Dank diesem fulminanten Schlussspurt holt Marcel Hug Gold
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Paralympics in Tokio:Dank diesem fulminanten Schlussspurt holt Marcel Hug Gold

Mensch oder Maschine?
Hug dominiert die Gegner in Formel-1-Rollstuhl

Marcel Hug fährt in Tokio alle in Grund und Boden. Die Frage ist: Wie gross ist der Anteil seiner Renn-Maschine?
Publiziert: 31.08.2021 um 20:29 Uhr
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Marcel Hug jubelt an den Paralympics über seine zweite Goldmedaille in Tokio.
Foto: keystone-sda.ch
Stefan Meier

Sauber gewinnt endlich wieder Rennen. Nicht in der Formel 1. Dort tut sich Alfa-Sauber bekanntlich schwer. Dafür dominiert ein Hinwiler Renner an den Paralympics. Marcel Hug brettert auf einem Rennrollstuhl aus den Sauber-Werkshallen von Erfolg zu Erfolg.

In der Nacht auf Dienstag holte der Thurgauer seine zweite Goldmedaille in Tokio, triumphierte über 1500 m in Weltrekord-Zeit.

Der Sauber-Rennrollstuhl entstand zusammen mit Orthotec, einem Tochterunternehmen der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Die Projekt-Idee war einfach: «Lasst uns den schnellsten Rennrollstuhl der Welt bauen.» Also kann Hug nun auf einem Hightech-Sportgerät brillieren. Es besteht aus einem leichten Vollkarbon-Chassis, das mit neuesten Berechnungsmethoden aerodynamisch optimiert und im Sauber-Windkanal getestet wurde.

Neidische Blicke der Gegner

Der neidische Blick der Gegner ist da sicher. «Ich habe von einigen gehört, dass sie auch gerne so einen Rollstuhl hätten», sagt Hug gegenüber «SRF». Doch die Reaktionen seien vorwiegend positiv. «Es wird mir gegönnt», erklärt der 35-Jährige.

Doch wer dominiert da eigentlich in Tokio? Mensch Hug oder die Sauber-Maschine? Die Antwort auf diese Frage ist für Franz Nietlispach (63) klar. Der Aargauer holte selber 14 Mal Gold, ist damit der erfolgreichste Rollstuhl-Athlet in der Paralympics-Geschichte. «Der Rollstuhl bringt sicher einen Vorteil, aber man muss das nicht überbewerten. Wir sprechen da von ein paar Hundertsteln. Die Leistung des Athleten ist immer noch viel wichtiger», sagt Nietlispach zu Blick. Die Gegner hätten allesamt auch Top-Geräte. «Marcel ist so top in Form, er hätte das Rennen mit jedem Rennrollstuhl gewonnen.»

Der Vorteil liege einerseits im Gewicht und der aerodynamischen Bauweise – vor allem aber im mentalen Bereich. «Es bringt viel, wenn man weiss, dass man ein Top-Gerät hat. Und wenn man diese grosse Unterstützung hatte wie Marcel, getraut man sich nicht, im Training faul zu sein.»

Nietlispach ist überzeugt, dass der Rennrollstuhl, den er selber vor 15 Jahren gefahren ist, auch heute noch konkurrenzfähig wäre. Er muss es wissen. Immerhin produziert er seit dem Rücktritt als Sportler mit seiner Firma «carbonbike.ch» Hightech-Handbikes, die ebenfalls in Tokio im Einsatz sind.

«Die wichtige Entwicklung war vielmehr die Zusammenarbeit mit der ETH, wo man die ideale Position für Marcel herausgetüftelt hat. Um herauszufinden, wie er die beste Kraft entfaltet», sagt Nietlispach. Er selber habe sich da früher auf das Gefühl verlassen müssen.

Springt Rehm so weit mit oder dank Prothese?

Die technische Entwicklung ist aus dem Para-Sport nicht mehr wegzudenken. Die Frage, wie gross der Einfluss ist, bleibt aber offen. Prothesen-Weitspringer Markus Rehm etwa pulverisierte dieses Jahr den Weltrekord, sprang auf 8,62 Meter und damit weiter als der Olympiasieger Miltiadis Tentoglou (8,41).

Doch auch wenn er es wollte, durfte Rehm bei Olympia nicht teilnehmen. Er blitzte beim internationalen Sportgerichtshof ab. Weil eben nicht klar ist, ob er einen Vorteil hat dank seiner Karbon-Prothese.

Klar ist: Das beste Material zu haben, kostet seinen Preis. «Niemand kann sich diesen Rollstuhl leisten, wenn er es selber bezahlen muss», sagt Nietlispach über Hugs Sauber-Boliden. «Ich glaube aber nicht, dass jetzt eine Zweiklassengesellschaft entsteht.» Denn noch könnte man mit den Aluminium-Flitzern gut mithalten.

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