Marcel Hug trotzt allen Widrigkeiten. Vor 35 Jahren kam der Thurgauer mit offenem Rücken (Spina Bifida) zur Welt. Es soll ihn nicht daran hindern, Grosses zu erreichen. In Tokio erreicht der Rollstuhl-Sportler gar Perfektion.
Inklusive Vorläufe steht Hug an den Paralympics sieben Mal am Start. Er gewinnt jedes Rennen, holt vier Mal Gold, bricht einen Weltrekord. «Besser geht es eigentlich nicht. Ich muss das erst noch realisieren», sagt er zu Blick. «Eine Medaille war das Ziel und ich habe insgeheim von Gold geträumt. Aber dass es grad so rauskommt, hätte ich mir nie erträumt.»
Doch alles geht auf, Hug ist der neue Mr. Perfect des Schweizer Sports.
Perfektionist im Sport, ansonsten nicht
«Ich habe tatsächlich den Hang zur Perfektion», sagt Hug. «Doch das ist etwas, das nicht nur gut ist. Diese Erfahrung machte ich selber auch im Spitzensport.» Er versucht immer, an alles zu denken, will möglichst vieles optimieren. Die Gefahr, sich da zu verzetteln, ist gross. «Ich musste schauen, dass es nicht zu extrem wird. Es braucht eine Balance zwischen Perfektion und einer gewissen Gelassenheit.»
Eine Balance, die er ganz offensichtlich perfekt gefunden hat. Denn Perfektionist sei er nur im Sport. «Sonst im Leben eher nicht.»
Nur der Griff zu Harz bringt Gold
Auch der Marathon am Sonntag ist dann alles andere als perfekt. Schon früh im Rennen kämpft Hug mit Materialproblemen. Bei seinem Treibreifen, an dem er mit den Händen Schub gibt, löst sich der Gummi auf der linken Seite. Auch der Handschuh, der für besseren Grip mit Schleifpapier versehen ist, leidet darunter.
Hug fürchtet sogar, es nicht bis ins Ziel zu schaffen, verliert mehr und mehr an Grip. Er greift dann zu einer absoluten Notlösung, greift mit der linken Hand ins Harz, das er immer mit sich führt, um wieder mehr Grip zu haben.
«Ich erinnere mich nicht, wann ich das je gebraucht hätte in meiner Karriere.» Dabei hat er das Harz trotzdem immer. Auch die Vorbereitung gehört halt zur Perfektion. Sie bringt ihm den Sieg und das vierte Tokio-Gold.