bei der Tour de France.

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Dass ein erster Platz im finalen Zeitfahren entlang der Côte d'Azur für den grossen Triumph in Gelb gar nicht mehr nötig gewesen wäre, kümmerte Pogacar naturgemäss wenig. Und es ist genau diese Eigenschaft des 25-Jährigen, welche die Rad-Szene in diesen Wochen so spaltet: Pogacar gewinnt Rundfahrten nicht, er dominiert sie. Und er nimmt es in Kauf, seine Gegner dabei zu demütigen.

«Menschenfleisch? Ich esse Süssigkeiten!»

Noch zu Beginn der diesjährigen Tour de France wurde gewerweisst, ob Pogacar in den harten Etappen genug Vorsprung herausfahren würde, um am Ende noch vor dem Dauerkonkurrenten Jonas Vingegaard (27) zu stehen, der als deutlich besserer Zeitfahrer gilt. Die Antwort folgte häppchenweise. Immer wieder setzte Pogacar vor allem während der Bergetappen zu gnadenlosen Attacken an. Er zermürbte dabei Vingegaard richtiggehend – und baute seinen Vorsprung immer weiter aus.

Aber «Pogi» ging auch dann in die Offensive, wenn es überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Wie bei der Königsetappe rauf in den Wintersportort Isola 2000. Nicht einmal dem fürs Klassement unwichtigen US-Profi Matteo Jorgenson (25) gönnte der Leader einen Etappensieg. Stattdessen fing er den bemitleidenswerten Ausreisser mit einem Höllenritt den Berg hoch kurz vor dem Ziel noch ab. 

Nach der Ankunft auf 2024 m.ü.M. musste sich Tadej Pogacar deshalb Kannibalismus-Vorwürfen stellen. Natürlich nur mit einem Augenzwinkern, aber im Radsport hat diese Anspielung Gewicht. Denn in der Szene gilt der grosse Eddy Merckx (79, fünf Tour-Siege) als der «Kannibale», weil er seinen Widersachern praktisch keine Siege gegönnt hatte. «Ein Kannibale? Der isst Menschenfleisch! Ich esse Süssigkeiten im Ziel und Gels und Riegel auf dem Rad», so die lapidare Reaktion Pogacars nach der Etappe.

Was stellen die Teams mit Kohlenmonoxid an?

Apropos Ernährung: Diese soll der eigentliche Schlüssel zur diesjährigen Dominanz von Pogacar sein. Statt wie früher massenweise Pasta und Reis ohne Sauce in sich zu drücken, schwört dieser jetzt auf Pancakes, Omelettes und Brot. «Ich denke, diese kleinen Sachen machen schon einen Unterschied.»

Was sympathisch klingt, vermag die kritischen Stimmen rund um den Radsport nicht wirklich zu besänftigen. Ein paar Eierspeisen mehr im Menü, und die Watt-Werte beim Pedalen explodieren? Und lässt sich damit auch erklären, dass frühere Bestzeiten von überführten Dopern bei dieser Tour de France geradezu pulverisiert wurden? Oder dass Pogacar nach dem Giro im selben Jahr nun auch die Tour de France gewinnen konnte? Etwas, das zuletzt der überführte Epo-Sünder Marco Pantani (†34) 1996 geschafft hatte.

Zuletzt sorgte eine Story des Portals «Escape Collective» für Schlagzeilen, die enthüllte, dass mehrere Spitzenteams auf der Tour auf die sogenannte Kohlenmonoxid-Methode setzen würden. Der Vorwurf: Durch das Einatmen von gezielten Dosen des Gases würde die Hämoglobin-Produktion bei Athleten um bis zu fünf Prozent gefördert, was mit einer starken Leistungssteigerung verbunden sei.

Eine Equipe, die mit Kohlenmonoxid arbeitet, ist Pogacars UAE Team Emirates. Dort beteuern die Verantwortlichen aber vehement, dass man sich völlig im Rahmen des Erlaubten bewege. Tatsächlich werden sogenannte CO-Rebreather im Spitzensport auch angewendet, um Blutwerte rasch und genau zu analysieren. Von einer anderen Verwendung der chemischen Verbindung will man bei der Mannschaft nichts wissen.

Der Dominator lässt Olympia sausen

Tadej Pogacar muss das bis auf Weiteres nicht kümmern. In Nizza kam er am Sonntag in der Gesamtabrechnung mit einem Vorsprung von 6 Minuten und 27 Sekunden an – trotz Handzeichen auf dem Rücken, was einige Sekunden gekostet haben dürfte.

Am Montagabend gab der Slowene noch bekannt, bei den Olympischen Spielen wegen Erschöpfung nicht an den Start zu gehen. Manch ein Fahrer im Feld hatte gehofft, sich im Strassenrennen (am 3. August) für die Demontage bei der Tour de France revanchieren zu können. Aber nicht einmal das gönnt Tadej Pogacar seinen Konkurrenten.

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