Es ist im Jahr 2006, an der WM in Deutschland. Schweiz gegen Südkorea in Hannover, drittes Gruppenspiel. Es geht um alles: Die Schweiz weiss, dass sie mit einem Sieg in den Achtelfinals steht. Es sind Spiele, in denen Helden geboren werden.
Philippe Senderos, der kräftige Innenverteidiger, schraubt sich in der 23. Minute hoch. «Ein super Ball von Hakan Yakin», sagt er. «Ich lege alles rein, was ich habe.» Senderos trifft mit dem Kopf Ball und Gegner – die Kugel landet zum 1:0 im Tor.
Senderos: «Es war das perfekte Bild von mir, immer bereit, alles zu geben für meine Mannschaft und mein Land. Ich nahm den Kopf, wo andere nicht mit dem Fuss hingehen würden. Es war Kopf an Kopf, Fussball an der Grenze.»
Ein Foto für die Geschichtsbücher
Danach, Senderos merkt es in seiner Jubel-Ekstase noch nicht, blutet er. «Es hat überhaupt nicht wehgetan mit dem Adrenalin und der Freude vom Tor. Plötzlich spürte ich, dass etwas runterläuft am Kopf und sah, dass es Blut war.» Sofort geht er zum Mannschaftsarzt, lässt sich verarzten, will unbedingt weiterspielen. Die Nati gewinnt 2:0, erreicht den WM-Achtelfinal, wo man im Penaltyschiessen an der Ukraine scheitert.
Bis heute eine Narbe
Senderos sagt, dass dieses Tor seine Wahrnehmung in der Schweiz geprägt habe: «Wenn die Leute mich sehen, denken sie sofort an dieses Tor. 16 Jahre später werde ich noch oft darauf angesprochen.» Eine Narbe ziert bis heute die Partie zwischen seinen Augen. «Aber es ist eine gute Narbe für eine gute Erinnerung.»
Und da schlägt Senderos den Bogen zum Knüller am Freitag gegen Serbien. «Die Spieler müssen sich immer bewusst sein, dass die WM der grösste Moment einer Spielerkarriere ist. Eine Bühne, um Geschichte zu schreiben, die den Menschen jahrelang im Kopf bleibt.»
Darum machen ihm die Erkältung von Yann Sommer und Nico Elvedi oder die Muskelprobleme von Xherdan Shaqiri oder Noah Okafor keine grossen Sorgen: «In solchen Turnieren brauchst du alle Spieler, alle sind bereit. Du musst diese grosse Bühne nützen. Es ist für jeden einzelnen eine super Möglichkeit, sich zu zeigen. Es ist ein grosser Moment für den Schweizer Fussball.»
Senderos hat serbisches Blut
Die Generation heute spiele anders als seine: «Die Nati heute hat viel mehr Tempo und Kontrolle, als wir es hatten.» Darum sieht er die Nati «von der Erfahrung, vom Tempo, vom technisch-taktischen und von der Qualität her» gegen Serbien im Vorteil. «Aber es wird eine heisse Partie.»
Senderos selbst hat serbische Wurzeln. Sein Vater ist Spanier, seine Mutter Serbin. «Das ist so, mein Blut ist halb serbisch, halb spanisch – aber ich bin Schweizer.» Sein Bezug zu Serbien ist nicht allzu eng: «Meine Mutter wuchs in Argentinien auf, ich habe dort auch Verwandte.»
Der ehemalige Innenverteidiger, der bei Klubs wie Arsenal, Milan, Valencia oder den Glasgow Rangers spielte, beendete seine Karriere 2019 bei Chiasso. Warum in den Niederungen des Fussballs? «Es war für mich klar, dass ich in die Schweiz kommen will. Bei Chiasso konnte ich ankommen, das Schweiz-Feeling wieder spüren. Ich betrieb viel Networking, bildete mich weiter. Und dann kam die Möglichkeit mit Servette. Dort, wo er mit fünf Jahren anfing und es bis in die 1. Mannschaft schaffte, ist er Sportchef und entwickelt den Klub.
Der WM-Held von 2006 versucht dem Schweizer Fussball etwas zurückzugeben. Wieder mit vollem Einsatz.