Anderthalb Jahre hatte sie keinen Wettkampf mehr bestritten, jetzt eilt Annik Kälin (22) von Rekord zu Rekord. An der EM in München stellt sie im vierten Siebenkampf dieser Saison den vierten Schweizer Rekord auf, holt Bronze und beweist, dass sie noch einmal zulegen kann, wenn es darauf ankommt.
Es ist ein besonderer Effort nötig für Edelmetall. Vor dem abschliessenden 800-m-Lauf weiss die Bündnerin, dass sie eigentlich vom zweiten auf den vierten Platz zurückfallen müsste, wenn es nach den bisherigen Leistungen in dieser Disziplin geht.
Volles Risiko für Bronze
Doch Kälin setzt alles auf eine Karte, geht die zwei Bahnrunden voll an. «Ich habe voll riskiert. Ich hätte nicht erwartet, dass es so ein guter Lauf wird.» Es ist ihre einzige Chance. Sie habe gewusst, welche Fersen sie nicht aus den Augen verlieren dürfe. «Ich wollte die Medaille unbedingt verteidigen.»
Das gelingt ihr. Der Lärm der Zuschauer trägt sie ins Ziel. «Ich habe nicht mehr viel mitgekriegt. Irgendwann habe ich die Schweizer Fans jubeln gehört, da wusste ich, dass es ganz gut herausgekommen sein muss.» Und wie: Den 800er lief sie so schnell wie noch nie.
Die Rückenprobleme sind unter Kontrolle
«Nach der letzten Saison hätte ich nicht damit gerechnet», sagt sie nach ihrem Husarenstück. 6515 Punkte gelingen ihr am Mittwoch und Donnerstag im Olympiastadion von München. Mehr als bemerkenswert für eine Frau, die nach dem ersten Wettkampf 2021 die Saison abbrach, weil der Rücken nicht mehr mitmachte.
«Es ist wichtig, dass man ab und zu zurückschaut», sagt sie. «Die Ziele und Träume waren immer schon da. Aber dass es mir jetzt schon gelingt…» Nun hat sie die körperlichen Schwachstellen im Griff und die erste Medaille bei den Aktiven in der Tasche. Und weiss, dass da noch viel kommen kann: «Ich bin 22, ich bin jung. Ich habe noch viel Zeit.»