Das gabs in der Töff-WM noch nie! Zwei Brüder als Teamkollegen in der Königsklasse. Und dann auch noch beim Topteam von Honda: MotoGP-Superstar Marc Màrquez (27) fährt mit Bruder Alex (24) im selben Rennstall. Zwei Vollgas-Brüder aus dem spanischen Städtchen Cervera im Hinterland von Barcelona belegen zwei der begehrtesten Arbeitsplätze im ganzen Töff-Rennsport.
Das Familienglück ist perfekt, als letzten November der Aufstieg von Moto2-Weltmeister Alex in die Königsklasse besiegelt wird. Der Jüngere kommt zum Handkuss, weil Jorge Lorenzo (33) überraschend zurücktritt – plötzlich ist ein Top-Töff frei. Klar, dass sich der ältere Bruder intern für seinen Bruder starkmacht.
Der Familien-Deal klappt. Sportlich ist es ein Wagnis: Alex ist für ein Werksteam unerfahren und hat trotz zwei WM-Titeln bei weitem nicht die Klasse seines Bruders, der fahrerisch ein Jahrzehnte-Phänomen ist und im Feld der einzige Pilot, der die störrische Honda wirklich beherrscht.
Doch für die Brüder geht ein Traum in Erfüllung. Gemeinsam im selben Team! Alex und Marc stehen sich sehr nahe. Sie leben noch immer bei den Eltern. Sie trainieren täglich zusammen. Sie reisen gemeinsam an die Grands Prix. Sie haben dasselbe Umfeld. Sie vertrauen sich alles an, sie sind auch beste Kumpels. «Wir sind uns charakterlich ziemlich ähnlich», sagte Alex letztes Jahr zu SonntagsBlick, «ich habe viel von Marc gelernt. Einfach, weil er mein älterer Bruder ist. So, wie es jeder jüngere Bruder erlebt.»
«Es ist besser für unsere Eltern»
Sie freuen sich ehrlich über den Erfolg des anderen: Als 2019 Alex nach schwierigen Jahren in der Moto2 im fünften Anlauf endlich den Titel holt, freut sich Marc fast mehr über den Triumph des Bruders als über seinen eigenen WM-Titel in der MotoGP.
Nun fahren die beiden Màrquez erstmals miteinander und gegeneinander. Zum Wohlgefallen von Vater Julià und Mutter Roser. Alex: «Es ist besser für unsere Eltern. Denn wenn wir in der gleichen Klasse fahren, müssen sie nur noch in einem Rennen mitleiden, nicht mehr in zwei.» Und jetzt gehen Marc und Alex ab dem Re-Start in Jerez sogar in derselben Box ein und aus.
Doch das Verrückte: Die erste MotoGP-Saison des Brüder-Dreamteams wird auch die letzte sein. Obwohl Alex noch kein einziges Rennen in der Königsklasse gefahren ist, wird er auf Ende Saison schon wieder abgesägt.
Es ist der grosse Transfer-Knall mitten in der Corona-Zwangspause: Honda verpflichtet für 2021 den Spanier Pol Espargaro (29) fürs Werksteam. Alex’ Zeit als Marcs Teamkollege läuft noch vor seinem Debüt wieder ab – er wird ab 2021 wohl ins Privatteam LCR-Honda verfrachtet.
Honda traut Alex Marquez wenig zu
Der Deal ist fix, aber noch nicht offiziell. Deshalb hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Doch die Botschaft ist klar: Honda traut Alex nach den eher bescheidenen Winter-Testfahrten nicht zu, als Teamkollege seines Bruders zu bestehen. Der Verdacht: Die Japaner haben Alex nur verpflichtet, um Marc eine Vertragsverlängerung schmackhaft zu machen. Diesen Frühling verlängerte der achtfache Töff-Weltmeister, der alle seine sechs MotoGP-Titel (in nur sieben Jahren!) auf Honda holte, tatsächlich sogleich bis Ende 2024.
Doch jetzt transferiert Honda seinen Bruder schon wieder weg. Ex-Manager Carlo Pernat, eine Fahrerlager-Legende, sagt bei «GPone»: «Unter diesen neuen Voraussetzungen hätte Marc den neuen Vierjahresvertrag nicht unterzeichnet. Honda wird jetzt keinen leichten Start haben. Diese Strategie von Puig (Honda-Teammanager Alberto Puig, d. Red.) ist völliger Wahnsinn, es ist Selbstmord!»
Die Konkurrenz frohlockt nun schon: Hat das Misstrauens- votum gegen seinen Bruder das Verhältnis zwischen Dauer-Sieger Marc Màrquez und Arbeitgeber Honda so sehr zerrüttet, dass er 2020 für einmal nicht Weltmeister wird?