«Warten Sie! Warten Sie! Warten Sie! Wofür? Wofür? Wofür?» Eine Frau schreit, als sie von Polizisten aus dem Auto gezogen wird. Bei dieser Frau handelt es sich um den britischen Sprint-Star Bianca Williams.
Die Europameisterin und ihr Lebenspartner, der portugiesische 400-Meter-Läufer Ricardo dos Santos, sind mit ihrem drei Monate alten Sohn im Mercedes unterwegs. Die Familie wird im Londoner Stadtteil Maida Vale, nahe Notting Hill, angehalten.
Was eine normale Polizei-Kontrolle hätte sein müssen, eskaliert. Williams wird von einer Polizistin aus dem Auto gezerrt und wehrt sich, wie ein schockierendes Twitter-Video zeigt. Später werden Williams und Dos Santos Handschellen angelegt.
Polizei begründet es mit mehr Waffengewalt
Bei der «BBC» spricht Williams über den Vorfall: «Ich hatte richtige Angst. Ich war noch nie in einer solchen Situation. Ricardo schon, er ist sich das gewohnt. Was eine Schande ist!» Dos Santos weiter: «Es ist normal für mich, was furchtbar ist, sagen zu müssen.»
Williams ist sich sicher: «Die Polizei hat uns angehalten, weil ein Schwarzer einen Mercedes fährt.» Zudem gehöre die Gegend um Maida Vale zu den nobleren.
Dagegen wehrt sich die stellvertretende Hauptkommissarin, Helen Ball. Vor dem Ausschuss sagt sie, es habe «gute Gründe» gegeben, den Wagen anzuhalten, weil man «ja zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst hat, wer, sich im Wagen befinde». Die Durchsuchung des Autos sei darauf zurückzuführen, dass im Gebiet Maida Vale wegen zunehmender Waffengewalt vermehrt Patrouillen durchgeführt würden.
«Keine Verfehlungen der Polizisten»
Die zuständige Behörde hat sich mittlerweile für die Unannehmlichkeiten entschuldigt. Nicht aber für das Vorgehen der Polizistinnen und Polizisten. Chefin Cressida Dick sagt gegenüber einem Ausschuss von Abgeordneten, dass Beamte bei Williams waren, um sich für den «Kummer, den die Aktion ausgelöst hätte», zu entschuldigen. Trotz zweier Untersuchungen seien keinerlei Verfehlungen seitens der Beamten festgestellt worden, so die Polizei-Präsidentin.
Weil das Filmmaterial über Soziale Medien verbreitet wird und damit ein grösseres öffentliches Interesse entstanden ist, schaltet sich nun ein Sonderausschuss ein, um den Fall zu untersuchen. Dick sagt: «Jedes Mal, wenn wir ein Video sehen, das Anlass zur Besorgnis gibt, überprüfen wir es, um zu sehen, ob es irgendwelche Lehren daraus zu ziehen gibt.»
Williams, die mit der 4x100-Meter-Staffel schon Europameisterin wurde, begrüsst die Untersuchung durch den unabhängigen Sonderausschuss: «Das ist jetzt notwendig, weil die Metropolitan Police bewiesen hat, dass man sich nicht darauf verlassen kann, wenn die Polizei eine Beschwerde selbst untersucht.»
Ausschuss untersucht Racial Profiling
Der Sprinterin fehle allerdings nach wie vor eine Entschuldigung für die «völlig ungerechtfertigten Aktionen». Dafür haben Williams und Dos Santos nun Anwälte eingeschaltet, die den Sonderausschuss unterstützen sollen.
Dieser hat jetzt alle Hände voll zu tun: Es soll untersucht werden, ob Racial Profiling oder Diskriminierung eine Rolle gespielt hätten, heisst es seitens des Ausschusses. Hat es, so Williams.
Und mit ihr und ihrer Familie vermutlich Millionen von Menschen, die im Zug der «Black Lives Matter»-Bewegung für mehr Rechte von Schwarzen und gegen Polizeigewalt und institutionellen Rassismus demonstrieren.
Der Vorfall hat in London ein kleines Polizei-Beben ausgelöst. Es werden zahlreiche Verhaftungen untersucht. Auf Gewalt oder den unverhältnismässigen Einsatz von Handschellen. (leo)