Mujinga Kambundji, Sie sind Europameisterin! Aber im ersten Moment, als Sie ins Ziel eingelaufen sind, schienen Sie zu zögern. Haben Sie es gar nicht geglaubt?
Kambundji: Ich war mir zunächst nicht ganz so sicher. Es passierte alles so schnell, Dina (Asher-Smith, d.Red.) war zwei Bahnen nebenan, also relativ weit weg. Darum habe ich lieber darauf gewartet, was auf der Anzeigetafel steht.
Und als es da stand, war es real.
Ja. Aber im ersten Moment ist es immer noch schwer fassbar. Zu sagen, was es bedeutet… ich habe mega, mega Freude.
Was könnte es denn bedeuten?
Es ist eine Goldmedaille. Ein Titel ist etwas anderes als «nur» eine Medaille. Und es ist nach dem Hallen-WM-Titel mein zweiter Titel in diesem Jahr. Mein erster an einer Outdoor-Meisterschaft.
Ist das der wichtigste Titel in Ihrer Karriere?
Ach, der in der Halle war auch speziell. Man kann die Medaillen nicht so gut vergleichen. Ich wusste, dass ich ein gutes Rennen machen wollte, musste bei mir und locker bleiben.
An der Hallen-WM waren es pure Glücksgefühle, ist Ihnen hier ein Stein vom Herzen gefallen?
Ich hatte den Dienstag nicht mehr im Kopf (als sie um 5 Tausendstel geschlagen wurde und Silber gewann, d. Red.), schon am Mittwoch an der Siegerehrung konnte ich meinen Frieden damit machen. Aber es ist mein erster Outdoor-Titel, das bedeutet mir viel.
Es ist die Krönung Ihrer Karriere.
Na, ich hoffe doch, dass die noch weitergeht (lacht). Es geht noch besser. Aber die Medaillen und Erfolge sind schwierig zu vergleichen. Meine WM-Bronze in Doha ist auch viel wert.
Sie können mit diesem EM-Titel immerhin sagen, dass Sie ganz oben gestanden sind, als es zählte.
Wahrscheinlich für einen kleinen Moment kann ich das. Und dann kommen die nächsten Ziele. Die Medaillen und Titel, die ich hole, sind alle so kleine Häkchen, die ich setzen kann. Dann kommt immer noch mehr. Ich merke immer noch, wo ich besser werden kann. Ich nehme alles mit, was ich kann, geniesse jeden Moment.
Was kann da noch kommen?
Es geht noch schneller. Und mit noch schneller bedeutet: Es gibt noch mehr Medaillen, hoffentlich (lacht). Aber meine Karriere verlief immer so: Vor 10 Jahren hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal Europameisterin werde, dass ich Hallen-Weltmeisterin werde. Ich versuche einfach, mich jedes Jahr zu verbessern, meine Ziele anzupassen. So mache ich das weiterhin. Und dann sehen wir, wohin das führt.
Sie mussten 30 werden, um Ihre besten Leistungen als Sprinterin abzurufen.
Das beste Beispiel ist Shelly-Ann Fraser-Pryce, sie ist 35 Jahre alt und ist letztes Jahr persönliche Bestzeit gelaufen. Ich habe also noch ein paar Jahre vor mir, würde ich sagen (lacht).
Ist so eine Goldmedaille auch der Lohn für all die harten Trainings?
Es trainieren alle hart. Jeder Athlet geht durch harte Trainings. Die grosse Schwierigkeit in einer Karriere ist, die richtigen Entscheide zu treffen. Intelligent zu handeln, keine Fehler zu machen. Das ist mit das Wichtigste: Versuchen, Fehler zu vermeiden, Verletzungen zu vermeiden. Die Medaille ist für mich der Lohn für die Risiken, die ich eingegangen bin, die Entscheide, die ich getroffen habe und die Zweifel, die ich hatte.
Welches war Ihr letzter wichtiger Entscheid?
Da gibt es viele und immer wieder neue. Schon nur, wenn man einen Wettkampf absagt. Ich glaube, es gibt jedes Jahr kritische Momente, wo man Entscheide treffen muss. Der letzte und grösste in diesem Jahr: Dass ich hier in München den ersten Grossanlass mit Florian (Clivaz, ihrem Freund und Trainer, d. Red.) gemacht habe.
Wie feiern Sie eigentlich die Medaille?
Mit viel Physio. Die Saison geht noch weiter. Man muss auch wieder runterkommen. Die Siegerehrung wird am Samstag sehr schön, aber dann kommen die nächsten Rennen, die will ich gut bestreiten.
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Sportministerin Viola Amherd war im Stadion. Sie haben Sie getroffen, was hat sie Ihnen gesagt?
Sie hat mir gratuliert, das war sehr schön. Es ist das erste Mal, dass ich sie treffen durfte und es ist schön zu wissen, dass sie meinen Lauf gesehen hat.
Weil Ihre Staffel-Kolleginnen die Final-Quali verpasst haben, bekommen Sie nun keine Möglichkeit, am Sonntag den Medaillen-Hattrick zu versuchen. Enttäuscht Sie das?
Das wäre schön gewesen, aber es hat jetzt halt leider nicht geklappt. Es ist ein schwieriges Jahr für die Staffel, wir haben ein bisschen einen Durchhänger. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir seit 2011 immer dabei waren, immer etwas versucht haben. Der Zusammenhalt ist da, wir sind nächstes Jahr wieder zurück. Ich bin so oder so stolz auf die anderen.