Mit dem verpatzten Bronze-Match geht jede der Schweizer Curlerinnen anders um. Esther Neuenschwander stapft mit versteinerter Miene in die Garderobe. Melanie Barbezat weint so herzzerreissend, dass ihr ein Volunteer sofort Taschentücher reicht. Alina Pätz wirkt verhältnismässig gefasst. Und Skip Silvana Tirinzoni gibt Einblicke in ihre Gefühlswelt.
Wie die aussehen mag in diesem bitteren Moment? Nachdem die Schweizerinnen an diesem Olympia-Turnier zunächst eine fast perfekte Vorrunde gespielt haben (8:1-Siege), verlieren sie danach jedoch die beiden wichtigen Duelle: den Halbfinal gegen Japan 6:8, das Bronze-Spiel gegen Schweden 7:9. «Ja, das sind sportlich die schlimmsten 24 Stunden, die ich je erlebt habe», bestätigt Tirinzoni. «Dass es der Tiefpunkt ist, kann ich aber nicht sagen. Immerhin sind wir an den Olympischen Spielen.»
Dass die Schweizerinnen mit den Schwedinnen hier die Bronze-Medaille untereinander ausmachen, ist eine verkehrte Welt. Es müsste das Gold-Duell sein. Doch beiden Teams misslingt der Halbfinal. Die Schwedinnen geben da sogar einen Vier- und Drei-Punkte-Vorsprung preis gegen die Britinnen. Das passiert ihnen gegen unser Quartett nicht mehr.
Frühe Fehler schlagen aufs Selbstvertrauen
Nach einem Dreierhaus im 6. End zur 6:2-Führung spielen sie nicht nur souverän auf und wollen den Vorsprung verwalten, sie streuen weiterhin Risiko ein, Skip Anna Hasselborg beispielsweise mit ihrem letzten Stein zum Zweierhaus im 8. End. Dazwischen hätte Pätz die Chance auf ein Viererhaus gehabt: «Drei Punkte haben wir uns erhofft, der vierte wäre ein Bonus gewesen.» Geworden sind es zwei. Zu wenige für den Ausgleich. Die Schwedinnen schaukeln den Sieg heim.
«Es haben sich früh Fehlsteine eingeschlichen. Das drückte aufs Selbstvertrauen», erklärt Tirinzoni. Haben es die Curlerinnen nicht geschafft, die bittere Pleite vom Vorabend zu verarbeiten? «Ich hatte das Gefühl, wir sind ready. Aber auf dem Eis sah es nicht so aus.»
Die 42-Jährige hat für den Olympia-Traum viel geopfert, hat ihren gut bezahlten Teilzeitjob als Vermögensberaterin gekündigt, ist aus der WG ausgezogen. «Ich habe voll auf Curling gesetzt. Ich wusste, dass es keine Garantie gibt. Trotzdem bereue ich nicht, so viel investiert zu haben.»
Analyse? Keine Zeit! An der SM für die WM qualifizieren
Nebst den Männern sowie dem Mixed-Team verpassen in Peking auch die Weltmeisterinnen von 2021 und 2019 die von Swiss Curling angepeilte Olympia-Medaille. Nur Schwarzmalen möchte die Skip trotzdem nicht. «Über weite Strecken haben wir unsere Bestleistung erbracht. Es reichte einfach nicht.» Wegen zwei fehlerhaften Spielen. In diesem Bronze-Match sind es zwei schlechte Ends, die es zu analysieren gilt.
Doch wann? Unvorstellbar: Aber nach diesem enttäuschenden Olympia-Abschluss und dem Rückflug am Montag reist das Team am Dienstag bereits nach Genf – die Schweizermeisterschaften stehen an! «Gut, dass es gleich weitergeht», merkt Barbezat schluchzend an.
Doch irgendwie müssen nun diese letzten 24 Stunden verdaut werden. «Wir wollen an der SM gewinnen», so Tirinzoni, «sich wieder zu motivieren, wird nicht einfach, denn die letzten Tage haben viel Energie gekostet.» Einen guten Grund dafür gibts aber: An der Schweizermeisterschaft kann sich das Quartett für die WM qualifizieren.