Lea Sprunger und Ajla Del Ponte leben im holländischen Arnhem unter einem Dach. Die Bedeutung ihrer Aussage «Wir haben den gleichen Rhythmus» erfasst man aber erst, wenn die 30-Jährige von ihren Wohnverhältnissen erzählt. «Wir leben in einem Studio, das etwa zwölf auf acht Meter misst. Alles ist in einem Raum, Küche, Ess- und Wohnzimmer sowie unsere Betten. Wenn nur eine von uns schlafen möchte und die andere nicht, wirds schwierig», so Sprunger.
Doch Sprunger und Del Ponte haben rasch gemerkt, dass ihre Leben im gleichen Takt verlaufen. Seit dem Wechsel ihres Trainers Laurent Meuwly 2019 zum holländischen Verband trainieren auch sie im National Sports Center Papendal. Im letzten Jahr haben sie immer wieder Airbnb- Wohnungen gemietet. «Aber die ständige Suche danach hat Energie gekostet.» Die Hürdenläuferin und die Schweizer Sprinterin der Stunde entscheiden im Februar, sich nach einer richtigen Mietwohnung umzusehen, wohnen seither und noch bis Mitte September in diesem Dachstudio.
Die Romande und die Tessinerin fühlen sich zu Hause. Es sei nicht die gleiche Lebensqualität wie in der Heimat, «aber wir haben es gut zusammen, und es ist schön, hier nicht alleine zu sein», sagt Sprunger.
Kochen, Putzen, Lesen
Das Zusammenleben der beiden Frauen klappt bestens, beide sind unkompliziert, das sei wertvoll. «Wir teilen im Haushalt alles auf.» Lea putzt gerne die Küche, «das ist irgendwie mein Tick». Und wie beschreibt sie ihre Mitbewohnerin Ajla, den aufgehenden Stern am Schweizer Sprinthimmel? «Ajla ist sehr hilfsbereit. Sie würde nie einfach nur dasitzen, wenn ich zum Beispiel koche.» Del Pontes Spezialität ist ein Tessiner Gericht, «sie kocht gerne Risotto».
Die Frühaufsteherin der beiden Leichtathletinnen ist Sprunger. «Wenn wir sonntags mal ausschlafen, könnte Ajla auch bis zehn Uhr liegen bleiben. Dann schliessen wir einen Kompromiss und stehen um halb zehn auf.» Del Ponte liest gerne und viele Bücher. «Ich weniger, dank ihr habe ich wieder angefangen.» Sie haben es sich angewöhnt, sich nur eine oder zwei Folgen einer Serie anzusehen und dann lieber Bücher zu lesen. Derzeit schauen sie die Comedy-Serie «Grace & Frankie», in der es um zwei ältere Frauen geht, die überraschend zu WG-Partnerinnen werden. «Wir schmunzeln oft und fragen uns im Spass, ob wir in zwanzig Jahren auch mal noch zusammenwohnen.»
Auch bei Sprunger und Del Ponte ist aus einer Zweckgemeinschaft eine Freundschaft geworden. Obwohl die Europameisterin 2018 über 400 m Hürden die ältere der beiden Sportlerinnen ist, seien sie auf Augenhöhe. «Wir führen oft interessante Gespräche. Ajla ist sehr reif für ihr Alter.» Und sehr schnell.
Die Tessinerin ist derzeit die beste Sprinterin Europas, hat über 100 m beim Diamond-League-Meeting in Monaco gewonnen und doppelt wenige Tage später in Bydgoszcz (Pol) nach. Was traut Sprunger ihrer jüngeren Kollegin noch zu? «Für Ajla liegt viel drin. Sie ist mental stärker geworden. Diese Siege pushen sie und bleiben in ihrem Rucksack fürs 2021.» Heute kann ein weiterer dazukommen.
Sprunger im Rückstand
Im Gegensatz zu Del Ponte ist Sprungers Start in Stockholm (Sd) heuer ihr erster in der Diamond League. «Es ist eine schwierige Saison», gesteht sie. Den Formrückstand nach ihren Achillessehnenproblemen hat sie noch nicht wieder aufgeholt. «Ich bin bei 80 bis 85 Prozent meiner Leistungsfähigkeit.» Deshalb steckt sie sich momentan sehr spezifische Ziele, wie für heute in Stockholm: «Ich will die ersten 200 Meter des Rennens schnell laufen.» Das sei einst ihre Stärke gewesen, das will sie wieder erreichen. Die Platzierung rückt deshalb (noch) in den Hintergrund.
So starten die Schweizer heute in Stockholm:
Lea Sprunger, 400 m Hürden, 15.50 Uhr
Ajla Del Ponte, 100 m, 16.17 Uhr
Silvan Wicki, 200 m, 17.10 Uhr
Selina Büchel, 800 m, 17.30 Uhr