Es ist Freitagabend um halb zehn und Mujinga Kambundji (30) lässt es so richtig krachen. Die Bernerin schnellt im Zürcher Letzigrund aus den Startblöcken, fegt die Tartanbahn hinunter, unaufhaltsam eilt sie den Konkurrentinnen davon. Im Ziel leuchtet die magische Zahlenkombination auf: 10,89 Sekunden – neuer Schweizer Rekord über 100 m!
Das bedeutet: Kambundji macht sich wieder zur schnellsten Frau der Schweiz! Eine Woche nach ihrem 30. Geburtstag jagt sie Ajla Del Ponte (25) den Landesrekord ab, zehn Tage nach ihrem neuen Rekord über 200 m am Berner Citius-Meeting ist sie auch über die kürzere Sprintdistanz wieder die Nummer 1.
Schweizer Meistertitel nur Nebensache
«In Bern hat es ‹klick› gemacht», sagt sie. «Da habe ich einen Schritt vorwärtsgemacht auf ein neues Leistungsniveau.» Dieses sieht beeindruckend aus: Vom starken Start bis zu den unwiderstehlichen letzten Metern demonstriert sie ihre Spitzen-Verfassung.
Dass Kambundji mit dem Sensations-Lauf auch Schweizer Meisterin ist, wird zur Nebensache. Viel wichtiger: Mit 10,89 springt sie in der Jahresweltbestenliste auf Platz 8, in Europa ist sie im Moment sogar die Nummer 1.
Kambundji beweist dazu, dass perfekte Bedingungen völlig überschätzt werden. Am Nachmittag regnet es im Letzigrund in Strömen, im 100-m-Final ist es kühl, deutlich unter 20 Grad. «Regen ist keine Entschuldigung», sagt Kambundji, die eigentlich am liebsten in der Hitze läuft. Ihr Trainer Adi Rothenbühler habe ihr vor dem Lauf gesagt: «Wer in Form ist, kann bei jedem Wetter schnell laufen.»
Der Mann weiss offensichtlich, wovon er spricht. Dass sie unter 11 Sekunden laufen würde, sei er sich ziemlich sicher gewesen, gibt Rothenbühler nach dem Rekordlauf zu. «Im Training letzte Woche war sie so gut drauf wie vor Belgrad.» Dort wurde Kambundji im März Hallenweltmeisterin.
Nicht nur Top-Shots sorgen für Spektakel
Del Ponte wird in 11,26 Zweite, läuft immerhin Saisonbestleistung. An Kambundji kommt sie nach ihrer Verletzungspause im Moment nicht heran.
Auch hinter den beiden Top-Shots im Schweizer Sprint geht es hoch her: Im Duell zwischen Géraldine Frey und Salome Kora geht es um die WM-Teilnahme, Frey dürfte mit SM-Platz 3 den Sprung nun schaffen.
Ein Beleg dafür, welchen Weg der Schweizer Frauen-Sprint hinter sich hat. Als Kambundji vor 13 Jahren mit 17 Jahren zum ersten Mal Meisterin wurde, musste sie dafür 11,66 laufen. Am Freitagabend sind allein im Halbfinal elf Athletinnen schneller unterwegs.