Strafen gegen Krawall-Fans
Zwei Juristen, zwei Meinungen zur Canepa-Klage gegen die Stadt Zürich

Sind Kurvensperrungen nur eine Bestrafung oder dienen sie auch der Prävention von Fangewalt? Die Antwort auf diese Frage steht im Mittelpunkt des Rekurses vom FC Zürich gegen die Sperrung der Südkurve. Zwei Juristen ordnen ein.
Publiziert: 09.02.2024 um 14:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2024 um 14:24 Uhr
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FCZ-Präsident Ancillo Canepa kämpft gegen Kollektivstrafen – und klagt jetzt gegen die Stadt Zürich wegen der Sperrung der Südkurve.
Foto: Martin Meienberger/freshfocus
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Sebastian WendelReporter Fussball

Eigentlich sollten Politik, Behörden, Fans und Klubs an einem Strang ziehen. Doch die Uneinigkeit über Art und Sinn von Massnahmen gegen Fangewalt begleiten die Diskussion seit deren Beginn.

Und nun zieht sogar ein Klub gegen die Behörden vor Gericht: Namentlich der FCZ in Person von Präsident Ancillo Canepa hat gemeinsam mit mehreren Fans Rekurs eingelegt gegen die Verfügung der Stadt Zürich, im Letzigrund den Stehplatzsektor «Südkurve» für das Heimspiel am 31. Januar gegen Lausanne-Sport zu sperren. 

Mit der gerichtlichen Abklärung soll ein Präzedenzfall für die gesamte Schweiz geschaffen werden. Um für die Zukunft die Frage zu klären, ob nach Gewaltvorfällen ausserhalb des Stadions die Sperrung von Zuschauersektoren juristisch legitimiert ist. Blick hat zwei Juristen um eine Einschätzung gebeten.

«Sperre trifft viel grösseren Personenkreis»

Daniel Moeckli, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Zürich, bezeichnet die Erfolgsaussichten des FCZ vor Gericht als «durchaus intakt». Aus zwei Gründen. Erstens besteht laut Moeckli keine gesetzliche Grundlage für die Sektorensperrung: «Das Hooligan-Konkordat, auf welches das Sicherheitsdepartement die Sektorensperre stützt, ermächtigt die Behörden einzig dazu, Massnahmen zur Verhinderung künftiger Gewalttaten zu ergreifen. Hingegen bildet es keine Grundlage für die Bestrafung für erfolgtes gewalttätiges Verhalten. Die Anordnung einer Sektorensperrung als Reaktion auf Ausschreitungen scheint aber auf eine Bestrafung abzuzielen, nicht auf Gewaltprävention.»

Zweitens erachtet Moeckli die Kurvensperrung als unverhältnismässig: «Inwiefern die Sperrung eines Stadionsektors dazu geeignet sein soll, gewalttätiges Verhalten ausserhalb oder auch innerhalb des Stadions zu verhindern, erschliesst sich mir nicht. Auch wenn ein Sektor gesperrt bleibt, können sich ja gewalttätige Personen inner- oder ausserhalb des Stadions zusammenfinden. Das Verhältnismässigkeitsprinzip besagt, dass sich die behördliche Massnahme gegen die gewalttätigen Personen richten muss. Die Sperre eines ganzen Stadionsektors trifft aber einen viel grösseren Personenkreis.»

Gretchenfrage: Bestraft oder verhindert Sektorensperrung Gewalt?

Lucien Müller, Dozent am Institut für Regulierung und Wettbewerb an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, meint gegenüber Blick: «Ich kann nicht von vornherein ausschliessen, dass der Rekurs Erfolg hat, bin aber eher kritisch.»

Zu beachten sei zunächst, so Müller, dass auch gewalttätiges Verhalten vor und nach einem Fussballspiel vom Geltungsbereich des Hooligan-Konkordates erfasst sei. Sofern eine hinreichende zeitliche und thematische Nähe zur Veranstaltung bestehe. Heisst: Auch gewalttätiges Verhalten von Fussballfans ausserhalb der Stadien kann einen Anlass für präventive Massnahmen zur Verhinderung künftiger Gewalttätigkeiten bilden.

Die entscheidende Frage sei: Ist eine Sektorensperrung ein taugliches, erforderliches und den Betroffenen zumutbares Mittel, um künftige Gewalttaten zu verhindern? Anders als Moeckli ist Müller der Meinung: «Sektorschliessungen lassen sich meines Erachtens nicht pauschal als unzulässiges und unverhältnismässiges Mittel erachten, um künftige Gewalttätigkeiten zu verhindern. Zu beachten ist aber auch: Gestützt auf das Hooligan-Konkordat nicht zulässig sind Massnahmen, die Fans Nachteile aufbürden, ohne dass damit ein präventiver Effekt verbunden ist (wie z.B. Massnahmen, die einzig und allein der Sanktionierung früherer Gewalttätigkeiten dienen).» 

Die Grenzen zwischen Bestrafung und Prävention, so Müller, seien nicht immer trennscharf. Deshalb sei es schwierig, die Erfolgschancen des Rekurses abschliessend einzuschätzen.

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