«Sogar eine Ex-Lehrerin hat mir geschrieben»
Moser kann nach Tränen in Paris wieder lachen

Die Medaillen verpasste Angelica Moser (26) hauchdünn. Sie war enttäuscht, weinte sogar. Dennoch blieb sie in Paris. Und: Sie blickt schon nach Los Angeles 2028.
Publiziert: 11.08.2024 um 15:33 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2024 um 15:57 Uhr
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Angelica Moser (26) hat die Herzen der Schweizer Sport-Fans erobert – auch wenn sie in Paris keine Medaille holte.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Die Schweiz fieberte mit, jubelte, zitterte, hoffte und trauerte. Warum musste die Latte bei 4,85 gleich zweimal fallen? Und bei 4,90 auch noch einmal? Angelica Moser (26) sprang am Mittwochabend im Stabhochsprung zwar nicht aufs Olympia-Podest, aber in die Herzen der helvetischen Sportfans.

«Ich habe hunderte Nachrichten erhalten, auf Whatsapp und Instagram. Von völlig unbekannten Leuten, aber auch von Bekannten, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Sogar eine Ex-Lehrerin hat mir wunderbare Sätze geschrieben. Das hat bei der Verarbeitung geholfen und war extrem schön», erzählt Moser.

Nur Medaillen zählen? So einfach ist es nicht

Zweieinhalb Tage sind ihrem vierten Platz im Stade de France vergangen, als sich Moser für Blick Zeit nimmt. In einem Café unweit des olympischen Dorfs nimmt sie Platz, bestellt ein Mineralwasser. Sie ist eingeladen, klar. «Ach so», sagt sie verwundert. Und ergänzt lachend: «Dann nehme ich den teuersten Rotwein, den sie haben – zum Mitnehmen.» Man merkt: Ihre Tränen wegen der erhofften, aber verpassten Medaille, sind nicht nur längst getrocknet. Nein, Moser ist bereits wieder zum Spassen aufgelegt.

«Natürlich war ich mega enttäuscht, keine Medaille gewonnen zu haben. Aber ich habe nicht versagt. Im Gegenteil: Einen so stabilen Wettkampf habe ich nie zuvor gezeigt. Das bringt mir für die Zukunft viel», findet sie.

Tatsächlich übersprang Moser die ersten vier Höhen (4,40 bis 4,80) jeweils im ersten Versuch. Das war ihr zuvor noch nie gelungen. Und auch die weiteren Sprünge waren, obwohl die Latte immer herunterfiel, gut. «Man könnte sagen, dass ein 15. Platz bei Olympia gleich viel wert ist wie ein Vierter, weil letztlich nur die Medaillen zählen. Aber für mich ist das nicht so, denn ich habe immer auch meine Entwicklung im Kopf», so Moser.

«Habe meine Sprünge nicht gesehen»

Die Zürcherin nimmt einen Schluck Mineralwasser. Warum ist sie überhaupt noch in Paris? «Ich mag die Stadt und schaue mir gerne andere Wettkämpfe an.» Mit Siebenkämpferin Annik Kälin (24) wird sie an diesem Abend noch die Medaillenentscheidung im Beachvolleyball anschauen. «Dieses Erlebnis lasse ich mir nicht entgehen, das Stadion am Eiffelturm soll ja wunderschön sein», sagt sie. Dazu muss man wissen: Moser und Kälin teilen nicht nur das Schicksal, beide Olympiavierte geworden zu sein – nein, sie sind seit jeher gute Freundinnen.

Mit ihrer Familie hat Moser ebenfalls schon viel in Paris unternommen. Am Tag nach dem Wettkampf schaute sie sich mit Vater Severin und Mutter Monika einige Sehenswürdigkeiten an. «Das war ideal, weil ich mich so gleich ablenken konnte. Meine Sprünge habe ich übrigens auf Video noch gar nicht gesehen. Dafür ist es noch zu früh», so die Zürcherin.

Sie werde das zwar zusammen mit ihrem Trainer Adrian Rothenbühler tun, aber nicht jetzt. Dennoch ist sie überzeugt: «Wir würden weder im Vorfeld noch am Wettkampf etwas anders machen. Im Gegenteil. Adrian meinte sogar, dass ich die besten Anläufe überhaupt in meiner Karriere gezeigt hätte. Und die Sprünge danach waren auch sehr gut.»

Freund scheute Marathon-Reise nicht

Besonders gefreut hat sich Moser, dass ihr Freund Kevin Bozon (28), der beim HC Ajoie spielt, extra zu ihrem Wettkampf angereist sei. «Er hat am Morgen trainiert, ist dann den ganzen Weg nach Paris gefahren und nach Mitternacht wieder zurück, um noch am gleichen Tag wieder auf dem Eis zu stehen. Es ist extrem schön, dass er dies für mich macht. Wir unterstützen uns gegenseitig sehr, auch wenn wir uns nicht oft sehen.»

Und was hat Bozon ihr unmittelbar nach dem Stabhochsprung-Bewerb gesagt? «Ganz ehrlich, das weiss ich gar nicht mehr. Ich wollte in jenem Moment einfach umarmt werden.»

Fakt ist: Mosers Entwicklung in den letzten knapp zwei Jahren ist atemberaubend. Und die Folgen auf den Resultatblättern abzulesen. 2024 gewann sie ein Diamond-League-Meeting, wurde Europameisterin und schnappte sich mit 4,88 m den Schweizer Stabhochsprungrekord. Wo wird das enden, wenn sie gesund bleibt? «Adrian und ich haben nicht das Gefühl, dass mein Potenzial ausgereizt ist. Ich kann mich überall noch verbessern.»

Los Angeles? «Bis dann mache ich sicher weiter»

Und wer weiss, vielleicht holt sie 2028 in Los Angeles («bis dann mache ich sicher weiter») das nach, was ihr in Paris knapp nicht gelungen ist – eine Medaille zu holen. Oder wie sie es formuliert: «Das Pünktchen aufs i zu setzen.»

Moser wird in den nächsten Jahren alles dafür tun, damit genau gelingt. Aufgeschoben ist schliesslich nicht aufgehoben.

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