Ist es ihr liebster Ort auf der Welt? Vielleicht nicht ganz. Aber ohne würde Sportkletterin Petra Klingler (31) nicht leben können. Die Rede ist nicht etwa von einer Kletterhalle oder einem Berggipfel, sondern von ihrer Küche, zu Hause in Appenzell. Es ist ihr Zufluchtsort. «Hier erhole ich mich, hier kann ich kreativ sein, den Kopf abschalten und runterfahren.» Und genau hier besucht Blick die Spitzenkletterin.
Immer wieder lässt die Zürcherin bei ihren fast 45’000 Followern auf Instagram das Wasser im Mund zusammenlaufen, wenn sie Videos und Fotos ihrer kulinarischen Experimente hochlädt. Hier Streuselkuchen, dort ein vollgepackter Fajita-Wrap oder ein Teller voller selbstgebackener Protein-Riegel. «Fast alles, was ich koche, ist simpel und gesund. Auch wenn es auf den ersten Blick gar nicht so aussieht.»
Klingler verzichtet zum Beispiel oft auf Kristallzucker und nutzt natürliche Süssstoffe. Für ihre Proteinriegel verwendet sie Datteln und Agaven-Dicksaft. Zusammen mit Haferflocken und Bananen backt sie sich innerhalb einer halben Stunde ihren nächsten Trainings-Snack.
Geburtstagsessen wird zur Sünde
Sich gesund zu ernähren, fiel der Wahl-Appenzellerin noch nie schwer. Das sieht man der muskulösen Sportkletterin an. Und doch gab es Zeiten, da haderte auch die Zürcherin mit ihrem Körper. «Als Teenagerin gab es Athletinnen in meinem Umfeld, die in eine Magersucht gefallen sind. Ich gehörte immer schon zu den eher schweren Kletterinnen, weil ich kräftig gebaut bin. Plötzlich sind mir diese Fragen durch den Kopf gegeistert – muss ich jetzt auch so dünn werden wie die?»
Auch Petra Klingler begann, Kalorien zu zählen, um Gewicht zu verlieren. Doch anstatt der Kilos verabschiedete sich stattdessen ihre Lust am Klettern. Klingler wurde immer antriebsloser, bis sie schliesslich an ihrem 17. Geburtstag die Handbremse zog. «Ich erinnere mich noch genau, dass ich mir an meinem Geburtstag mein Lieblingsessen, eine Lasagne, bestellt hatte. Als der Teller vor mir stand, sah ich das Öl auf der Kruste. Und da dachte ich plötzlich, dass ich das doch nicht essen darf!» Der Gedanke erschreckte die Teenagerin. Und rüttelte sie wach.
Die Boulder-Weltmeisterin von 2016 startet am Donnerstag in die Heim-WM in der Berner Postfinance Arena. Falls Petra Klingler die Qualifikation schafft, stehen am Samstag, 05. August die Boulder-Halbfinals an.
Als grösster Schweizer Trumpf geht Sascha Lehmann (25) an den Start. Im Juni gewann er den Lead-Weltcup in Innsbruck. Auch er klettert am Donnerstag, 03. August die Qualifikation.
Am Dienstag, 08. August greifen die Parakletterer ins Geschehen ein. Hier klettert mit dem Romand Roland Paillex (59) in der Kategorie der Sehbehinderten ein weiterer schweizer Medaillenkandidat.
Die Boulder-Weltmeisterin von 2016 startet am Donnerstag in die Heim-WM in der Berner Postfinance Arena. Falls Petra Klingler die Qualifikation schafft, stehen am Samstag, 05. August die Boulder-Halbfinals an.
Als grösster Schweizer Trumpf geht Sascha Lehmann (25) an den Start. Im Juni gewann er den Lead-Weltcup in Innsbruck. Auch er klettert am Donnerstag, 03. August die Qualifikation.
Am Dienstag, 08. August greifen die Parakletterer ins Geschehen ein. Hier klettert mit dem Romand Roland Paillex (59) in der Kategorie der Sehbehinderten ein weiterer schweizer Medaillenkandidat.
Essstörungen als Szene-Krankheit
«Ich dachte mir: Entweder ich klettere, so wie ich bin, und habe Erfolg. Oder ich gebe mich einfach mit der Leistung zufrieden, die halt drin liegt. Aber ich hungere mich sicher nicht auf ein vermeintliches Optimalgewicht herunter und lasse mir den Spass am Essen und am Sport nehmen.»
Denn gerade im Klettern kann ein Kilo mehr oder weniger matchentscheidend sein. Jedes Gramm gilt es, die Wand hochzuziehen. Entsprechend überrascht es nicht, dass die Kletterszene ein Problem mit Essstörungen hat. Wirklich darüber sprechen tun aber die wenigsten. Erst kürzlich gab ein ärztlicher Berater des Kletterweltverbands IFSC seinen Rücktritt bekannt. Aus Protest. Weil im Weltcup nach wie vor untergewichtige Athletinnen und Athleten starten, und der IFSC nichts dagegen unternimmt.
Zukunft abseits der Kletterwand
Klingler weiss mittlerweile genau, was ihr Körper braucht. Im Alltag ist sie ihre eigene Ernährungsberaterin. Dazu gehört auch, dass sie sich bewusst auch mal etwas erlaubt. «Wenn ich Lust auf ein Glacé habe, gönne ich mir ein Glacé.» Am besten gleich selbst gemacht, zum Beispiel mit proteinreichem Hüttenkäse.
Das gilt auch an Wettkampftagen. Allzu viele von denen wird Klingler nicht mehr bestreiten. Im Moment klettert sie in Bern zum allerletzten Mal an einer WM. Nächsten Sommer beendet sie ihre Karriere nach den Olympischen Spielen. Ob sie in der neu gewonnenen Zeit dann ihr eigenes Kochbuch schreibt? Das ist durchaus denkbar. Die Lust an einem solchen Projekt ist da, und Klingler sitzt auf einem ganzen Berg an Ideen und Rezepten.