Kolumne «Alles wird gut»
Die magische Kraft der Symbole

Mohrenköpfe, die doppelte SRF-«Arena» – und was kolonialistische Denkmäler mit dem Foto des Ex auf dem Nachttisch zu tun haben. Schon seltsam, wie wir über Rassismus reden.
Publiziert: 28.06.2020 um 23:25 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2020 um 22:44 Uhr
Ursula von Arx, Autorin
Foto: Thomas Buchwalder
Ursula von Arx

Vor einem Monat war dieser Mord. Die Bilder, wie der Afroamerikaner George Floyd durch Polizeigewalt zu Tode kam, waren verstörend.

Seither wird das Rassismus-Thema mit Elan bewirtschaftet. Es erregt alle Herzen, die grossen, die kalten, die spottenden, die betroffenen und auch die kühl um Aufmerksamkeit kalkulierenden. Es wirkt wie Adrenalin auf unseren kollektiven Stoffwechsel, es polarisiert, sensibilisiert – für Zeichen.

Denn schnell wurden hauptsächlich Fragen der Repräsentation verhandelt. Die magische Kraft der Symbole ist erstaunlich, in der Tat. Symbole sind so entrückend. Wir mögen in Blutlachen sitzen, auf bösen Ungerechtigkeiten und realen Privilegien, doch mit vor Empörung geröteten Wangen diskutieren wir über das Wort «Mohrenkopf». Oder über kolonialistische Denkmäler. Leicht verliert man aus den Augen, worum es eigentlich geht. Um alles? Um nichts?

Weg damit!

Wir diskutierten darüber, ob «Mohrenkopf» überhaupt als Beleidigung empfunden wurde von den potenziell Beleidigten. Wenige wüssten um die Herkunft des Wortes, sagten die einen. Das kann auch von vielen Denkmälern behauptet werden. Wer schlenderte in Bristol unter der Bronzestatue Edward Colstons vorbei im Wissen, dieser sei ein Sklavenhändler?

Egal. Ab ins Hafenbecken mit ihm. Wann immer etwas auf jemanden beleidigend wirken könnte, weg damit. Der Aufwand, Empfindlichkeiten zu vermeiden, sei zumutbar, heisst es. Andere sehen in solchen Forderungen «linken Meinungsterror». Oder sie bringen das historische Bewusstsein ins Spiel. Kann ein Denkmal nicht auch ein Mahnmal sein? Fragen sie. Nein! Sagt die Gegenseite, denn: Würden Sie das Bild eines Ex-Partners weiterhin auf Ihrem Nachttisch halten, einfach um sich täglich daran zu erinnern, was für ein Fiesling das in Wahrheit war? Eben.

Geste wichtiger als Inhalt

Auch Betroffene lassen wir zu Wort kommen. Zum Beispiel in der «Arena», zweimal. Wobei die Zusammensetzung der Gäste mehr zu reden gab als das, was sie sagten.

Die symbolische Geste (viele «People of Colour» im Ring) schien wichtiger als die inhaltliche Auseinandersetzung. Auch auf Seiten der Eingeladenen. Diese zeigten wenig Aufklärungslust. Dafür betonten sie, wie müde sie seien, immer wieder erklären zu müssen, dass Rassismus in der Schweiz existiere. Alles werde gut.

Ursula von Arx liebt «Pippi Langstrumpf». Ihren Kindern hat sie noch die alte Version vorgelesen, die mit dem «Negerkönig». Da gab es etwas zu erklären. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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