Kaum jemand wird am Montag im Münchner Olympiastadion so viel Druck haben wie Niklas Kaul (24) an seiner Heim-EM. «Es kribbelt», gibt der Deutsche am Wochenende zu. Und ergänzt mit dem Schalk im Nacken: «Wenn das so weitergeht, bis es losgeht, dann zittere ich am Montagmorgen.» Kaul ist der Lokalmatador, 2019 wurde er in Doha jüngster Zehnkampf-Weltmeister der Geschichte. Nun will er zu Hause die nächste Grosstat vollbringen, auf die EM hat er seine gesamte Saisonplanung ausgerichtet.
Nur: Wessen Daheim ist das Olympiastadion eigentlich? Während der Mainzer Kaul vier Stunden Anfahrt hat, ist Simon Ehammer (22) in zweieinhalb Stunden aus dem Appenzell in München. «Eigentlich hat er Heimspiel», sagt Kaul. «Aber das sagen wir den Fans nicht.»
Kommentar zu den Schweizer Chancen an der EM
Wurf-Monster Kaul vs. Sprung-König Ehammer
Die deutschen Anhänger wissen zu schätzen, was sie an den Zehnkämpfern haben. «Der Zehnkampf hat hier viel Tradition», sagt Ehammer. «Das finde ich sehr schön. Ich hoffe, ich kann mithelfen, so etwas Ähnliches bei uns auch wieder aufzubauen.»
Von Kaul kann sich Ehammer vor allem in den Wurfdisziplinen und beim abschliessenden 1500-m-Lauf einiges abschauen. «Die Leistungen, die er da bringt, die kann man mit meinen 8,45 im Weitsprung vergleichen», sagt er. «Er hat seine grossen Stärken am ersten Tag, ich am zweiten», sagt Kaul. «Das ist so faszinierend am Zehnkampf», sagt Ehammer. «Man kann mit unterschiedlichen Profilen vorne dabei sein.» Kaul: «Was bei ihm der Weitsprung ist, ist bei mir der Speerwurf.»
Familie Ehammer kommt mit 30 Leuten
Klar, dass die Kontrahenten, die zwei Tage am Stück zusammen im Stadion verbringen, ab und zu auch mal einen Spruch raushauen. «Trashtalk würde ich das nicht nennen», sagt Ehammer. Aber ein bisschen gestichelt wird schon. Kaul: «Wenn man zwei Tage lang schweigend aneinander vorbeigehen würde und nicht mal einen doofen Spruch machen dürfte, das wäre ja langweilig.»
Trashtalk hin oder her: Langweilig wird es während des Zehnkampfs (Montag ab 9 Uhr, SRF 2 live) ohnehin nicht. Neben Kaul und dem aufstrebenden Ehammer ist Weltrekordler Kevin Mayer (Fr) ein Garant dafür, die Esten um Maicel Uibo dürften ebenfalls im Kampf um die Medaillen mitmischen. Und dank der rund 30 Familienmitglieder, die aus dem Appenzell und aus Österreich angereist sind, wird Ehammer so oder so ein kleines Heimspiel haben.