«Es ist sehr wahrscheinlich das Ende seiner Karriere»
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Blick-Gisi zum Wilson-Fall:«Es ist sehr wahrscheinlich das Ende seiner Karriere»

Vom Liebling des Schweizer Sports zum Dopingsünder
Die verrückte Lebensgeschichte des Alex Wilson

Schuhverkäufer, Schnurri, Sprint-Held, Sünder: Die Lebensgeschichte von Alex Wilson (31) hat es in sich.
Publiziert: 30.06.2022 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 17.11.2022 um 12:54 Uhr
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Vom gefeierten Sprint-Helden zum Dopingsünder? Alex Wilson.
Foto: Keystone
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Daniel LeuStv. Sportchef

Sommer 2018: Alex Wilson (31) erscheint gut gelaunt zum Interview in Basel. Er lacht, er redet ununterbrochen, seine Augen leuchten. Sommer 2022: Alex Wilson verlässt schlecht gelaunt die Doping-Verhandlung im Haus des Sports in Ittigen. Er schaut grimmig, er schweigt, seine Augen sind nicht zu sehen, da er mit gesenktem Kopf davonhastet.

Vier Jahre liegen zwischen diesen beiden Momentaufnahmen. Der einstige Liebling des Schweizer Sports ein Doping-Sünder? Ja, sagte diese Woche die Disziplinarkammer des Schweizer Sports und sperrte ihn wegen vorsätzlichen Dopings mit Trenbolon für vier Jahre. Es ist ein weiteres Kapitel in der verrückten und bewegten Lebensgeschichte des Alex Wilson. Vom Schuhverkäufer zum Schnurri der Nation, zum Sprint-Helden, zum gefallenen Star. Mensch, Alex!

Wilson wollte Soldat werden

Die ersten 15 Jahre seines Lebens verbringt Wilson in Jamaika. Er lebt in bescheidenen Verhältnissen. «Mit 13 hatte ich nicht einmal richtige Schuhe. Doch wir waren glücklich. Geld war damals kein Thema. Wir brauchten nicht viel. Solange wir Essen, eine Hose und ein T-Shirt hatten, war alles gut», erzählt er Blick in jenem Sommer 2018, als seine Welt noch in Ordnung ist.

Dass er auf der Karibikinsel ohne Vater aufwächst? Für ihn kein Problem. «Ich weiss gar nicht, wie es sich anfühlt, einen Vater zu haben. Deshalb kann ich ihn auch gar nicht vermissen. Ich hatte und habe eine starke Mutter. Das reicht.» Sein Berufswunsch damals: «Ich wollte Soldat werden, um der Korruption in Jamaika entgegenzutreten.»

Als Klein Alex sieben ist, zieht seine Mutter mit ihrem neuen Schweizer Mann in die Schweiz. Er bleibt bei seiner Tante zurück. Eine harte Zeit. «Das war richtig streng. Manchmal bekamen wir auch richtig eins auf den Deckel. Ich musste dann jeweils sogar den Stock aussuchen, mit dem ich von meiner Tante geschlagen wurde. Da ich dumm war, suchte ich mir zuerst immer kleine aus, doch die fitzten am meisten. Irgendwann merkte ich das und suchte mir fortan grössere Stöcke aus.»

Gehadert hat er damit nie. Im Gegenteil. «Ich bin dadurch stärker geworden und heute der, der ich bin.» Mit 15 kommt Alex dann in die Schweiz zu seiner Mutter. Es ist ein zäher Startschuss in ein neues Leben. «Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, wir würden bloss ein paar Wochen Ferien in der Schweiz machen. Dass es für immer sein sollte, ahnte ich nicht. Es war sehr kalt und sehr dunkel, da ich im Dezember ankam. Es hatte sehr viel Schnee, den ich zuvor ja nicht kannte. Ich kann mich noch erinnern, dass mir wegen des Schnees eine Hand einfror. Ich hielt diese dann zum Aufwärmen dummerweise unter sehr heisses Wasser. Deswegen schmerzt mir noch heute die Hand, wenn ich sie unter heisses Wasser halte.»

«Ich fühlte mich wie Gott»

In der Schweiz wird Alex Wilson zum Leichtathleten. Dank seines ersten Trainers Christian Oberer. «Er sagte mir: ‹Du bist gut, im Sport kannst du es schaffen.›» Doch auch die Ausbildung kommt nicht zu kurz. Nach der Schule macht er ein einjähriges Praktikum in der Migros. «Ich habe in der Sportabteilung so viele Schlitten an den Mann und die Frau gebracht, bis sie ausverkauft waren. Und auch in der Schuhabteilung lief es gut, weil ich die Leute überzeugen konnte.»

Später macht er eine Lehre als Gärtner. «Das Coole am Gärtnern: Du siehst das Resultat deiner Arbeit. Das liebe ich. Ich pflanze einen schönen Kürbis an, und später siehst du das Ergebnis auf deinem Teller. Einfach wunderbar.» Im Sport läuft es zuerst weniger überragend. Seine ersten Jahre sind geprägt von wenig Erfolg und vielen Verletzungen. Gezweifelt an sich hat er trotzdem nie. «Ich war damals wie ein Haus, das auf Sand gebaut war. Wenn das Wasser kommt, ist alles weg.»

An der EM in Berlin 2018 ist er endlich am Ziel seiner Träume: Bronze über die 200 Meter, in Schweizer Rekordzeit. «Als ich auf den Aufwärmplatz ging, fühlte ich mich wie Gott. Ich wusste: Heute klappt es.» Spätestens ab da ist Wilson unser neuer Liebling, der sich mit seinen Interviews und seinen Sprüchen mitten in die Herzen der Fans plappert.

«Ich werde meinen Kopf nie irgendwo rausziehen müssen»

Wilson im Jahr 2018 – es ist der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere. Und es soll der Startschuss für weitere Erfolge sein. «Jetzt will ich auch eine WM-Medaille!» Ein Plan, der nicht aufgeht. Eine Fussverletzung stoppt ihn in Doha 2019. Die Abwärtsspirale, sie beginnt.

Bis er im Sommer 2021 aus dem Nichts kurz vor Olympia für spektakuläre Schlagzeilen sorgt. 9,84 Sekunden über die 100 Meter und 19,89 Sekunden über die 200 Meter – so schnell ist er in den USA unterwegs. Oder auch nicht, denn die Zeiten werden anschliessend nicht homologiert, und die beiden Schweizer Rekorde werden gestrichen.

Wenige Tage später dann der Schock: Wilsons Dopingprobe vom 15. März 2021 war positiv auf Trenbolon getestet worden. Der Skandal ist perfekt. Und Alex Wilson spielt in dieser Tragödie die Hauptrolle. Oskarverdächtig ist es nicht, was er abliefert. Erst soll die Ursache für die positive Probe verseuchtes Fleisch gewesen sein. Später ändert er die Begründung. Seine neue Version: Jemand soll ihm etwas untergemischt haben.

Die Disziplinarkammer des Schweizer Sports glaubt ihm keine der beiden Theorien. Vier Jahre Sperre! Busse über 13 750 Franken. Wie es nun weitergeht? Wie es ihm geht? Das weiss höchstens er selber. Vor vier Jahren sagte er auf die Frage, ob er nie den Kopf hängen lasse? «Nie, nie, nie. Ich werde meinen Kopf nie irgendwo rausziehen müssen.» Mensch, Alex!

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