Der Richterspruch kommt am Dienstagmittag und er ist knallhart: Alex Wilson (31) wird für vier Jahre gesperrt. Das Urteil: Vorsätzliches Doping. Im Urin des Schweizer Rekordhalters über 100 und 200 m waren im März 2021 Spuren des anabolen Steroids Trenbolon gefunden worden. «Für uns war es der einzige mögliche Ausgang dieses Verfahrens», sagt Ernst König, als Direktor der Stiftung Swiss Sports Integrity der oberste Dopingjänger der Schweiz. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, Wilson kann den Fall vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne weiterziehen. Er besteht darauf, dass es sich bei seinem positiven Dopingtest um Sabotage handeln müsse.
Doch nun droht dem Basler bereits der nächste Doping-Hammer. Bald könnte ein zweites Verfahren gegen Wilson eröffnet werden. Die Athletics Integrity Unit des internationalen Leichtathletik-Verbandes (AIU) und die Schweizer Dopingjäger haben ihrer Meinung nach noch mehr belastendes Material gegen Wilson gesammelt.
Diesmal geht es um seine Verbindungen zum jamaikanischen Ex-Leichtathletik-Coach Raymond Stewart, der wegen seiner Doping-Machenschaften lebenslang gesperrt wurde und zu Eric Lira. Der texanische Heilpraktiker Lira wird beschuldigt, die nigerianische Weltklasse-Sprinterin Blessing Okagbare (33) und weitere Athleten mit Dopingmitteln versorgt zu haben. In den USA ist er deshalb ins Visier der Justiz geraten.
Werden Eric Lira und Raymond Stewart Alex Wilson zum Verhängnis?
Wird Wilson auch in einem zweiten Verfahren schuldig gesprochen, würde er für weitere acht Jahre gesperrt. Es würde sich dabei um einen sogenannten «Zweitverstoss» handeln: Wird ein Athlet über einen möglichen Verstoss gegen die Dopingregeln informiert, sind alle weiteren Dopingverstösse noch einmal härter zu ahnden. König bestätigt ein bevorstehendes Verfahren auf Blick-Anfrage nicht. «Wir stehen mit der AIU in engem Kontakt und sind dabei, das weitere Vorgehen zu besprechen», sagt der Direktor von Swiss Sports Integrity bloss.
Alex Wilson beteuert auf Blick-Anfrage weiterhin seine Unschuld. «Ich bin über den Entscheid der Disziplinarkammer erstaunt und kann aufgrund der Beweislage diesen nicht nachvollziehen», gibt er schriftlich zu Protokoll. «Fakt ist: ich habe nie willentlich eine verbotene Substanz zu mir genommen. Aktuell kenne ich auch die Begründung für den Entscheid der Disziplinarkammer noch nicht. Wenn mir diese kommuniziert wird, werde ich mit meinen Anwälten die weiteren rechtlichen Schritte prüfen.»
In der Vergangenheit betonte er, sein dokumentiertes Zusammentreffen mit Stewart, von dem es ein kurzes Video gibt, sei rein zufällig zustande gekommen, er habe auch nicht gewusst, mit wem er es zu tun gehabt habe. Zu Lira sei er wegen seiner Rückenleiden gegangen, er habe ihn als Heilpraktiker konsultiert und ebenfalls nicht gewusst, dass dieser in ein Doping-Verfahren verstrickt sei.