Mit oder ohne Bändeli
Die Gründe, weshalb Xhaka der richtige Nati-Captain ist

Granit Xhaka steht in der Kritik. Einige fordern, dass er nicht länger die Binde tragen soll. Doch es gibt gute Gründe, weshalb der Arsenal-Star der Chef der Nati bleiben muss.
Publiziert: 08.12.2022 um 17:52 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2022 um 08:49 Uhr
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Die Nummer 10, der Chef auf dem Platz: Granit Xhaka übernimmt Verantwortung.
Foto: TOTO MARTI
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Um Granit Xhaka ist eine Debatte entbrannt. Ist er noch der richtige Captain für die Nati? Oder nicht? Die NZZ und das öffentlich finanzierte SRF stellen ihn zumindest in Frage, die Weltwoche fordert seine Absetzung. Die Polemik ist populistisch. Denn Xhaka ist der natürliche Leader dieser Mannschaft.

Auch in Katar zieht der Nati-Captain fast alle (mediale) Aufmerksamkeit auf sich, nachdem es lange um ihn still geblieben ist. Er sei ruhiger, reifer geworden, sagt er selbst. Bis gegen Serbien der alte Xhaka aus ihm herausbricht. Der Griff in den Schritt: primitiv und unnötig. Das Überstreifen des Jashari-Trikots eine politische Provokation, die auf dem Fussballplatz nichts verloren hat.

Xhaka kann Serben-Provokation nicht lassen
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Griff in den Schritt:Xhaka kann Serben-Provokation nicht lassen

Das darf und muss man kritisieren. In Anbetracht von Xhakas Familiengeschichte – sein Vater wurde im ehemaligen Jugoslawien ins Gefängnis gesteckt und gefoltert – und den permanenten Provokationen von serbischer Seite, ist es aber zumindest teilweise auch verständlich und nachvollziehbar.

Xhakas Meinung ist direkt

Auch nach der Pleite gegen Portugal ist es Xhaka, auf den alle Augen gerichtet sind, auch wenn er noch zu den Besseren gehört. Er sagt den Journalisten, sie sollen keine Scheiss-Fragen stellen. Das gehört sich nicht. Aber man kann auch sagen: Seine Meinung ist ungeschliffen und direkt, manchmal rau und schon fast bedrohlich. Aber immer authentisch.

Xhaka poltert, kritisiert. Er stellt sich auch einmal öffentlich gegen die Mannschaft oder den Trainer. Andere sagen nichts, ducken sich weg oder versuchen, das Bild des perfekten Schwiegersohns zu kolportieren. Xhaka nicht. Er hat Ecken und Kanten und zieht die Aufmerksamkeit auf sich, womit er auch die anderen schützt.

SRF-Ruefer stellt Xhaka als Nati-Captain infrage
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«Kann man sich nicht erlauben»:SRF-Ruefer stellt Xhaka als Nati-Captain infrage

So wie neben dem Platz ist Xhaka auch auf dem Feld. Er versteckt sich nie. Zwei Gegenspieler im Rücken? Xhaka fordert den Ball. Ballverlust in der gefährlichen Zone? Xhaka fordert auch bei der nächsten Aktion wieder den Ball.

Die Nati durchläuft die erfolgreichste Ära ihrer Geschichte. Fünf Achtelfinals in Folge hat mit Ausnahme von Frankreich keine andere Nation erreicht. Andere sind in Katar früher gescheitert, weil sie sich intern zerstritten haben (Belgien) oder weil ihnen ein Leader gefehlt hat (Deutschland). Mannschaften, die über weit mehr Potenzial verfügen als die Schweiz. In der Nati herrscht Solidarität und ein überragender Teamgeist, ein entscheidender Erfolgsfaktor. Das hat viel mit ihrem Captain zu tun.

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Sommer? Shaqiri? Freuler? Akanji? Sie alle tauchten gegen Portugal ab.
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Im Sport reguliert sich das Innenleben einer Mannschaft selbst, die Hierarchien entstehen natürlich, die Selbsthygiene ist gnadenlos. Vor Xhaka gab es 2018 Stephan Lichtsteiner und Valon Behrami, sie bildeten die Brücke zwischen den verschiedenen Kulturen und sorgten für ein Gleichgewicht innerhalb des Teams. Womöglich fehlt dieser Nati der Gegenpol zu Xhaka, der diesen auch einmal zur Räson bringt, falls nötig. Sommer? Shaqiri? Freuler? Akanji? Sie alle tauchten gegen Portugal ab.

Die Erfolge der Nati sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Bei den Fans und den Medien. Katar bleibt als Enttäuschung in Erinnerung. Wegen des Debakels im Achtelfinal, aber auch, weil diese Generation die Grenzen verschoben hat. Auch das hat viel mit Xhaka zu tun. Als er 2009 sagt, an der U17-WM bis zum Final zu packen, nimmt ihn keiner ernst. Ein paar Wochen später ist die Schweiz Weltmeister. Im Fussball. Der neben Leichtathletik einzigen globalen Sportart.

Im EM-Achtelfinal gegen Frankreich, dem grössten Erfolg der Neuzeit, ist es der Captain, der das Ruder rumreisst, als die Nati am Boden liegt. Dass diese den temporären Ausfall Xhakas auf dem Feld verkraften kann, zeigt sie danach im Viertelfinal gegen Spanien und in der WM-Qualifikation gegen Italien. Aber auch wenn der Captain nicht spielt, ist sein Geist präsent. Seine Winner-Mentalität hat er der Nati eingeimpft.

Sein Selbstvertrauen ist unerschütterlich

Dank dieser ist der beste Schweizer Fussballer weit gekommen. Als er zu Beginn seiner Zeit in Gladbach stark kritisiert wird und auf der Bank sitzt, beisst er sich durch. Auch bei Arsenal steht er im Kreuzfeuer bissiger Kritik wegen seiner Roten Karten, ehe er sich mit den Fans überwirft. Andere wären daran zerbrochen. Xhaka nicht. Sein Selbstvertrauen ist unerschütterlich. Er macht weiter, immer weiter. Den Respekt der Arsenal-Anhänger hat er sich längst zurückerobert.

Das zahlt sich auch in der Nati aus. Gegen Portugal bestreitet er sein 111. Länderspiel, bald wird er (oder Shaqiri) Heinz Hermann als Rekord-Internationaler ablösen. Ein Beispiel gelungener Integration in einem Land, das seit jeher ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Migrationsgeschichte hat.

Xhakas Leistungen sind konstant stark. Seit zehn Jahren ist er Stamm- und Führungsspieler in einer Top-Liga. Arsenal steht an der Spitze der besten Liga der Welt, im Norden Londons träumen sie vom ersten Meistertitel seit 2004. Bei Arsenal trägt Xhaka nicht die Captainbinde. Aber bei jedem Torjubel wird klar, wer der wahre Anführer der Gunners ist.

Der Basler ist ein natürliches Alpha-Tier, die Mitspieler folgen ihm. Weil Xhaka liefert, Spiel für Spiel. Und sich nicht wegduckt, so stark der Gegenwind – wie auch derzeit – immer wieder ist. Auch in der Nati ist er der natürliche Leader. Und deswegen ihr Captain – ob mit oder ohne Stoff am Arm.

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