Bei Kollektivstrafen heisst das Duell Fans/Klubs vs. Politik/Polizei
So kam es zur Spaltung der Fussballschweiz

Kollektivstrafen. Ein Wort, das das Blut der Hardcore-Fans in Wallung bringt. Politik und Polizei hingegen sehen sie als einzig wirksame Form der Krawall-Bekämpfung. Wie kam es zu dieser Spaltung?
Publiziert: 19.01.2024 um 17:06 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2024 um 17:50 Uhr
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Der von YB-Hooligans zerstörte Linienbus, dessen Fahrer mit dem Tod bedroht wurde. Die Ursache für die Sperrung der Ostkurve im Wankdorf.
Foto: stadtpolizei zürich
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Alain KunzReporter Fussball

Alles beginnt im Mai 2023. Es ist der Monat, in dem die Politik das Zepter in die Hand nimmt. Ein Paradigmenwechsel mitten in der Saison! Denn zuvor hatte die Swiss Football League Massnahmen angeordnet, wenn es zu Krawallen kam.

Es passiert in Genf. Rund 300 Walliser Hooligans gehen im Frust über die 0:5-Niederlage gegen Servette mit Flaschen und Steinen auf Polizisten los. Fünf werden verletzt. Die Bewilligungsbehörden reagieren umgehend und sperren die Sion-Fans für das nächste Heimspiel aus. Und setzen sie auf Bewährung. Sion verliert ohne sie gegen YB. Und steigt später ab.

Gewaltorgie beim Bahnhof Luzern

Ein paar Tage später kommt es beim Bahnhof Luzern zu einer Eskalation der Gewalt zwischen den rivalisierenden Fangruppen von Luzern und St. Gallen sowie den Ordnungshütern. Auch unbeteiligte Passanten werden verletzt. Die Strafe: Schliessung der Gästesektoren beider Klubs für das nächste Spiel sowie für die ganze Saison bei den Direktduellen.

Das Kaskadenmodell, das eine Woche vor den Genfer Krawallen verabschiedet worden war, kommt erstmals zur Anwendung. Erst danach wird es in die Vernehmlassung geschickt, der sich die Fanvereinigungen verweigern. Nun wertet die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) die Resultate aus und entscheidet über das weitere Vorgehen. Doch es dürfte nur zu marginalen Anpassungen kommen, denn der politische Wille, dieses Stufenmodell definitiv umzusetzen, ist riesig. Obwohl Fans und Klubs strikt dagegen sind.

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Im schlimmsten Fall droht eine Forfaitniederlage

Das Modell sieht standardisierte Bestrafungen für Taten verschiedener Schwere vor. Egal, ob innerhalb oder ausserhalb des Stadions. Ab Stufe drei wirds drastisch. Diese kommt zum Tragen, wenn Personen verletzt werden, und sieht eine Schliessung der Fankurve für ein Heimspiel vor sowie den sofortigen Stopp des Ticketverkaufs, damit nicht in andere Sektoren ausgewichen werden kann. Bei Stufe fünf wird die Bewilligung für ein Spiel entzogen – faktisch ist das also eine Forfaitniederlage.

Warum sieht die Politik kein anderes Modell als diese Kollektivstrafen? Die Nidwaldner Regierungsrätin Karin Kayser, Co-Präsidentin der KKJPD, kann nachvollziehen, dass vielmehr die Ahndung von Einzeltätern gefordert wird. «Doch es ist meist sehr schwierig, Einzelpersonen zu erreichen, da sie durch die Vermummung nicht erkannt werden können, in der Masse der Fans untertauchen und von dieser häufig sogar geschützt werden.» So sei es für die Polizei zu gefährlich, die Fehlbaren aus der Masse zu holen. Aus diesem Grund dürfe beim Mittragen der Strafen auch eine gewisse Solidarität erwartet werden.

YB kritisiert die Kurvenschliessung

Diese Solidarität mögen die Klubs aber nicht leisten. Das haben sowohl YB als auch Luzern und der FC Basel klar zum Ausdruck gebracht. Weil es der falsche Ansatz sei. So kritisierte YB auch die Schliessung der Kurve nach den Vorfällen im Nachgang des 1:0-Siegs von YB gegen GC in Zürich Ende September, als die Fensterscheiben von Polizeifahrzeugen eingeschlagen, ein Bus demoliert und ein Busfahrer mit dem Tod bedroht wurden.

Die YB-Fans reagieren konsterniert, behaupten, sie seien von der Polizei ohne Vorwarnung mit Gummischrot auf Augenhöhe, Tränengas und Pfefferspray eingedeckt worden. YB spricht davon, dass es «schade» sei, dass Tausende Fans für das Verhalten einiger weniger Individuen bestraft werden.

Fanaufmarsch: das Prinzip der YB-Hoffnung

Eine Haltung, die YB noch heute, ein paar Tage vor dem Spiel mit geschlossener Ostkurve, vertritt. «Wir halten nichts von Kollektivstrafen. Wir sind klar dafür, dass die Einzeltäterverfolgung intensiviert werden muss», sagt Medienchef Albert Staudenmann. Zum angedrohten Aufmarsch zahlreicher Fans verschiedener Klubs appelliert er an die Vernunft aller Beteiligten. «Wir hoffen sehr, dass es geordnet über die Bühne geht.» Man habe keine Hinweise darauf, was konkret geplant sei. «Aber wir haben noch Zeit bis Samstag, da kann noch viel Wasser die Aare hinunterfliessen.»

Die Limmat auch. Dennoch will der FCZ nicht viel zum geplanten Fanaufmarsch sagen. «Es hat mit einzelnen Vereinen ein Austausch auf verschiedenen Ebenen stattgefunden», ist das, was der Stadtklub verlauten lässt.

Mitarbeit: Simon Strimer, Pascal Ruckstuhl

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