Kritik an der Wada und kein Sorry für Flückiger
Schweizer Antidoping-Chef zeigt klare Kante

Der oberste Schweizer Dopingbekämpfer Ernst König warnt vor unfairen Vorteilen für reiche Athleten. Im Interview verrät er auch, dass ihm manche Dopingfälle nahegehen. Zum Beispiel der Fall des Klotener Topskorers Miro Aaltonen.
Publiziert: 25.01.2025 um 13:41 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2025 um 13:47 Uhr
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Ernst König, der Schweizer Antidoping-Chef, posiert mit einem Fläschchen für die A-Probe (l.) und die B-Probe.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Auf einen Blick

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Nicola AbtReporter Sport

Gleich zwei prominente Namen des Schweizer Sports lieferten zuletzt Schlagzeilen, die mit der Dopingbekämpfung zu tun haben. Klotens Miro Aaltonen (31) blieb in einer Kontrolle hängen und Snowboarder Iouri Podladtchikov (36) deckte mit seinem Blitz-Comeback unbeabsichtigt einen Systemfehler auf. Der Olympiasieger hätte sich in der Vorbereitung unbemerkt mit Dopingmitteln vollstopfen können. Höchste Zeit, sich mit Ernst König, dem Schweizer Anti-Doping-Chef, an einen Tisch zu setzen.  

Blick: Weshalb wurde Iouri Podladtchikov noch nicht kontrolliert?
Ernst König: Haben Sie ihn gefragt?

Natürlich.
Er wurde nicht kontrolliert?

Ja.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass er demnächst getestet wird. Das liegt aber nicht in meinen Händen. Wir haben Leute, die je nach Sportart und Leistungen der Athleten entscheiden, wer, wie oft und wann kontrolliert wird. Und auch der internationale Verband dürfte sein Comeback auf dem Radar haben.

Freestyle scheint keine Priorität zu haben.
Tatsächlich führen wir in diesem Bereich weniger Tests durch als beispielsweise in einer Ausdauersportart wie Langlauf. Dort ist das Dopingrisiko höher, weil eine verbotene Substanz das Endresultat stärker beeinflussen kann. 

Was ist derzeit Ihre grösste Herausforderung im Kampf gegen Doping?
Das Regelwerk in seiner Gesamtheit zu verstehen. Die Vorgaben der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) umfassen mehrere Tausend Seiten. Es ist mittlerweile so kompliziert, dass selbst Spezialisten Mühe haben, den Überblick zu behalten. Und es könnte noch schlimmer werden. 

Wie meinen Sie das?
Anfang 2027 wird die Wada – wie alle sechs Jahre – ihr überarbeitetes Regelwerk präsentieren. Eigentlich sind sich alle einig, dass es keine grossen Änderungen braucht. Nachdem ich die zweite überarbeitete Version gelesen habe, bin ich mir aber ziemlich sicher, dass es noch einmal komplizierter wird. 

Wer könnte davon profitieren?
Eigentlich niemand, aber Athleten mit grossen finanziellen Ressourcen, die sich eine gute Rechtsvertretung leisten können, haben bessere Chancen auf eine tiefere Sanktion. Alle anderen dürften vor Gericht deutlich schlechter wegkommen. Das ist unfair. Der Fall des Radprofis Chris Froome ist das beste Beispiel dafür, was in Zukunft häufiger passieren könnte.

Erzählen Sie.
Bei ihm wurde eine hohe Dosis des Asthmawirkstoffs Salbutamol nachgewiesen. Wohl kaum ein anderer Sportler auf der Welt ausser er wäre ungestraft davongekommen. Wie ich gelesen habe, beliefen sich seine Anwaltskosten und die seines Teams auf mehrere Millionen Pfund.

Das ist Ernst König

Ernst König wuchs auf einem Bauernhof in Oberlindach BE auf. Er machte eine Landwirtschaftslehre, studierte und war später sechs Jahre lang Geschäftsführer der Branchenorganisation swisspatat. 2012 schloss König ein Management-Studium in Schottland ab und arbeitete danach fünf Jahre auf der britischen Insel für ein globales Dienstleistungsunternehmen. 2018 kehrte der zweifache Familienvater in die Schweiz zurück und trat die Stelle als Antidoping-Chef an.

Ernst König wuchs auf einem Bauernhof in Oberlindach BE auf. Er machte eine Landwirtschaftslehre, studierte und war später sechs Jahre lang Geschäftsführer der Branchenorganisation swisspatat. 2012 schloss König ein Management-Studium in Schottland ab und arbeitete danach fünf Jahre auf der britischen Insel für ein globales Dienstleistungsunternehmen. 2018 kehrte der zweifache Familienvater in die Schweiz zurück und trat die Stelle als Antidoping-Chef an.

Ihr Budget für die Dopingbekämpfung beträgt neun Millionen Franken pro Jahr. Gewissen Sportlern und Teams sind Sie unterlegen.
Das ist so, aber von diesen gibt es nicht Tausende auf der Welt. Finanziell versuchen wir, so gut wie möglich, mitzuhalten. Auch wir brauchen gute Anwälte, um vor Gericht zu bestehen. Die Personalkosten beanspruchen den Grossteil unseres Budgets. Darüber hinaus wird ein rechter Teil unserer Finanzen für den Betrieb der Meldestelle für Ethikverstösse und nicht für die Anti-Doping-Arbeit verwendet.

Was kostet eine Dopingkontrolle?
Im Durchschnitt 1000 Franken. Am teuersten sind die Laboranalysen und die Kontrolleure. Die Abnahme einer Dopingprobe kann mehrere Stunden dauern. Zudem müssen wir die Wegkosten und den Preis für die Doping-Kits verrechnen.

Woher kommt das Geld?
40 Prozent stammt von Swiss Olympic und 60 Prozent vom Bundesamt für Sport. Die zusätzlichen Auflagen im neuen Regelwerk der Wada werden Mehrkosten verursachen.

Wie können Sie diese auffangen?
Wir müssten beispielsweise die Anzahl Tests reduzieren. Eine andere Möglichkeit, Geld zu sparen, wäre, weniger in die Prävention zu investieren. Beides möchte ich vermeiden.

Wie viel Geld das Bundesamt für Sport in Zukunft für die Dopingbekämpfung zur Verfügung stellt, ist unklar. Gespräche gegen Ende Jahr dürften Klarheit schaffen.  

Wird heute mehr gedopt als früher?
Nein. Das heisst nicht, dass es keine Doper mehr gibt. Aber die Betrüger können heute nicht mehr so stark schummeln wie vor einigen Jahren. Durch die verbesserten Testmethoden müssen sie mit kleineren Mengen arbeiten, sonst fliegen sie auf.

Was löst ein positiver Dopingtest bei Ihnen aus?
Sicher keine Glücksgefühle! Ich habe mich noch nie über ein positives Ergebnis gefreut. 

Weshalb? Es zeigt doch, dass Ihr System funktioniert.
Natürlich, aber manchmal tun mir die Athleten auch leid. 

Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen wir den aktuellen Fall des ehemaligen Topskorers des EHC Kloten, Miro Aaltonen. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass ein Dopingverfahren potenziell dramatische Konsequenzen für die Karriere eines Athleten haben kann. Das Verfahren läuft noch. In seinem Fall lautet für mich das Zauberwort Verhältnismässigkeit. Aber wie immer müssen wir letztlich emotionslos das Regelwerk umsetzen. 

Wurden Aaltonen seine guten Leistungen zum Verhängnis?
Gerade bei Teamsportarten testen wir eher den Topskorer als ein Spieler aus der vierten Linie. Grundsätzlich kann es aber jeden treffen. 

Er hat eine Partydroge konsumiert. Weshalb stehen die auf der Dopingliste?
Gewisse können als Aufputschmittel missbraucht werden. Was beispielsweise während den Eishockey-Playoffs, wo die Müdigkeit ein Problem ist, von Vorteil sein kann.

Was ist mit Cannabis?
Im Gegensatz zu anderen Freizeitdrogen sehe ich bei THC (auch Cannabis genannt. Anm. d. Red.) keinen klaren Vorteil für den Sportler. Deshalb kann man sich schon fragen, ob THC auf die Dopingliste gehört. Natürlich kann man argumentieren, dass es gegen die Werte des Sports verstösst. Aber das tun Alkohol oder Tabak auch, und die findet man nicht auf der Dopingliste.

Ein anderer Fall war jener von Radprofi Mathias Flückiger, den Sie verloren haben. Wann findet der von Swiss Olympic angekündigte runde Tisch mit allen involvierten Parteien statt?
Noch ist nichts fix, aber wie ich höre, besteht immer noch die Absicht, diesen durchzuführen. Ich stehe dem sehr offen gegenüber.

Aber?
Durch diesen Fall entstand ein falscher Eindruck.

Welcher?
Einige Leute glauben, dass wir bei den Kontrollen nicht sauber arbeiten. Das trifft mich, weil es nicht stimmt. Unser Personal gehört auch auf internationaler Ebene zu den Besten. Bei Athletenbefragungen erhalten wir immer ein sehr positives Feedback. 

Flückiger wünscht sich eine Entschuldigung von Ihnen. Erhält er die?
Diese Frage kann ich nicht beantworten. Was ich sagen kann, ist, dass auch wir keinen zweiten Fall Flückiger wollen. 

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