An der Hallen-WM im Frühjahr lief sie allen davon, an der Weltmeisterschaft in den USA setzte sie das nächste Ausrufezeichen – jetzt packt Mujinga Kambundji (30) an der EM in München noch einen drauf: Die schnellste Frau der Schweiz sprintet über 100 m in 10,99 Sekunden zu Silber.
Fotofinish-Drama! Nur die Deutsche Gina Lückenkemper ist an diesem Abend hauchdünn schneller. Die Britin Daryll Neita ist die Dritte im Bunde (11,00). Enger gehts nicht, drei Sprinterinnen innerhalb von einer Hundertstelsekunde!
Kambundji fehlen als Zweite bloss fünf Tausendstel. Unglaublich! Nach starkem Start gibt sie auf Goldkurs den Sieg noch aus der Hand. «Ich bin frustriert, wenn auch grundsätzlich zufrieden. Ich bin glücklich, dass ich eine Medaille geholt habe. Aber andererseits, so eine Tausendstel-Entscheidung…scheisse», meint Kambundji danach bei SRF mit einem Lachen.
Viel schneller als bei letzten Medaillen
Im ersten von drei Sprint-Wettbewerben gelingt der Bernerin, was ihr zuletzt lange verwehrt geblieben war: Gab es 2016 in Amsterdam 100-Meter-Bronze, musste sie zwei Jahre später in Berlin zuschauen, wie die anderen Edelmetall umgehängt erhielten.
Nun ist Kambundji zurück auf dem Podest – und deutlich weiter, als sie es 2016 war, als sie in 11,23 Sekunden in den Final lief und dort in 11,25 zu Bronze. Das sind Zeiten, mit denen sie sich heute längst nicht mehr zufrieden gibt.
Dabei waren die Bedingungen für ihre 10,99-s-Zeit nicht mal besonders gut: «Man hat es auch daran gesehen, dass niemand persönliche Bestzeit gelaufen ist. Von daher war die Zeit heute zweitrangig, das ist heute kein grosses Thema für mich.»
Die Frau, die die 100 m bis am Dienstag fünfmal unter 11 Sekunden gelaufen war (das gelang in Europa nur den Britinnen Daryll Neita und Dina Asher-Smith öfter), ist längst in der Weltklasse angekommen.
«Freue mich, nochmals zu laufen»
«Ich bin in der Form meines Lebens», hatte sie vor der WM gesagt, bevor sie auf Platz 5 lief. Vor München wusste sie: «Wenn ich schnell laufe, hole ich eine Medaille.» Das ist ihr gelungen – auch, weil sie sich traut, alles für den Erfolg zu tun.
Trotz Silber ist sie aber noch nicht zufrieden genug, um nach Hause zu gehen: «Ich freue mich vor allem auch, dass ich noch einmal laufen darf, im 200er und mit der Staffel. Die Stimmung hier ist toll. Ich fand Berlin 2018 schon super, das hier ist auch wieder phänomenal.» Der 200er findet am Donnerstag und Freitag (Final) statt, die 100-Meter-Staffel am Freitag und Sonntag (Final).
Die Final-Quali schaffte Kambundji locker
Zwischen WM und EM entschied sie sich, ihren Freund Florian Clivaz, länger bereits Teil ihres Trainer- und Management-Teams, als persönlichen Betreuer mit nach München zu nehmen. Weil ihr bisheriger Grossanlass-Coach Adrian Rothenbühler mit der Betreuung der Staffel und Kambundjis jüngerer Schwester Ditaji zu viel am Hut hat, um ihr in jedem Moment die Hilfe zu sein, die sie sich wünscht. Ein Schachzug, der aufgegangen zu sein scheint.
Schon die Qualifikation für den 100-m-Final schafft Kambundji souverän und locker (in 11,05). Ausgeschieden sind da hingegen Géraldine Frey (11,38) und Natacha Kouni (11,54).
Im Final dann zündet Kambundji den Turbo. Und lässt sich hinterher im Olympiastadion zurecht von den Zuschauern – und den zahlreichen Schweizer Fans – feiern.