In wenigen Tagen beginnt die Fussball-Europameisterschaft. Die Erwartungen und Hoffnungen sind riesig. Nichts weniger als ein neues Sommermärchen soll es werden.
Inmitten der Irrungen und Wirrungen, der Kriege und Attentate und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Spaltung in Deutschland soll der Fussball wieder die Leichtigkeit, die Unbeschwertheit und Fröhlichkeit zurückbringen.
Dank dem Fussball will man über den Wolken schweben. Alles andere wird nichtig und klein.
So ist es immer vor grossen Turnieren: Das Märchen vom friedvollen und entspannten Miteinander, das Märchen vom unbelasteten Sport, der bei Grossanlässen seine integrative Kraft entwickeln und korrigieren soll, was die Menschen im Rest des Jahres verbocken, macht wieder die Runde.
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Dass es nicht reicht, sich einfach eine rosa Brille aufzusetzen, zeigt eine Umfrage des WDR, die einen Aufschrei des Entsetzens ausgelöst hat. 21 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr weisse Nationalspieler. Bundestrainer Julian Nagelsmann empört sich über diese rassistische «Scheissfrage», die im Kontext eines Dokfilms gestellt wird.
«Fussball ist der Gesellschaft voraus»
Der Filmemacher Philipp Awounou wehrt sich letzte Woche. «Fakten kann man nur liefern, wenn man direkte Fragen stellt», sagt er sinngemäss. Und der ehemalige Nationalspieler Fredi Bobic sagt: «Der Fussball ist dem Rest der Gesellschaft schon seit Jahren weit voraus. In der Kabine gibt es unabhängig von Herkunft und Religion schon seit Jahrzehnten ein Miteinander.»
Erleichtert wird das gemäss Bobic durch den Teamgedanken und das gemeinsame Ziel. «Man will einfach zusammen ein Spiel gewinnen. Dass es nur gemeinsam geht und dieses Verständnis ausserhalb des Sports in einigen Teilen der Gesellschaft fehlt, ist halt traurige Tatsache.»
Wer gehofft hat, es werde vor diesem Turnier nur über Fussball geredet, der wird einmal mehr eines Besseren belehrt. Seit den olympischen Propagandaspielen von Adolf Hitler 1936 in Berlin sind Sport und Politik eng verknüpft. Immer enger, hat man beim Rückblick auf die letzten Jahrzehnte den Eindruck. Korruption und eine hemmungslose Funktionärsgarde bei der Vergabe von Grossanlässen an totalitäre Staaten hat diese Entwicklung befeuert.
Sport bleibt ein Hoffnungsträger
Auch das Sommermärchen 2006 war gekauft. Aber es war die beste Imagekampagne der deutschen Nachkriegszeit. Jetzt soll diese EM kaschieren, was derzeit im Land alles schiefläuft. Eine überladene Erwartungshaltung, der der Fussball natürlich nicht gerecht werden kann.
Am allerbesten ist es auch bei diesem Turnier, wenn endlich der Ball rollt. Auch wenn klar ist, dass die Angst vor Terror und Anschlägen bei dieser EM und bei den Olympischen Spielen in Paris ständiger Begleiter ist.
Das kann auch der Sport nicht ändern. Und trotzdem bleibt er der grösste Hoffnungsträger.