1995 verlor Alex Zülle die Tour de Suisse – wie kam es dazu?
«Der Albula ist immer noch ein Sauhund»

Rad-Legende Alex Zülle (54) sagte vor 28 Jahren: «Der Albula ist ein Sauhund.» Dieser Meinung ist er heute noch, als der Tour-Tross den Pass überquert.
Publiziert: 15.06.2023 um 08:09 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2023 um 13:21 Uhr
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Es ist der 20. Juni 1995: Alex Zülle am Brunnen von La Punt GR. Er zieht das Leadertrikot aus.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Mathias GermannReporter Sport

Es ist ein Bild für die Ewigkeit. Alex Zülle sitzt am Dorfbrunnen von La Punt GR. Sein Kopf? Gesenkt. Die Enttäuschung? Riesig. Er zieht sein gelbes Leadertikot aus, das schwarze Shirt kommt zum Vorschein. Die Farbe passt zu seiner Stimmungslage. Zülle ist zu Tode betrübt. Es war der 20. Juni 1995, 16.48 Uhr. «Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Ich sass auf den Mauersteinen dieses Brunnens und wusste, dass ich die Tour de Suisse in den Sand gesetzt hatte. Es war bis dahin die brutalste Niederlage meiner Karriere.»

Doch was ist damals, an diesem für Zülle so verhängnisvollen Tag, genau passiert? Im Mittelpunkt des Desasters stand der Albulapass auf 2315 Meter über Meer. So wie heute, wenn die aktuellen Rad-Stars die 26 Kilometer vom Albulatal ins Oberengadin in Angriff nehmen.

Die Höhendifferenz beträgt auf den letzten 17,2 Kilometern am Albula 1161 Meter, die durchschnitttliche Steigung 6,7 Prozent mit Spitzen von 11 Prozent. «Es ist nicht der schwerste Pass, mich hat er vor 28 Jahren aber zerstört», so Zülle.

Fatale Fehleinschätzung und schlechte Beine

Doch der Reihe nach. Zülle war 1995 schon 26 Jahre alt, als er erstmals zur Tour de Suisse startete. Davor musste er stets die Katalonienrundfahrt bestreiten – seinem spanischen Team Once war sie wichtiger. Bei seinem ersten Heimspiel zeigte Zülle sofort, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Er gewann zuerst den Prolog, dann das Zeitfahren hinauf zur Schwägalp. Vor dem Grosskampf am Albula sass Zülle felsenfest im Sattel, er wirkte unantastbar.

Doch dann unterliefen ihm und seinem Team verhängnisvolle Fehler. Beim frühen Angriff des Russen Pawel Tonkow gab Manolo Saiz, Zülles Sportlicher Leiter, das Kommando durch: «Ziehen lassen, Tonkow ist keine Gefahr!» Eine folgenschwere Fehleinschätzung. Tonkow kraxelte unwiderstehlich den Berg hoch, war als Erster auf dem Albula und siegte kurz darauf in La Punt.

Als Zülle im Anstieg die Gefahr bemerkte, war es zu spät. «Ich dachte, Pascal Richard sei mein gefährlichster Gegner und habe mich auf ihn konzentriert.» Der Romand fuhr jedoch einen schlechten Tag. Später erzählt er: «Alex hat mich nicht gefragt, sonst hätte ich ihm gesagt, dass meine Beine nicht gut waren.» Tonkow nahm Zülle 1:52 Minuten ab und gewann die Tour de Suisse mit 11 Sekunden Vorsprung. Zülles legendäres Urteil damals: «Der Albula hat kein Ende, er ist ein Sauhund.»

Versöhnung mit dem Albula

Und heute? Da hat sich Zülle, der 2002 die Tour de Suisse doch noch gewann, mit dem Pass versöhnt. 18 Jahre nach seinem Rücktritt im Jahr 2004 fuhr er vergangenen Sommer erstmals wieder über den Pass. «Der Belag ist viel besser als früher, es hat keine Löcher mehr. Alles rollt besser. Aber ein Sauhund ist der Albula immer noch.»

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