Bei den Olympischen Spielen hat Marcell Jacobs (26) alle überrascht. Mit neuem Europarekord sprintet der Italiener in 9,80 Sekunden über 100 m zu Gold und doppelt mit der 4x100m-Staffel nach. Bei so einer unerwarteten Leistungsexplosion dauert es nie lange, bis erste Zweifel wach werden. Zumal seine Bestzeit zuvor bei 10,03 Sekunden lag.
Auch der Doping-Experte Fritz Sörgel äussert sich kritisch. «Ich wage zu sagen, dass hier noch etwas herauskommen wird, was nicht zu Gunsten dieser zwei Olympiasiege sein wird», meint er gegenüber dem «Deutschlandfunk».
«Habe hart gearbeitet»
Der Verdacht kommt nicht von Ungefähr. Jacobs arbeitete mit dem Ernährungsberater Giacomo Spazzini zusammen. Getrennt hat er sich im März, als gegen Spazzini Ermittlungen wegen Handels mit Steroiden aufgenommen wurden. «Er ist ein Krimineller, der an Betrug und Diebstahlverfahren beteiligt war», legt Sörgel im Interview mit «Sport1» nach. «Dass Jacobs auch in diesem Schuppen war, sagt einiges aus. Dort gab es Rezeptfälschungen, um an bestimmte Medikamente zu kommen.»
Jacobs selber behauptet, dass er nichts mit Spazzinis Machenschaften zu tun hatte. «Ich habe für meinen Erfolg sehr lange und hart gearbeitet», so der Olympiasieger.
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Sörgel hingegen glaubt diesen Aussagen nicht. Der Experte kennt zuverlässige Daten, die belegen, dass coronabedingt weniger getestet wurde, was wiederum Doping-Praktiken begünstigt habe. Vor allem in Ländern, wie etwa Italien, wo die mediale Kontrolle bezüglich solcher Vergehen geringer sei als andernorts. Zudem sagt Sörgel: «An so eine Leistungsexplosion der Italiener kann ich mich bei den vergangenen fünf, sechs Olympischen Spielen nicht erinnern.»
Das lässt Jacobs nicht auf sich sitzen und kontert, er sei allein in diesem Jahr 21 Mal negativ getestet worden.
Bolt adelt den Italiener
Einer, der selber zu den grössten Sprintern gehört, scheint keine Zweifel an Jacobs' Leistung zu haben. Usain Bolt (34), der zwischen 2008 und 2016 alle Olympia-Goldmedaillen über 100 m abgeräumt hat. Er adelt den Italiener: «Er ist der Erbe, ein Sprinter von grosser Klasse», sagt der Jamaikaner gegenüber dem «Corriere della Sera».
Den Grundstein für den Erfolg sieht er in dessen mentaler Stärke, Und das obwohl er ihn, wie viele andere auch, vor seinen Exploits in Tokio gar nicht kannte. Bleibt abzuwarten, ob Jacobs nicht schon bald wegen etwas anderem noch mehr Bekanntheit erlangt. (red)