Bei Olympischen Spielen werden Helden geboren. Auch in Paris wird das so sein. Bevor der Kampf um die Medaillen beginnt, trifft Blick zwei Schweizer Olympia-Legenden: Dario Cologna (38) und Fabian Cancellara (43). Sowohl der Ex-Langläufer als auch der Ex-Rad-Profi wirken auch nach ihrem Rücktritt noch topfit. «Du läufst ja Marathons, Dario. Also bist du auch garantiert besser beieinander als ich», sagt Cancellara. «Aber auf dem Velo fährst du mir trotzdem noch davon», so Cologna.
Ist das eine Vorahnung? Bevor es so weit ist und die beiden den Sempachersee umrunden, treffen wir sie im Café «La Fuga» in der Altstadt von Sursee LU. Zuvor besichtigte Cologna ganz in der Nähe den Sitz von Tudor Pro Cycling, also dem Rad-Team, bei dem Cancellara an der Spitze steht.
Dabei dreht sich viel um die Spiele in Paris. Cancellara und Cologna werden erstmals seit ihrem Rücktritt Olympische Spiele vor Ort erleben. «Ich war nie an einer Eröffnungsfeier dabei. Und ich will unbedingt das Olympische Dorf sehen –diesmal nicht als Athlet, sondern ganz entspannt. Darauf freue ich mich», so Cancellara.
Sein Gegenüber wird dagegen gegen Ende der Spiele nach Paris reisen. Dort tritt er am «Marathon pour tous», also am Marathon für alle, an. «Er findet gleich nach dem Wettkampf der Männer auf der Originalstrecke statt. Das wird ein echtes Highlight», freut sich Cologna.
Gold-Vergleich: Cologna 4, Cancellara 2
Man merkt im Gespräch sofort: Die beiden Familienväter verstehen sich blendend, obwohl der eine bei Sommer- und der andere bei Winterspielen brillierte. «Vielleicht wäre auch etwas aus mir geworden, wenn ich früh aufs Velofahren gesetzt hätte. Die Voraussetzungen waren ideal – und eine gute Ausdauer hatte ich ja», sagt Cologna schmunzelnd.
Tatsächlich verbindet den Bündner noch viel mehr mit Cancellara: Beide waren viermal bei Olympia dabei, beide holten mehr als einmal Gold (Cologna 4, Cancellara 2) und beide traten kurz nach ihren letzten Spielen zurück: Cancellara 2016, Cologna 2021.
Friede, Freude, Eierkuchen also? Nein. Die beiden erlebten bei den Olympischen Spielen nicht nur schöne Momente. «Wir gewannen relativ früh in unseren Karrieren Gold. Der Druck wuchs, die Erwartungshaltung ebenso. Ich konnte damit umgehen, aber so wie Dario fiel ich zwischendurch auf die Nase», erzählt Cancellara.
«Macht das überhaupt Sinn?»
In besonders schmerzhafter Erinnerung ist dem Berner sein Sturz 2012 beim Zeitfahren in London (GB). Vier Jahre später, vor den Olympischen Spielen in Rio (Br) traute ihm kaum einer einen Exploit zu. Nicht mal seine Ehefrau Stefanie. «Sie fragte mich vor meiner Abreise: ‹Macht das überhaupt Sinn?› Ich entgegnete, dass ich bei einer Goldmedaille sofort zurücktreten werde.» Cancellara wurde belächelt, schlug aber zu und siegte.
Auch Cologna wurde zwischendurch von vielen abgeschrieben. Mit 23 wurde er 2010 in Vancouver Olympiasieger, 2014 in Sotschi (Russ) kamen zwei weitere Goldmedaillen dazu. Vier Jahre später zählten ihn vor dem Winter viele zum alten Eisen – Cologna wurde aber stärker und stärker und erklamm in Pyeongchang (SKor) noch einmal das oberste Treppchen. «Ich war Fahnenträger bei der Eröffnungsfeier. Das war sehr speziell. Und eine Woche danach hatte ich die Goldmedaille. Das werde ich nie vergessen.»
Eine Ärztin beschwerte sich
Bei der Frage, welche ihre beste Olympia-Anekdote sei, weicht Cologna aus. «Da gibt es schon ein paar Dinge, aber diese darf ich nicht erzählen», sagt er schmunzelnd. Cancellara dagegen erzählt: «Roger Federer war 2004 in Athen früh ausgeschieden, ich war im Zeitfahren Neunter geworden und Marcel Fischer hatte im Fechten Gold gewonnen. Da gab uns Fischer im Olympischen Dorf eine Lektion. Es war ein riesiger Spass. Wir haben bis in der Früh in seinem Zimmer gefochten.» Das Ganze töne verrückt, sei aber so gewesen. «Irgendwann kam eine Ärztin und sagte, wir sollen endlich ruhig sein. Aber wir gingen erst am Morgen, als die Trainer von Swiss Olympic sich zu einer ersten Sitzung trafen, ins Bett.»
Die Tassen im Café «La Fuga» sind längst geleert, nachgelassen hat der Regen draussen aber nicht. «Egal, wir bewegen uns schliesslich», sagt Cologna. Dann machen sich die Schweizer Olympia-Helden auf, den Sempachersee zu umrunden – in gemütlichem Tempo. «Wir haben es nicht mehr so eilig wie früher», sagen beide.