Timothé Mumenthaler (21) gelingt am Montagabend in Rom die Sensation. Der Genfer verblüfft die Konkurrenz an der Leichtathletik-EM mit seinem so grandiosen wie souveränen Gold-Sprint über 200 m. Es ist der erste EM-Titel für die Romandie seit Philippe Clerc (77) im Jahr 1969, der damals ebenfalls über die halbe Stadionrunde zuschlug. Doch wer ist dieser Timothé Mumenthaler?
Der Sprinter wurde am 12. Dezember 2002 am Ende des Genfersees geboren. Schon sehr früh in seiner Karriere zeichnete sich ab, dass Mumenthaler Potenzial hat. Mit 15 Jahren war er bereits zweifacher Medaillengewinner an den Schweizer Meisterschaften – auf der U18-Stufe! Das Jahr 2018 verlief für ihn hervorragend: Mumenthaler nahm an den Europameisterschaften der gleichen Altersgruppe teil und qualifizierte sich dank guter Leistungen für die Olympischen Jugendspiele in Buenos Aires.
«Auf der Bahn ist er ein anderer Junge»
Und das, obwohl er ein Jahr zuvor aufgrund von Wachstumsproblemen eingebremst wurde. «Er musste den Sommer mit Kräftigungsübungen verbringen und ausschliesslich auf Gras laufen», sagt sein damaliger Trainer Walter Zecca der «Tribune de Genève». Doch schon damals war für ihn das Potenzial seines Schützlings offensichtlich: «Sobald er auf die Bahn geht, ist er ein anderer Junge, ein echter Sprinter. Er hat den richtigen Einsatz, eine natürliche Haltung und eine angeborene Schnelligkeit.»
Im September 2018 las man erstmals von Timothé Mumenthalers Ambitionen. «Das Gefühl des Sieges, es gibt nichts Besseres», sagte er, ebenfalls der heimischen «Tribune de Genève». Der neue Europameister erzählte da auch: «Schon als kleiner Junge konnte ich schnell laufen. Es ist ein Individualsport, der mir liegt. Man ist nur sich selbst Rechenschaft schuldig.» Er war ein grosser Fan von Usain Bolt (37), forcierte aber auch sein Leben neben dem Sport, besuchte das Gymnasium – mit dem Ziel, eines Tages Astrophysiker zu werden.
Tartanbahn und Mikrotechnik-Studium
Vier Jahre später bestand er die zweisprachige Matura und begann an der EPFL in Lausanne sein Mikrotechnik-Studium. Weniger gut sah es für ihn in dieser Zeit auf der Tartanbahn aus. Aufgrund von Verletzungen erlebte Mumenthaler drei schwierige Sommer. «Mein Körper ist anfällig, er verkraftet grosse Trainingsbelastungen schlecht», sagte er im Sommer 2022 gegenüber der «Tribune de Genève», kurz nach seinem Vize-Schweizermeistertitel über 100 m. Es lief nicht optimal für den Mann, der an diesem Montag alle verblüfft hat.
Ein Jahr später gab es dann aber endlich das erste Ergebnis auf der internationalen Bühne. Bei den U23-Europameisterschaften im finnischen Espoo holte der Athlet von Stade Genève Bronze über 200 m. Für den Final hatte er sich durch einen Münzwurf qualifiziert, nachdem er zeitgleich mit einem griechischen Gegner ins Ziel gekommen war. Doch im entscheidenden Rennen zitterte er nicht mehr und holte sich seine erste internationale Medaille.
Und nun, nur ein Jahr später, wird Mumenthaler doch tatsächlich auf Elite-Stufe über die gleiche Distanz Europameister. Er lässt sich auch von Enttäuschungen nicht unterkriegen, denn in diesem Jahr verpasste er die Olympiaqualifikation mit der 4x100-m-Staffel auf den Bahamas.
Wie geht es jetzt für ihn weiter? Momentan will sich Mumenthaler auf seine Prüfungen an der EPFL konzentrieren, wie er nach seinem Erfolg gegenüber RTS sagt. Aber wenn der Genfer auf der Schulbank nur annähernd so talentiert ist wie auf der Bahn, wird der Termin an der Hochschule in Lausanne zweifellos kein Problem für den neuen Europameister sein.