Es ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe, das Swiss Paraclimbing Team. Sie kommen aus der ganzen Schweiz, sprechen unterschiedliche Sprachen, stecken in ganz unterschiedlichen Lebensabschnitten, haben unterschiedliche Handicaps. Doch die Leidenschaft zum Klettern verbindet sie alle. Der Berner Michael Bühler (37) trainiert das Team mehrmals in der Woche. Mal in Villeneuve VD, mal in Uster ZH oder mal in Ostermundigen bei Bern. Hier treffen wir ihn und seine Athleten.
Dass der Job so intensiv wird, dachte sich beim Schweizer Alpen-Club SAC, dem das Paraclimbing Team angehört, anfangs wohl keiner. 16 Athletinnen und Athleten mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen gilt es mittlerweile zu coachen. «Die Idee, ein Para-Team zu gründen, gab es schon länger. Umgesetzt wurde sie aber erst vor eineinhalb Jahren», erzählt Bühler. Ausschlaggebend war die Weltmeisterschaft in Bern im August. «Angefangen haben wir mit einer einzigen Athletin.» Dieses «Versuchskaninchen» war Amruta Wyssmann (31). Die Bündnerin kam ohne linken Unterarm zur Welt. Mit dem Klettern hatte sie lange Zeit nichts am Hut. Bis Freunde sie einfach mal mitgenommen haben. Dann war es um sie geschehen.
Mehr zu Para-Sport-Events
«Es hat richtig Spass gemacht, also bin ich drangeblieben. Und es tut meinem Körper gut.» Sie zeigt auf ihren muskulösen linken Oberarm. «Darauf bin ich schon ein bisschen stolz. Vor dem Klettern habe ich den Arm so gut wie gar nie gebraucht.» Wenn sie die 20 Meter hohen Wände hochkraxelt, muss man zweimal hinschauen, um ihr Handicap zu bemerken.
Über Funk die Wand hoch
Etwas mehr Aufmerksamkeit in der Kletterhalle erregt Roland Paillex (59). Oder besser gesagt sein treuester Begleiter, Blindenhund Disco. Der Labrador liegt zu Paillex’ Füssen und beobachtet aufmerksam, wie sich sein Besitzer ein Headset anzieht. Coach Michael Bühler überprüft die Karabiner und Sicherungsseile und setzt sich dann ebenfalls ein Headset auf. Um die Wand zu erklimmen, ist der Romand auf die Führung eines Guides, in diesem Fall sein Trainer, angewiesen.
Seit einer missglückten Operation vor sechs Jahren sieht Paillex nur noch ein Prozent. Es sei, als würde man durch einen Strohhalm blicken. Doch diese Einschränkung hat den polysportiven Optimisten beim Klettern nie aufgehalten. «Ich habe schon vor dem Zwischenfall gerne geklettert. Als ich erblindete, habe ich das einfach weitergemacht.» Und wie. Schon bei seinem allerersten internationalen Wettkampf holte sich der Romand in seiner Kategorie die Bronzemedaille. An der Wand ist er in seinem Element. Und sagt: «Beim Klettern merke ich mein Handicap nicht.»
Den Ball flach halten
Die Aufregung um die Weltmeisterschaft in Bern ist beim Team schon jetzt spürbar. Coach Bühler will die Erwartungen tief halten. «Wir müssen realistisch bleiben. Unser Team ist noch unglaublich jung. Viele unserer Athleten klettern erst seit einigen Jahren. Andere Nationen betreiben seit 20 Jahren ein professionelles Para-Team.»
Und doch will jeder Athlet an der Heim-WM sein Bestes zeigen. Die Wettkampf-Atmosphäre ist für viele Schweizer Para-Climber allerdings noch neu. Der fast blinde Roland Paillex musste das bei seinem ersten Weltcup vor wenigen Wochen auf die harte Tour lernen: «Bei der Präsentation der Athleten gab es eine riesige Show. Mit lauter Musik und bunten Lichtern. Als ich auf die Bühne trat, schaute ich prompt direkt in einen Scheinwerfer.» Für die nächsten zehn Minuten war auch Paillex letztes Prozent Sehkraft weg. Aber der Romand nimmt es mit Humor. «An der WM ziehe ich ein Cap an. Dann muss ich mich wenigstens nicht noch um die Frisur kümmern.»