«Gegen den FCZ haben wir den Bock umgestossen»
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YB-Captain Fabian Lustenberger:«Gegen den FCZ haben wir den Bock umgestossen»

YB-Captain Lustenberger im grossen Interview
«Ich habe den Nati-Rücktritt nie gegeben»

Zwei Spieler waren für den 14. YB-Meistertitel entscheidend: Kanonier Nsame mit seinen 30 Toren. Und Captain Fabian Lustenberger mit seiner Präsenz, seiner Aura, seiner Stilsicherheit. Der Luzerner über einen Kulturschock, Zukunftsangst und den Nati-Trainer.
Publiziert: 02.08.2020 um 00:12 Uhr
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Nachdenklich: Fabian Lustenberger sorgt sich um die Zukunft der Schweizer Klubs.
Foto: Urs Lindt/freshfocus
Alain Kunz

Gratulation! Schweizer Meister Lustenberger. Wie tönt das?
Fabian Lustenberger: Danke, es tönt gut! Aber es ist für mich immer noch schwierig einzuordnen. Auf jeden Fall ist es eine riesige Freude und Genugtuung.

32 mussten Sie werden, um endlich den ersten Titel zu holen …
Und es macht mich enorm stolz, dass wir diese schwierige Saison erfolgreich haben abschliessen können. Toll, dass ich in die Schweiz zurückkehren und gleich dieses Highlight erleben durfte.

Aber eben: den ersten Titel mit 32.
Immerhin war ich in Deutschland Zweitligameister. Gar zweimal. Aber das zählt nicht so richtig, ich weiss. Doch damit kann ich gut leben. Trotzdem habe ich damals etwas in den Händen halten dürfen. Aber dies hier ist etwas anderes. Eine Riesensache.

Warum schwierig?
Die ganzen Umstände mit Corona. Und es war eine Saison im Zeichen eines Neu-Anfangs, weil eine fast neue Mannschaft auf dem Platz stand. Das war nicht einfach. Wir haben es dennoch gut gemacht und den Titel auch verdient. Und ich denke, wir haben unsere Corona-Vorbildfunktion sehr gut wahrgenommen.

Was war der Knackpunkt, dass es aufseiten von YB kippte?
Wir hatten in der Rückrunde lange Zeit diese latente Auswärtsschwäche. Dann siegten wir in Zürich 5:0. Da haben wir den Bock umgestossen. Und danach kein einziges Tor mehr gekriegt, auch auswärts nicht. Das zeugt von einer gewissen Klasse, Entwicklung und Reife. Denn Meisterschaften gewinnt man mit einer soliden Defensive.

Ein Wort zum letzten verbliebenen Kontrahenten St. Gallen?
Die Ostschweizer haben eine sensationelle Saison gespielt. Kaum jemand hatte sie auf dem Zettel. Sie haben die Liga erfrischt mit einem anderen Fussball, den sonst niemand gespielt hat.

Wie gross ist der Anteil des Captains am dritten Titel in Serie?
Das müssen andere beurteilen. Es ist immer schwierig, ja falsch, über sich selber zu sprechen. Ich habe versucht meine Leistung zu bringen und der Mannschaft auch ausserhalb des Platzes zu helfen. Schlussendlich sind wir aber als Team Meister geworden. Und nicht einzelne Spieler.

Gut. Ich tue das und urteile: Der Anteil des Captains war gross!
Schön das zu hören. Man hört immer gerne, wenn die Leute zufrieden sind mit einem. Wenn man eine gewisse Wertschätzung und Anerkennung erhält. Das gibt einem ein gutes Gefühl und ist ein Zeichen, dass man es nicht so schlecht gemacht hat.

Wie speziell war es, den Titel auswärts ohne Fans feiern zu müssen?
Richtig speziell wäre es mit einem vollen Stadion gewesen. Aber ganz ehrlich – ob auswärts, zu Hause, auf der Couch – das ist egal. Hauptsache, Meister!

Gab es nach Ihrer Rückkehr nach zwölf Jahren Hertha irgendetwas, das Sie nie erwartet hätten?
Ich habe versucht mit relativ wenig Erwartungen hierherzukommen und nicht zu versuchen, Dinge zu vergleichen. Das ist mir gut gelungen. Ich habe mir nie gesagt: Uff, jetzt spielst du in Lugano vor 2000, 3000 Zuschauern. Und in der Bundesliga hatte es soundso viele Fans. Das habe ich komplett ausblenden können. Ich habe es angenommen, wie es ist, und so Überraschungen vermieden.

Aus Ihrer Luzerner Zeit kannten Sie das ja.
Okay. Aber es ist ein Unterschied, ob man als 18-Jähriger hier spielt und noch nicht alles so wahrnimmt, sich noch keine Gedanken macht, was ausserhalb so alles passiert. Da hat man einfach mitgespielt, und es lief … Mit der Zeit habe ich eine gewisse Verantwortung innerhalb der Mannschaft erhalten. Da macht man sich dann auch mehr Gedanken.

Einen Vergleich muss man dennoch anstellen: Zwölf Jahre in der Weltstadt Berlin – und dann die beschaulichen Berner Lauben …
(Lacht) Der grössere Kulturschock war damals, als ich von meinem Heimatort Nebikon LU mit 2000 Einwohnern in die Weltstadt Berlin zügelte. Ich kenne trotz der zwölf Berlin-Jahre die Schweiz ja sehr gut, war in allen Ferien hier. Bei meinen Eltern, bei Kollegen. Die Verbindung zur Schweiz war immer da, der «Schock» klein. Zumal ich ja meine Familie mit der Rückkehr wieder um mich herum hatte. Nur schon deswegen war es wert zurückzukommen.

Wie viel Berner steckt schon in Ihnen? Von Nebikon in den Kanton Bern sind es ja nur gerade mal drei Kilometer Luftlinie.
Berner bin ich bisher nicht geworden. Aber sehr gut aufgenommen worden bei YB und in dieser schönen Stadt, wo man sich sehr wohl fühlen kann. Auch das bestätigt mir, dass ich den richtigen Schritt gemacht habe. Und es ist wieder eine Hauptstadt, wie Berlin …

Der Titel 2020 ist schon ein bisschen made in Innerschweiz: Sie sind Luzerner, der Trainer auch, Assistent Schnarwiler ist Zuger und Sportchef Spycher ist in Wolhusen LU geboren.
Was soll ich dazu sagen? Stimmt. Aber es ist egal. Es ist ein Titel für YB – und nichts anderes.

Sie sind Vater von drei kleinen Kindern. Wie war da die Lockdown-Zeit?
Es war eine intensive, aber schöne Zeit. Eine Zeit, in der ich persönlich einiges nachholen konnte. Denn ich war die beiden Jahre vor meiner Rückkehr in die Schweiz alleine in Berlin. Meine Frau Monique war schon in der Schweiz mit den Kids. Wir waren jeden Tag zusammen, haben es genossen, über längere Zeit zusammen zu sein und haben diese Zeit gut gemeistert. Denn wenn die Kinder Sommerferien haben, beginnt normalerweise für einen Fussballer bereits wieder die Vorbereitung.

Wie stark waren Sie Lehrer?
Ich war der Lehrer von Jonas Jan, des Ältesten, der in der dritten Klasse ist. Das war nicht ohne. Da gab es schon viel zu tun. Aber wir haben das hingekriegt

Persönlich: Fabian Lustenberger

Im April 2006 debütierte Fabian Lustenberger beim FC Luzern in der Challenge League – einen Monat vor seinem 18. Geburtstag. Der Trainer hiess René van Eck, und am Ende stand die Rückkehr des FCL in die Beletage des Schweizer Fussballs. Unter Van Ecks Nachfolger Ciri Sforza war Lustenberger gesetzt, ehe er im August 2007 dem Lockruf von Lucien Favre folgte und nach Berlin ging. Zwölf Jahre trug er den Hertha-Dress, bestritt 308 Pflichtspiele, schoss 5 Tore, war Mittelfeldmann, Abwehrchef, Captain, Ersatzspieler. Stieg zweimal ab und wieder auf, spielte Europa League. Titel holte er keine. Dafür reüssierte er nun in seinem ersten Jahr bei YB. In der Nati spielte er dreimal, zuletzt im November 2015 beim 2:1 in Wien gegen Österreich.

Im April 2006 debütierte Fabian Lustenberger beim FC Luzern in der Challenge League – einen Monat vor seinem 18. Geburtstag. Der Trainer hiess René van Eck, und am Ende stand die Rückkehr des FCL in die Beletage des Schweizer Fussballs. Unter Van Ecks Nachfolger Ciri Sforza war Lustenberger gesetzt, ehe er im August 2007 dem Lockruf von Lucien Favre folgte und nach Berlin ging. Zwölf Jahre trug er den Hertha-Dress, bestritt 308 Pflichtspiele, schoss 5 Tore, war Mittelfeldmann, Abwehrchef, Captain, Ersatzspieler. Stieg zweimal ab und wieder auf, spielte Europa League. Titel holte er keine. Dafür reüssierte er nun in seinem ersten Jahr bei YB. In der Nati spielte er dreimal, zuletzt im November 2015 beim 2:1 in Wien gegen Österreich.

Haben Sie Zukunftsangst ob der Situation auf dem Planeten?
Angst nicht, das wäre fehl am Platz. Aber Respekt vor dieser Situation. Man bekommt viel mit, man liest viel. Als Einzelner hat man aber wenig Einfluss und versucht bloss, das Beste daraus zu machen und sich an die Regeln zu halten, damit es besser wird. Und ich hoffe, dass es bald wieder besser wird, damit die Normalität zurückkehrt, man sich wieder komplett frei bewegen kann und bald wieder mehr Leute im Stadion sind.

Was braucht es für diese Normalität?
Die Fallzahlen müssen sinken. Dafür hat jeder Einzelne eine grosse Eigenverantwortung zu tragen.

Könnten Klubs mit tausend Zuschauern überleben?
Auf die Dauer nicht, nein. Aber ich bin nicht der Finanzchef, sondern der Fussballer. Aber es ist klar: Die Vereine sind abhängig vom Ticketverkauf. Deshalb hoffen wir alle, dass mit den neuen Schutzkonzepten wieder eine gewisse Auslastung im Stadion möglich sein wird.

Wenn die Einnahmen sinken, muss gespart werden. Und das grösste Sparpotenzial bei Fussballklubs sind immer die Löhne der Spieler …
Wenn Sie das so sagen, wird das so sein … Wir haben dieses Thema auch besprochen und uns für einen Lohnteilverzicht entschieden. Gut möglich, dass es bald wieder zu einem Thema wird. Aber im Moment steht das Sportliche wieder im Vordergrund. Es warten noch das letzte Spiel gegen St. Gallen und der Cup.

Den Meistertitel habt Ihr im Sack. Nun ist der Hunger auf den ersten Cuptitel seit 33 Jahren sicher riesig!
Klar ist er das. Es wäre das i-Tüpfelchen auf diese Saison.

Aber es ist ja immer noch nicht sicher, wann gespielt wird.
Der Viertelfinal gegen Luzern ist fixiert. Den können wir am nächsten Donnerstag spielen. Und wie es dann weitergeht, sollten wir gegen Luzern gewinnen, liegt nicht in unserer Hand. Dann muss eine Lösung gefunden werden.

Als Fussballer muss man im Moment flexibel sein.
Ja. Aber uns hat das nicht gross tangiert. Wir haben irgendwann den Spielplan erhalten und dann gespielt und das Beste aus der Situation gemacht. Wichtiger war, dass es überhaupt weiterging.

Und nun läufts seit Wochen mit tausend Anwesenden im Stadion. Wie nehmen Sie diese Kulisse wahr?
Es kommt eine gewisse Stimmung auf, es ist erstaunlich … Wenn 650 einen Gesang anstimmen, hört man das. Klar ist es nicht so, wie wenn 25'000 da sind. Aber es ist immerhin schön, dass jemand da ist, bei dem man sich nach dem Spiel für den Support bedanken und ein bisschen feiern kann und nicht direkt in die Kabine muss …

Kennen Sie Pierre Richard?
Nein. Wer ist das?

Ein französischer Schauspieler, bekannt als «Der grosse Blonde mit dem schwarzen Schuh». Ein Film-Tollpatsch, der immer wieder hinfällt und sich Schrammen zuzieht. Guillaume Hoarau sagte, sie seien der Pierre Richard des Schweizer Fussballs, weil sie in Berlin nie verletzt waren und in Bern haben sie dauernd Bobochen …
(Lacht laut) Es ist ja nicht so, dass ich in Berlin nie verletzt war. Aber ich hatte nie einen Cut. In Bern musste ich schon nach dem dritten Spieltag das erste Mal genäht werden. Dann die Fussverletzung. Das Kompartment-Syndrom, das auch zwei kleine Schnitte nötig gemacht hat. Solche Dinge habe ich in zwölf Jahren Hertha nie gehabt, das stimmt.

Dann ist die Super League die härtere Liga als die Bundesliga?
Wenn man will, kann man das so sehen. Grundsätzlich ist die Super League eine gute Adresse, es macht Spass hier zu spielen.

32 sind Sie nun geworden, wie wir bereits festgestellt haben. Da darf es erlaubt sein, die Frage nach Ideen für die Zeit nach der Karriere zu stellen.
Klar. Ich gehe schwer davon aus, dass ich irgendwie im Fussball bleibe. Ich habe viele Erfahrungen sammeln können, so viele Sachen mitbekommen, dass ich einen gefüllten Rucksack habe, dessen Inhalt ich weitergeben kann, gerade den Jungen. Am ehesten also Juniorentrainer oder Trainer.

Also eher Trainer und nicht Stratege, sprich Sportchef oder so, wie es zum Beispiel Gelson Fernandes vorschwebt.
Ich würde das offenlassen. Ich kann mir beides vorstellen. Aber ich werde sicher mal den Trainerschein machen und dann schauen, was möglich ist und ob es passt. Vielleicht geht es dann in die andere Richtung. Aber Fussball wird immer eine zentrale Rolle spielen.

Sie haben den Rücktritt aus der Nati gegeben und Kritik an Trainer Vladimir Petkovic geübt. Wie sehen sie das heute mit einem zeitlichen Abstand von vier Jahren?
Halt! Ich habe offiziell den Rücktritt nicht gegeben. Man könnte mich theoretisch nach wie vor aufbieten. Aber ich werde ja nicht mehr aufgeboten. Weshalb dies für mich kein Thema ist. Aber ich hatte mit Vladimir Petkovic ein Gespräch zuvor, habe ihm die Situation geschildert. Das ist so lange her und abgehakt. Ich bin nun einfach Fan der Nati, schaue die Spiele und hoffe, dass die Schweiz gewinnt. Ich habe Petkovic an den Football Awards begrüsst und mit ihm gesprochen. Ich habe null Probleme damit, hege keinen Groll und bin auch nicht beleidigt oder so. Es war eine sportliche Entscheidung, die ich zu hundert Prozent akzeptiere. Es ist so, wie es ist, und ich fühle mich sehr wohl bei YB.

Und es hat je etwas Positives, wenn man keine Länderspiele hat.
Genau. Die Länderspielweekends sind die einzigen freien Wochenende mit der Familie. Das ist auch sehr schön. Die Situation, so wie sie jetzt ist, ist absolut in Ordnung.

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