Die Anekdoten der Blick-Reporter
Als neben mir die Schweizer Ersatzruderin zusammenbricht

Chiara Leone erlebte in Montmartre, wie eine Olympia-Medaille Menschen magnetisch anzieht. Doch ohne das Edelmetall verschwand das Interesse schnell wieder. Das sind die besten Anekdoten des Blick-Teams, das vor Ort aus Paris berichtete.
Publiziert: 12.08.2024 um 10:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2024 um 11:28 Uhr
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Die Medaille als Magnet: Blick-Videoreporter Benjamin Fisch schildert, wie enorm unterschiedlich die Menschen auf Chiara Leone mit und ohne Goldmedaille reagieren.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Benjamin Fisch, Videoreporter

Gold, Silber, Bronze. Eine Medaille bei Olympischen Spielen ist die ultimative Belohnung für die sportliche Karriere und verändert vieles. Welche Bedeutung eine Olympia-Medaille hat, wurde mir einmal mehr bewusst, als wir mit der Goldschützin Chiara Leone im Künstlerquartier Montmartre unterwegs waren. Mit Edelmetall um den Hals war sie der Superstar.

Die Medaille wirkte wie ein Magnet und die Schützin bekam endlich die Anerkennung, die sie verdiente. Es gab herzliche Gratulationen und alle wollten ein Foto mit ihr – und das, obwohl niemand wusste, wer diese Chiara Leone eigentlich ist, geschweige denn in welcher Sportart sie reüssierte. Spannend: Als sie die Medaille in den Rucksack packte, war das Interesse an der Ausnahmeathletin wieder weg. Aus dem Superstar wurde wieder eine normale Montmartre-Besucherin.

Marco Pescio, Reporter

Bittere Tränen, überlautes Freudengeschrei oder eine Umarmung, dass es der anderen Person fast den Atem abschnürt: Die Purheit und Echtheit der Gefühle, die ich regelmässig in den Interview-Zonen miterlebte, liess auch mich das eine oder andere Mal emotional werden. Es geht gar nicht anders, wenn eine vor Aufregung zitternde Sofia Meakin – die Ersatzathletin der Schweizer Ruderinnen – mit ihren Teamkollegen mitfiebert und zusammenbricht, als es wegen 42 Hundertsteln nicht für Bronze reicht. Wenn dieselbe Meakin dank ihres deutschen Freundes Oliver Zeidler (Gold im Einer) auch noch die andere Seite der Emotionen kennenlernt.

Wenn eine griechische Leichtathletin nach verpasster Final-Qualifikation völlig aufgelöst ihren Landsleuten Red und Antwort steht und kaum ein Wort rausbringt. Wenn mir eine deutsche Verbandsmitarbeiterin ihre Begeisterung ins Ohr schreit, weil Yemisi Ogunleye im Kugelstossen gerade sensationell Gold gewinnt.

Oder wenn Judoka Nils Stump – im Vorjahr noch Weltmeister – nach der ebenso überraschenden wie vernichtenden Erstrundenniederlage sprachlos und leer in die Knie sinkt und dir zu verstehen gibt: Heute platzt gerade ein jahrelanger Traum. Olympia macht etwas mit einem. Die Spiele sind wie das Leben. Mal wunderschön, aber manchmal eben auch gnadenlos. 

Benjamin Soland, Fotograf

Die Weltklasse-Schwimmer vermitteln immer das Bild von riesigen Muskelbergen und purer Kraft. Léon Marchand hat mir etwas anderes aufgezeigt, als ich am letzten Juli-Tag den Schwimm-Finals beiwohnen durfte. Wenn man den Franzosen betrachtet zwischen all den Riesen, hat man das Gefühl, da schwimmt ein Teenager bei den Grossen mit. Der Grosse ist aber er selbst. Der Lokalheld schwimmt alles in Grund und Boden. Am selben Tag gewinnt er Gold über 200 Meter Schmetterling und knapp zwei Stunden später auch über 200 Meter Brust. Unglaublich.

Mathias Germann, Reporter

Citius, altius, fortius. Es ist seit 1894 das traditionelle Olympische Motto. Schneller, höher, stärker – oder weiter, je nach Ableitung. Aber was, wenn es einfach nicht mehr geht? Vor einigen Tagen sitze ich im Grand Palais und gönne mir eine Portion Taekwondo. Für mich eine Sportart mit mehr als sieben Siegeln. Als während eines Kampfs ein Trainer dem Schiedsrichter die Rote Karte zeigt, verstehe ich nur noch Bahnhof.

Dann brüllt ein älterer Mann neben mir: «Forza Vito!» Immer und immer wieder. Er ist offensichtlich der Vater von Vito dell’Aquila, der gerade auf der Matte kämpft. Lange liegt der Italiener zurück, dreht dann den Spiess in den letzten Sekunden des Sechzehntelfinals doch noch um. Sein Vater reisst die Hände in die Höhe und dann vor das Gesicht. Zuerst der Jubel, dann die Tränen. Im Internet lese ich, dass Dell’Aquila Probleme mit den Adduktoren haben soll.

Und siehe da: Später muss er, mit Aussicht auf die Bronzemedaille, aufgeben. Ein kleines Drama, unbemerkt von der grossen Öffentlichkeit – und trotzdem nicht weniger tragisch. Es sind auch solche Momente, die mir in Erinnerung bleiben.

Patrick Mäder, Autor

Ich hatte einen Termin bei der SRG im Internationalen Broadcast Center, das umgeben von einem riesigen Gelände, im Norden von Paris aufgestellt wurde. Am falschen Eingang angelangt, schickte mich ein Sicherheitsmann nach rechts, ich müsse um die Anlage herum auf die gegenüberliegende Seite.

Ich lief, lief, lief, lief … plötzlich tauchten vor mir viel Polizei und Armee auf. Ich war beim Flughafen angelangt, wo die Privatjets landen. Da gab es mehrere Luxus-Limousinen-Dienste. Ich mit meinem Rucksack und den Shorts war völlig fehl am Platz und offenbar sehr verdächtig. Ich wurde dreimal gefilzt und befragt, was ich hier suchte und immer wieder an einen anderen Ort verwiesen.

Ich sah eine afrikanische Delegation, die gerade in die Limousinen mit abgedunkelten Fenstern stieg – von acht Schwerbewaffneten gesichert. Je ein Muskelprotz, bestimmt Personenschützer, setzten sich in die drei Wagen dazu. Später erfuhr ich, dass auch Céline Dion an diesem Tag eingeflogen wurde und fragte mich, ob ich auch so reich sein möchte und bedeutend. Oder nicht einfach die Freiheit geniessen will, mich auch mal gigantisch verlaufen zu dürfen. Der Mann am ersten Eingang hatte mich übrigens in die falsche Richtung geschickt, nach weiteren 55 Minuten Fussmarsch fand ich schliesslich, wonach ich suchte.

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