Nein, ein merkwürdiges Gefühl war es nicht für Tom Lüthi (35), erstmals nach 20 Jahren ohne Sturzhelm im Gepäck zu einem Grand Prix zu reisen. «Den Helm hatte mir jeweils das Team transportiert», sagt Lüthi vor dem WM-Auftakt am Sonntag in Katar.
Aber sonst ist alles anders. Lüthi ist nach seinem Rücktritt Ende 2021 nun ein Töff-Rentner. Und erlebt nun nach 318 GPs als Aktiver sein allererstes Rennwochenende im neuen Leben als Ex-Rennfahrer.
Der Weltmeister von 2005 ist Sportchef im deutschen Moto3-Rennstall PrüstelGP. «Es ist ein Sprung ins kalte Wasser», sagt der Emmentaler, der vom vierterfahrensten GP-Pilot der WM-Geschichte zu einem Management-Lehrling geworden ist. Seine ersten Erfahrungen konnte er bei den Winter-Tests sammeln. Lüthi gehört als Sportchef zur Führungscrew des kleinen Rennstalls aus Sachsen, muss viel Organisatorisches erledigen: «Meine Arbeit spielt sich im Hintergrund ab.»
Lüthi soll zum Teamchef aufsteigen
Das Fernziel: Dass Lüthi eines Tages den Rennstall operativ leitet und so Teamchef Florian Prüstel, Boss einer Speditionsfirma, nicht mehr bei jedem Rennen anwesend sein muss.
Es ist ein Büro-Job – aber mit Präsenz bei den beiden spanischen Piloten Carlos Tatay (18) und Xavier Artigas (18). Der Unterschied zu früher: In der Box trägt Lüthi jetzt Hemd und Jeans statt Lederkombi: «Ich bin kein Fahrlehrer für unsere Piloten. Aber wenn ein Fahrer oder der Chefmechaniker eine Frage hat, versuche ich meine Erfahrung natürlich einzubringen.»
Da er sowieso zu jedem GP anreist, ist die neue Aufgabe als TV-Experte beim SRF kein Mehraufwand. Lüthis Zweit-Job hingegen, das Management der Schweizer Nachwuchshoffnung Noah Dettwiler (16), war im Winter zeitraubend. Dass der Bruder seiner Freundin Noelle nun in der Junioren-WM starten kann, war bis zum Schnüren eines Sponsorenpakets lange ungewiss.
Ohne Ferien in die neue Arbeit gestürzt
Sportchef und Manager – Lüthi ist mit Vollgas in sein neues Leben gebraust. «Diesen Winter habe ich schon Ferien vermisst. Aber die Aufgabe bei Prüstel war eine super Chance, die ich unbedingt packen wollte», sagt Tom.
Bisher bereut er den Rücktritt nicht. «Bei den Testfahrten habe ich das Fahren nicht vermisst. Denn ich weiss, welchen Druck man da in jeder Runde hat!» Ob ihm nun das Zuschauen beim ersten GP schwerer fällt?