Kämpferin des Jahres: Mujinga Kambundji (31)
Man vergisst es fast: Die Bernerin ist im Frühjahr auf dominante Art und Weise Hallen-Europameisterin geworden. Seither ist viel passiert, ihre chronische Entzündung am linken Fuss verunmöglichte ein normales Training. Darum verzichtete sie auf die 200 m und auf die Staffel. Dass sie am Ende den WM-Final um bloss 3 Hundertstel verpasste, ist eine riesige Leistung. Ist sie gesund, wird sie nächstes Jahr bei Olympia und an der EM die Medaillen ins Visier nehmen.
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Rohrspatz des Jahres: Jason Joseph (24)
Der Mann hat Ansprüche. In Istanbul wurde er Hallen-Europameister, das war sein Durchbruch auf internationalem Elite-Level. Doch Joseph will mehr. Trotz grosser Konstanz, dem Erreichen des WM-Finals und mehreren Schweizer Rekorden (zuletzt 13,07 Sekunden) über 110 m fand er seine Saison bloss «okay». Weil er weiss, wie wenig ihm zur absoluten Weltspitze und zu einer Zeit unter 13 Sekunden fehlt. Dass er nur mit dem Besten zufrieden ist, spricht für ihn. Auch wenn man ihm wünscht, dass er daheim im stillen Kämmerlein nicht nur mit sich schimpft.
Aufsteigerin des Jahres: Ditaji Kambundji (21)
Es scheint bei ihr einfach nur aufwärtszugehen. Der jüngste Spross des Kambundji-Clans brilliert nach Hallen-EM-Bronze über die Kurzhürden auch draussen, stellt neue Schweizer Rekorde auf und läuft in 12,47 Sekunden eine Zeit, die in diesem Jahrtausend nur einer weiteren Europäerin gelungen ist. Die Weltspitze hat sie erreicht, jetzt geht es darum, in die absolute Weltspitze vorzustossen.
Sturzflug des Jahres: Ricky Petrucciani (23)
Kaum einer bringt so viel Talent mit wie der Tessiner. Doch auf die Bahn brachte es der EM-Silbermedaillengewinner von 2022 diesen Sommer zu selten – auch, weil der Körper nicht mitspielte. Da muss nächsten Sommer mehr kommen.
Lautsprecher des Jahres: Simon Ehammer (23)
Keiner formuliert seine Ansprüche so unverblümt wie der Appenzeller Zehnkämpfer. Der Weitsprung-Rekordhalter erklärt seine Ziele (Medaillen, Rekorde!) ganz klar. Würde er vom Balkan stammen, man würde seine Anspruchshaltung als «unschweizerisch» bezeichnen. Sportlich erlebt er 2023 Hochs und Tiefs: Zwei Diamond-League-Siege im Weitsprung und der Gesamtsieg in der Disziplin sind hervorragend, an der WM verpasst er seine Bestleistung jedoch deutlich und im Zehnkampf kommt er wegen zwei Nullern und einer Schulterverletzung nicht auf Touren.
Die Drama-Queens des Jahres: 4x100-m-Staffel Frauen
Ohne Kambundji und Del Ponte hatten die Sprint-Staffelfrauen dieses Jahr keinen Medaillen-Druck. Ohne Drama ging es trotzdem nicht: Erst dauerte die Neubesetzung des Trainerpostens durch den Verband viel zu lange, dann schaffte es das Quartett um Salomé Kora und Géraldine Frey trotz aller Widrigkeiten in den WM-Final. Um dann dort mit einem Fehler beim ersten Wechsel disqualifiziert zu werden. Eines ist sicher: Mit der Sprintstaffel der Frauen wird es nie langweilig.
Patientin des Jahres: Ajla Del Ponte (27)
Seit Olympia in Tokio hat die Tessinerin zwei Seuchenjahre hinter sich. Die Frage bei ihr ist: Was macht die lange Verletzungspause mit der Psyche der Frau, die vor zwei Jahren Olympia-Fünfte über 100 m wurde und 10,90 lief?
Stehauf-Frau des Jahres: Angelica Moser (25)
Wenn wir schon bei Athletinnen mit schwierigen letzten zwei Jahren sind: Moser kommt ebenfalls von ganz weit unten. An der WM in Budapest lieferte sie im Stabhochsprung mit Platz 5, persönlicher Bestleitung und Olympia-Quali ab. Nächstes Jahr in Rom sollte sie um den EM-Titel ein ernstes Wörtchen mitreden.
Lernende des Jahres: Audrey Werro (19)
Das können sich nicht viele auf die Visitenkarte schreiben: Werro ist U20-Weltrekordhalterin über 1000 m. Bei den Erwachsenen zahlt die ultratalentierte 800-m-Spezialistin mit dem wunderschönen Laufstil allerdings auch dieses Jahr mächtig Lehrgeld. Taktisch muss sie noch einiges dazulernen – dann kommt sie ganz gross raus.