Rio de Janeiro durfte Giulia Steingruber noch mit einer leuchtenden Bronze-Medaille am Hals verlassen. Verabschiedet sich die 27-jährige Gossauerin aus Tokio – und damit wohl für immer von Olympischen Spielen – mit leeren Händen?
Sicher ist das noch nicht. Als Zehnte der Gerätequalifikation am Sprung kann sie noch auf einen Einsatz im Final vom Sonntag hoffen. Und so könnte es dazu kommen: Weil nur zwei, statt der drei unter den besten Acht klassierten US-Amerikanerinnen im Final starten dürfen, hätte ein Forfait von Superstar Simone Biles zwar keinen Einfluss auf Steingruber. Sollte aber eine Teilnehmerin einer anderen Nation ausfallen, würde die Schweizerin doch noch als Finalistin nachrücken.
Für Giulia bedeutet das: Abwarten und japanischen Tee trinken. Dazu ein wenig weiter trainieren, um im Wettkampfmodus zu bleiben. Und ihr Gemüt beruhigen, dass sich am Mehrkampf-Finaltag gehörig aufgeregt hat. «Ich bin hässig mit den Richtern», sagt sie nach ihrem Schlussrang 15. «Und das hab ich ihnen auch mitgeteilt.»
Der grosse Aufreger am Schwebebalken
Grund für ihren Frust: Wie schon in der Qualifikation, wo sie sich die Bronze-Gewinnerin von Rio für keinen Gerätefinal empfehlen konnte, wird Giulia auch im Mehrkampf-Final extrem hart benotet. Mit einer gelungenen Bodenübung kann sich die Schweizerin zwar um 0.033 Punkte gegenüber der Qualifikation steigern. Ihr sauberer, höher gesprungener «Tschussowitina» gibt mit 14.833 Punkten aber die gleiche Bewertung wie letzten Sonntag (14.833). Die gleiche Note auch am Stufenbarren (12.800). Der grosse Aufreger kommt aber zuletzt am Schwebebalken. Hier erhält die Schweizerin mit 12.400 weniger Punkte als in der Quali (12.600) – obwohl sie viel besser und ohne Unsicherheiten turnt!
Somit liegt sie auch beim Total von 53.366 Punkten unter ihrer ersten Bewertung. Trotzdem verbessert sie sich mit Schlussrang 15 um acht Plätze – ein schwacher Trost für die hässige Giulia, die ihren Ärger erst einmal verdauen muss. Fast schon etwas trotzig sagt sie: «Ich weiss, dass ich auf meine Leistung heute stolz sein darf.»
Das darf sie – angesichts ihrer durchzogenen Vorbereitungsphase, in der Steingruber wegen einer Oberschenkelverletzung nicht Vollgas geben konnte, sogar sehr. Ein Diplom- oder gar Podestplatz war eh kaum zu erwarten. Da hätten die Favoritinnen schon reihenweise purzeln müssen. Tun sie aber nicht. Mit Gold-Gewinnerin Sunisa Lee (USA, 57.433 Punkte), Rebeca Andrade (Br, Silber) und Angelina Melnikowa (Russ, Bronze) gibt es auf dem olympischen Mehrkampf-Podest keine Überraschungen.
Paris 2024? Eher unrealistisch!
Vielleicht kommt Steingruber also nochmals zum Zug. Und wenn nicht, dann dürfte dies nach drei Teilnahmen wohl ihr letzter olympischer Auftritt gewesen sein. Auch wenn sie ihren definitiven Rücktritt noch nicht bekannt gegeben hat: Paris 2024 – Giulia wäre dann 30 – wäre eher unrealistisch.
Andererseits, warum nicht? Die Usbekin Oksana Tschussowitina, Namensgeberin des Sprungs, der Steingruber schon so viel Glück beschert hat, zeigte ihn dieser Tage noch mit 46 Jahren bei Olympia. Und niemand springt ihn schöner und sicherer als Giulia...
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