Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Das Vermächtnis von Kay Bernstein (†43)

Wie findet ein irrlichternder Fussballklub wieder eine Identität? Hier hilft ein Blick nach Berlin. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 12.05.2024 um 20:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2024 um 21:01 Uhr
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Entfachte bei der Berliner Hertha wieder die Begeisterung der Fans: Kay Bernstein.
Foto: AFP
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Felix BingesserReporter Sport

2020 verwirft die Schweizer Fussballliga den Schottenmodus. Zu wenig prickelnd. Zwei Jahre später stockt man die Liga auf und will Playoffs einführen. Es lässt sich keine Mehrheit finden. 

So kommt der Schottenmodus wieder aufs Tapet. Und wird eingeführt.

Jetzt geizt aber auch der Schottenmodus mit Spannung, die man künstlich einführen wollte. Der Meister steht fest. Der Absteiger ebenfalls. Genau wie der Teilnehmer an der Barrage. Und Aufsteiger wie Stade Lausanne-Ouchy heben das Niveau der Super League auch nicht auf die nächste Ebene. 

Im Gegenteil: Auch das immer wiederkehrende Gebastel am Modus ändert nichts daran, dass der Schweizer Fussball derzeit in vielen Belangen orientierungslos über den Rasen stolpert.

Schweizer Klubs auf der Suche nach Strategie und Identität

International haben die Klubs keine grossen Stricke zerrissen. Ein Fixplatz in der neu organisierten Champions League ist in weiter Ferne. 

Weit zentraler: Viele Vereine sind auf der Suche nach einer Strategie und einer Identität. In Luzern lähmt ein ewiger Machtkampf ein strategisches und nachhaltiges Arbeiten. Der stolze FC Basel ist als Durchlauferhitzer für Talente zum Spielball seines mauschelnden Präsidenten und einiger Investoren geworden. Transparenz gibt es nicht. Sportlich ist der Klub mit dem grössten Potenzial in die Biederkeit abgerutscht.

Der Rekordmeister GC ist zur Handelsware auf dem globalen Fussballmarkt geworden. Wo das hinführen soll, weiss keiner. Die Entwurzelung schreitet voran.

Fast die Hälfte der Liga ist mittlerweile im Besitz von ausländischen Investoren. Mit Ausnahme von YB und St. Gallen sind die strukturellen Defizite hoch. Es braucht Kapital, Kapital, Kapital. In der Not frisst der Teufel dann Fliegen. 

Vorbild Hertha mit Bernsteins Vermächtnis

Wie schafft man es, eine Stadt, eine Region mit ihren Menschen in eine Strategie einzubinden und bei einer kontinuierlichen Entwicklung des Klubs die Fans mitzunehmen? Hier hilft ein Blick auf Berlin.

Union Berlin hat es geschafft und sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Derweil der grosse Bruder Hertha mit einem schwerreichen Investor abgestürzt ist. 250 Millionen hat man auf dem gross angekündigten Weg zum «Big City Club» in drei Jahren in den Sand gesetzt.

Dann wird im Sommer 2022 Kay Bernstein (†43) zum Präsidenten gewählt. Ein tätowierter Mann aus der Fankurve, ein ehemaliger Ultra. Er sitzt im Hertha-Pullover in der Ehrenloge, sucht das Gespräch mit den Fans, führt mit ihnen eine Wertediskussion.

Bernstein gibt den Menschen das Gefühl, nicht nur zahlende Kundschaft und Statisten beim Monopoly von Investoren, sondern Teil eines Projekts zu sein. Er spart 70 Prozent Lohnkosten. Keine teuren Stars mehr, sondern die Förderung von Spielern aus der eigenen Akademie.

Die Hertha steigt zwar ab, doch die Mitgliederzahlen steigen massiv an und der Klub hat wieder ein Gesicht und eine Seele und wird von den Menschen wieder getragen. Er wird gestärkt zurückkehren.

Natürlich: Mit Fussballromantik allein geht es nicht. Aber Kay Bernstein hatte im Gegensatz zu vielen anderen Klub-Bossen einen Plan.

Der zweifache Familienvater ist im Januar unverhofft eines natürlichen Todes gestorben.

Aber sein Vermächtnis lebt. Und könnte für den einen oder anderen Schweizer Klub eine Inspiration sein.

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