England scheidet wegen eines verschossenen Penaltys aus, Harry Kane jagt in der Schlussphase gegen Frankreich die Kugel meterweit übers Tor. So weit, so normal das Drehbuch der «Three Lions» an der WM in Katar. Doch was seit dem Viertelfinal-Out auf der Insel geschieht, deckt sich überhaupt nicht mit der Vergangenheit: Die englische Presse, Experten, sogar die in der Regel schmerzfreien Boulevardmedien – alle beknien sie Trainer Gareth Southgate, zu bleiben!
Keine Spur von Fehlerauflistungen, wie sie bisher nach frühzeitigen Turnier-K.o.'s gang und gäbe waren. Kein vorgedrucktes Kündigungsschreiben für Southgate in der «Sun». Und das, obwohl Southgate an seinem dritten Turnier als England-Trainer so früh ausschied wie nie zuvor.
2016 übernahm der frühere Verteidiger von Sam Allardyce, der nach nur einem Spiel wegen eines Bestechungsskandals gehen musste. Southgate lehrte dem talentierten, aber disziplinlosen Team Ordnung und Stabilität. Und zog an der WM 2018 in Russland prompt in den Halbfinal ein. Noch besser liefs an der EM 2021, als England erst im Final an Italien scheiterte – standesgemäss im Penaltyschiessen.
Jetzt in Katar «nur» der Viertelfinal. Grund für den medialen Support für Southgate ist, dass er der Mannschaft mittlerweile auch beigebracht hat, nicht nur resultatorientiert, sondern auch schön zu spielen. Gegen Frankreich war England die klar bessere Mannschaft. Und die Altersstruktur sagt, dass das Team den Zenit noch nicht erreicht hat.
Das Betteln um Southgates Verbleib ist die Reaktion auf dessen Worte nach dem Viertelfinal-Out, wonach er sich einen Rücktritt überlege. Trotz Vertrag bis 2024. Es sei eine Frage der Kraft, die er in den kommenden Tagen für sich beantworten müsse.
Falls Southgate abspringt, sind die Nachfolge-Kandidaten bereits portiert: Allen voran der deutsche Thomas Tuchel, 2021 Champions-League-Sieger mit Chelsea, ist heiss auf den Job. Auch genannt werden Eddie Howe (Newcastle) und Frank Lampard (Everton).