Bohdan Viunnyk (20) sitzt im FCZ-Trainingszentrum und schüttelt den Kopf, wenn er an den Dezember vor einem Jahr denkt. «Ich hatte mit Mariupol das letzte Spiel vor der Winterpause. Mein Traum vom Ausland schien weit weg. Doch jetzt sitze ich hier als FCZ-Spieler und habe in der Europa League gespielt, unter anderem vor 50'000 Fans gegen Arsenal. Ich komme mir vor, wie in einem surrealen Film.»
Der Stürmer aus der Ukraine blickt auf ein Jahr zurück, das für ihn noch immer nicht richtig fassbar ist. Es ist das Jahr des Krieges. Das Jahr, als er als Flüchtling und nur seinen Fussballschuhen in einem Rucksack in die Schweiz kommt. Doch es ist auch das Jahr, das ihm die ungeahnte Chance bei einem Klub in Westeuropa bringt. «Mein Traum wurde wahr. Aber auf ganz andere Weise, als ich jemals dachte», sagt er, fast verlegen.
Dieser junge Mann ist hin- und hergerissen zwischen dem Leid in der Heimat und seinem persönlichen Glück im Fussball. «Ich danke Gott, dass ich nun mit meiner Familie in der Schweiz bin und wir hier Weihnachten feiern dürfen. Aber ich mache mir auch Sorgen um die Menschen in der Ukraine. Sie leben ohne Strom und Heizung. Von Freunden höre ich oft tagelang nichts.»
Bei Kriegsausbruch im Trainingslager
Dem ukrainischen U21-Nationalspieler rettet womöglich ein Trainingslager das Leben. Als der Krieg losbricht, ist er mit dem FK Mariupol in der Türkei. Flüge zurück gibts keine mehr, sein Wohnblock wird wie viele andere zerbombt. Emotionale Erinnerungsstücke wie das Donezk-Trikot von seinem Champions-League-Debüt gegen Real sind zurückgeblieben.
Aber das Wichtigste: Viunnyk lebt. Weil er von Social Media den Aargauer Youtuber Louis «Cubanito» Berger Gonzalez kennt und dieser mit Michael Hossli und Mario Fischer zwei Freunde hat, die mit ihrem Verein Sportler unterstützen, kann Viunnyk mithilfe dieses Schweizer Trios flüchten.
Später schaffen auch seine Eltern, beide Grossmütter sowie der Onkel mit dessen drei Kindern dank der Schweizer Helfer die Flucht. «Das war mein grösstes Anliegen. Ich weiss nicht, was sonst aus ihnen geworden wäre», sagt er über seine schwer vom Krieg betroffene Heimatstadt Charkiw. Irgendwann zurückgehen, ist aktuell kein Thema: «Wir haben gar keinen Ort mehr, wo wir hinkönnten.»
Viunnyk landet bei Fluchthelfer Fischer daheim in Hirschthal AG. «Ich schaue mir noch oft die Bilder von meinen ersten Tagen dort an», sagt der Ukrainer. Und lacht wegen der Erinnerungen an die damaligen Kauderwelsch-Gespräche. Das deutsche Wort «Briefkasten» wird zum Renner, weil dort irgendwann im Frühling die ersehnten Papiere liegen, um bei Zürich in der U21 loslegen zu können. Warum der FCZ? Fischer arbeitet mit dem Klub im sozialen Bereich zusammen.
Der Donezk-Junior zeigt so viel Talent, dass er in der Sommerpause zu den FCZ-Profis wechselt. Der Flüchtling wird zu Franco Fodas Schützling. Aber es dauert viele Wochen, bis Besitzerklub Schachtar Donezk das Leihgeschäft offiziell macht. «Neben dem Krieg hat mich im Sommer diese Hängepartie sehr belastet», schildert Viunnyk, «ich wollte unbedingt bleiben. Als es endlich feststand, habe ich vor Freude geweint.»
Die Eltern reisen an jedes Auswärtsspiel
Seinen Fussballtraum lebt er nun zusammen mit seinen Eltern. Sein Vater habe einen Job bei der Polizei als Ermittler gehabt, seine Mutter habe auf dem Markt Parfum verkauft. Doch jetzt würden sie ihr Leben Bohdans Karriere widmen. «An unseren Auswärtsspielen sind sowohl die Südkurve als auch meine Eltern immer dabei», sagt Viunnyk schmunzelnd, da den 20-Stunden-Zug-Reisen gewohnten Ukrainern eine Fahrt nach Sion oder Genf nur ein müdes Lächeln entlockt.
Der FCZ-Stürmer wirkt reifer als andere 20-Jährige. Hat ihm der Krieg die Jugendlichkeit gestohlen? Er verneint. «Ich bin für den Fussball schon mit 14 alleine nach Kiew gezogen. So bin ich schneller erwachsen geworden. Mein Fokus ist beim Sport. Dafür arbeite ich hart», sagt Viunnyk und liefert ein Beispiel. Nach seiner torlosen Vorrunde habe er sich gegen Ferien entschieden und wochenlang alleine im Kraftraum geschuftet.
Im Fussball wie sein Idol Andrej Schewtschenko (46) durchzustarten, ist sein grösstes Ziel: «Als der Krieg begann, habe ich dennoch weitertrainiert. Ich wollte bereit sein, wenn es irgendwann wieder losgehen sollte auf dem Platz.»
Die Chance kam viel schneller als erhofft. Dank verrückter Zufälle beim FCZ in der Schweiz. Was ist für Viunnyk neben dem baldigen Kriegsende sein grösster Wunsch zu Weihnachten? «Ich möchte nicht mehr als Flüchtling gesehen werden. Sondern als Fussballer!»
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | FC Lugano | 18 | 6 | 31 | |
2 | FC Basel | 18 | 21 | 30 | |
3 | FC Lausanne-Sport | 18 | 9 | 30 | |
4 | FC Luzern | 18 | 3 | 29 | |
5 | Servette FC | 18 | 2 | 29 | |
6 | FC Zürich | 18 | -1 | 27 | |
7 | FC Sion | 18 | 4 | 26 | |
8 | FC St. Gallen | 18 | 6 | 25 | |
9 | BSC Young Boys | 18 | -4 | 23 | |
10 | Yverdon Sport FC | 18 | -12 | 17 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 18 | -10 | 15 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -24 | 13 |