Auf einen Blick
- Flurina Rigling erhält 3D-gedruckte Rennvelo-Schuhe.
- Die Schuhe sind leichter und schneller herzustellen als Lederschuhe.
- Rigling hat 18 WM-Medaillen und ist vierfache Weltmeisterin.
Flurina Rigling ist eine Tüftlerin. Sie muss und will es sein, um stets noch ein paar Prozente mehr aus sich und ihrem Material herauszukitzeln. Die 27-jährige Zürcherin ist im Paracycling eine grosse Nummer, die letzte Strassen-Saison hat sie als Gesamtweltcupsiegerin abgeschlossen, sie ist vierfache Welt- und Europameisterin und verfügt schon über 18 WM-Medaillen. Auch bei ihrer Paralympics-Premiere in Paris geht sie ab Donnerstag als Mitfavoritin an den Start.
Und doch ist sie ständig auf der Suche nach noch besseren Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zum Regelsport, in dem die Athletinnen und Athleten einem Team mit dessen umfänglichen Strukturen angehören, ist Rigling als Paracylcerin quasi eine selbstständig Erwerbende. Eine, die aufgrund ihres Handicaps für personalisiertes Material immer wieder in die Trickkiste greifen muss.
Rigling fehlen von Geburt an Händen und Füssen jeweils vier Strahlen. An ihren Händen ist auf beiden Seiten nur ein Finger vollständig ausgebildet, was ihre Grifffähigkeit reduziert. Bei den Füssen ist die grosse Herausforderung, dass sie ihre Wadenmuskulatur nicht einsetzen kann, was wiederum heisst: Kräftig in die Pedale treten kann sie nur beim Runterdrücken, nicht aber während der ganzen Umdrehung.
Infolge einer Zusammenarbeit mit der ETH Zürich verfügt sie bereits über einen massgefertigten Lenker an ihrem Rennvelo. Student Luca Hasler hatte ihn im Rahmen seiner Masterarbeit entwickelt und dafür ein Summa cum laude bekommen. Und jetzt folgt für Rigling die nächste Material-Innovation, die für sie persönlich gleichzeitig «eine Revolution» darstellt: Sie bekommt Rennvelo-Schuhe aus dem 3D-Drucker.
Rigling will von Medaillen nichts wissen
Der Kopf hinter der Neuentwicklung ist Orthopädie-Spezialist Laurent Hoffmann, der sich des Problems angenommen hat, dass Rigling aufgrund ihres angeborenen Handicaps auf Massschuhe angewiesen ist. Das 3D-Modell ist aus Kunststoff, genau auf die Fahrerin angepasst und für sämtliche Disziplinen, an denen Rigling teilnimmt, einsetzbar.
«Diese Neuerung hilft mir enorm», sagt die Frau aus Hedingen, die kürzlich ihren Master in Politikwissenschaften abgeschlossen hat. Sie führt aus: «Man muss sich das mal vorstellen: Früher hatte ich einen einzigen Lederschuh. Wenn der einmal nass war, musste ich ihn zuerst trocknen lassen. Jetzt sind die 3D-Drucker-Schuhe vergleichsweise schnell hergestellt und sie sind deutlich leichter als die alten. Das verändert brutal viel für mich.»
Ob die Material-Revolution sie zu Edelmetall in Paris trägt, wird sich dieser Tage weisen. Am Donnerstag steht sie im Bahnrennen ein erstes Mal im Einsatz. Riglings Hoffnung ist gross, doch sie spricht ihren Traum nicht aus. Eine Medaillenansage ist ihr partout nicht zu entlocken. Sie sagt einfach: «Mir ist ganz wichtig, dass ich bei mir bleiben kann. Wenn ich mein Ding durchziehe, weiss ich, dass ich gut performen kann. Es wird auch für mich spannend sein, wie ich mit dem Druck umgehe.» Nun, eine (Material-)Sorge hat sie schon mal weniger. Wenn das mal nicht beflügelt?