Ricardo Rodriguez, schauen Sie sich die WM-Spiele weiterhin an?
Ricardo Rodriguez: Seit unserem Ausscheiden habe ich keine Spiele mehr angesehen. Jetzt bin ich mit meiner Familie erst einmal für ein paar Tage in den Bergen. Beim Final sitze ich dann aber wohl vor dem TV.
Wie frustriert sind Sie noch über das 1:6 gegen Portugal?
Der Frust über die Pleite sitzt schon noch tief. So auszuscheiden, tut weh. Wir haben uns das alle ganz anders vorgestellt. Aber ändern können wir jetzt nichts mehr.
Es war nach 2014 und 2018 ihre dritte Achtelfinal-Pleite an einer WM. War’s die härteste?
Es war die Klarste. Gegen Schweden vor vier Jahren hätten wir mehr herausholen müssen. Und gegen Argentinien 2014 waren wir in meinen Augen das bessere Team und hätten das Weiterkommen verdient gehabt. Deshalb war das Aus im 2014 die bitterste Erfahrung.
Nach der Klatsche gegen Portugal wurde die grosse Taktik-Diskussion losgetreten. Hat sich Murat Yakin mit der Umstellung auf eine Dreierabwehr vercoacht?
Nein. Die ersten Gegentore kriegen wir nach einem Einwurf und nach einem Eckball. Das hat nichts mit der taktischen Ausrichtung zu tun. Und nachdem wir nach der Pause auf eine Vierer-Kette umgestellt hatten, haben wir gleich vier Stück gekriegt.
Sie scheinen nichts gegen die Dreierkette zu haben?
Nein, warum auch? Ich spiele bei Torino in der Dreierkette und fühle mich da sehr wohl. Aber auch die Vierer-Kette passt für mich. Ich kann beides.
Einige Ihre Mitspieler sahen es anders als Sie und kritisierten die Taktik.
Sie haben sich direkt nach Spielschluss so geäussert. Das ist ihre Meinung, nicht meine.
Sie reden nicht so gerne nach einem Spiel in der Mixed Zone. Warum?
Ich gebe generell nicht so gerne Interviews. Direkt nach einem Spiel noch weniger, vor allem wenn wir 1:6 verloren haben.
Warum wurde die Nati dann derart vorgeführt? War die Schweiz so schlecht oder Portugal so gut?
Sicher erwischten die Portugiesen einen sehr guten Tag. Aber wir müssen sie jetzt nicht stärker reden, als sie sind. Wir waren nicht auf der Höhe. Sie waren fitter, intelligenter, besser. Da hätten wir mit jedem System spielen können.
Einige Journalisten, unter anderem SRF-Kommentator Sascha Ruefer sind der Meinung, dass Granit Xhaka der falsche Nati-Captain ist, weil er sich immer wieder zu Provokationen hinreissen lässt…
… Ich habe es mitgekriegt.
Und was sagen Sie dazu?
Das ist die Meinung von Herrn Ruefer, er hat das Recht, sie zu äussern. Er ist Kommentator, es ist sogar sein Job.
Und was denken Sie, ist Ihr Kumpel der richtige Captain?
Ja. Aber nicht, weil er mein Kumpel ist. Granit geht immer vorne weg, er hat Mut, ist selbstbewusst, redet mit allen und sagt, was er denkt. Auch von seiner Klasse ist er unbestritten: Er ist Stammspieler bei Arsenal.
Was würde passieren, wenn man ihm das Captain-Bändeli wegnehmen würde?
Das würde doch nichts ändern. Granit bleibt Granit, er würde sich genau gleich benehmen.
Warum ist er immer an vorderster Front, wenn's Provokationen gibt?
Das müssen Sie ihn selber fragen. Ich weiss nur, dass es in diesem Spiel um alles ging. Der Druck war riesig, auf uns alle. Am meisten aber auf Granit und Shaqiri. Da wird’s dann sehr schnell emotional auf dem Platz, egal was man sich im Vorfeld alles vornimmt.
Was hat sich Xhaka vorgenommen?
Wir haben viel zusammen geredet. Er wollte, wie wir alle auch, ruhig bleiben. Und es hat ja auch viel besser funktioniert als noch vor vier Jahren. Wir alle waren ruhiger. Ich musste Granit ja nur einmal zurückhalten. (Lacht).
Wenn Sie diese WM mit derjenigen von Russland vergleichen, was waren die Unterschiede?
Wir sind erfahrener als vor vier Jahren und wurden auch vom Verband besser begleitet und unterstützt als noch in Russland. Unser Staff war grösser. Diese WM war alles in allem harmonischer und ruhiger. Mir hat’s sehr gefallen. Das Hotel war hervorragend, die Bedingungen, die man uns Spielern geboten hat, ideal. Zudem waren wir weniger abgeschirmt als vor vier Jahren.
Sie sind nun mit Xhaka und Shaqiri Schweizer Rekord-WM-Spieler. Wie hört sich das an?
104 Länderspiele, 12 WM-Spiele. Das hört sich schon sehr gut an. Es macht mich immer sehr stolz, wenn ich das Nati-Shirt tragen darf.
Wird noch ein weiteres WM-Spiel hinzukommen?
An meinen Nati-Rücktritt denke ich noch nicht, wenn Sie das fragen wollen. Die nächste WM ist in vier Jahren, dann wäre ich 34. Wenn ich fit und gesund bleibe, wer weiss. Warum nicht? Der Portugiese Pepe ist ja bereits 39 – und der hat gegen uns sogar noch getroffen.