Didier Tholot will seine dritte Cup-Trophäe mit Sion
«Ich stand im Trainerbüro kurz vor dem Tod»

Sion-Coach Didier Tholot ist der CC-Versteher schlechthin. Im November ist der Franzose dem Tod von der Schippe gesprungen. Am Samstag will er in den Cupfinal einziehen. Zum dritten Mal.
Publiziert: 27.04.2024 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2024 um 08:43 Uhr
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Dîdier Tholot jubelt nach dem grossen Coup dieser Fussballsaison: Challenge-Ligist Sion eliminiert in den Cup-Viertelfinals Meister und Titelverteidiger YB.
Foto: keystone-sda.ch
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Alain KunzReporter Fussball

Eigentlich, so war es vorgesehen, hätte es im Gespräch mit Didier Tholot in der Hauptsache darum gehen sollen, was ihn am Wallis derart fasziniert, dass er schon zum vierten Mal dort arbeitet. Warum er Christian Constantin derart viel besser versteht als alle anderen Trainer vor ihm. Warum man ihm den Namen Mister Cup gegeben hat. Doch dann nimmt das Gespräch im improvisierten Mini-Presseraum des FC Sion eine unerwartete Wendung. 

Es geht um den 22. November 2023. Damals fehlte Tholot im Training. Es hiess, er sei im Spital. Präsident Christian Constantin sagte damals zu Blick: «Didier hatte Rückenschmerzen, die ihm verdächtig vorkamen. Also ging er zum Arzt, der eine kardiologische Untersuchung anordnete.» Diese bestand aus einer im Spital vorgenommenen Echokardiografie, eine Untersuchungsart, mit der Funktionsstörungen der Herzkammern und der Herzvorhöfe erkannt werden können. Tholot musste über Nacht dortbleiben. «Aber man hat nichts Verdächtiges gefunden», so CC weiter. Nach ein paar Tagen war Tholot wieder beim Team. Doch es war alles ganz anders … 

Das Gespräch dreht sich zwischenzeitlich um Wein. Irgendwie logisch bei einem, der in der Welt-Weinmetropole Bordeaux lebt und im Wallis arbeitet, dem grössten Schweizer Weinkanton. Klinken wir uns ein. 

Blick: Welche Weine haben Sie nun lieber – jene aus dem Wallis oder doch Bordeaux?
Didier Tholot
(lacht): Leider kann ich keinen Weisswein trinken. Da kriege ich schnell eine Sehnenentzündung. Ich weiss, wie gut der Weisse hier ist. Es gibt aber auch gute Syrahs hier, auch Merlot und Pinot Noir. Die mag ich alle. Aber das Wallis und Bordeaux ist nicht vergleichbar. Also heisst es in Frankreich Saint-Emilion oder Médoc. Und hier Wallis.

Gibts auch ein Glas nach den Spielen? Wie es viele grosse Coaches handhaben?
Ich genehmige mir gerne ein Glas Wein. Und ich geniesse das Leben. Das hat ja vor nicht allzu langer fast brutal geendet.

Wie bitte?
Ja. Mein Herzstillstand im November.

Herzstillstand? Es hiess, es sei nichts Dramatisches. Rückenprobleme. Und dann Routineuntersuchung.
Im Klub wollte man den Menschen nicht Angst machen. Also hängte man es nicht an die grosse Glocke. Und auch ich wollte nichts erzählen, weil das Dinge sind, die häufig vorkommen. Nur weil man als Fussball-Trainer mediatisiert wird, muss man das nicht überall rumerzählen. Aber ich stand kurz vor dem Tod. Es ging um Minuten.

Erzählen Sie.
Es passierte hier, im Trainerbüro. Plötzlich verspürte ich hier einen unglaublichen Schmerz (er zeigt auf die Brust). Später sagte man mir, dass die Hauptarterie, die zum Herz führt, zu 99,9 Prozent verstopft gewesen sei. Zum Glück war mein Assistent José Sinval gleich hier. Er hat mich sofort zu einem Kardiologen gefahren. Es ging dann gleich in den Operationssaal.

Wo?
Ins Spital Sitten. Auch das ein glücklicher Umstand, dass es keine Viertelstunde weg ist.

Und nun stehen Sie hier, wie wenn nichts gewesen wäre …
So ist es. Ich habe jetzt zwei Stents um das Herz herum. Aber keine weiteren Einschränkungen.

Inwiefern ändert ein solcher Vorfall die Art und Weise, das Leben zu sehen?
Es ändert einiges! Vor allem rege ich mich nicht mehr so sehr über Kleinigkeiten auf.

Und doch kommt man schnell wieder in den Alltags-Trott. Auch Sie haben sich bald wieder über ein schlechtes Spiel oder Schiedsrichter-Entscheide aufgeregt.
So ist es. Weil der Mensch so ist.

Didier Tholot persönlich

Tholot wurde am 2. April 1964 in Feurs in der Loire geboren, hat also vor nicht ganz vier Wochen seinen 60. Geburtstag gefeiert. Das Fussballspiel erlernte der nur 1,72 m grosse Stürmer in der inzwischen aufgelösten nationalen Akademie in Vichy. Er spielt unter anderem für Reims, Saint-Etienne und Bordeaux (mit Zinédine Zidane) in der Ligue 1, macht dort 235 Spiele und 53 Tore. In der Schweiz läuft er für Sion, den FCB, YB und Vevey auf, wo er sein erstes Spielertraineramt bekleidet. In der NLA macht er in 110 Spielen 35 Tore. Er wird 2003 Spielertrainer des FC Sion in der NLB. In Frankreich trainiert er Reims, Châteauroux, Bastia, Nancy und Pau. Dazwischen drei weitere Male den FC Sion, mit dem er zweimal den Cup gewinnt. Tholot ist zum zweiten Mal verheiratet und hat zwei Söhne (36 und 30).

Tholot wurde am 2. April 1964 in Feurs in der Loire geboren, hat also vor nicht ganz vier Wochen seinen 60. Geburtstag gefeiert. Das Fussballspiel erlernte der nur 1,72 m grosse Stürmer in der inzwischen aufgelösten nationalen Akademie in Vichy. Er spielt unter anderem für Reims, Saint-Etienne und Bordeaux (mit Zinédine Zidane) in der Ligue 1, macht dort 235 Spiele und 53 Tore. In der Schweiz läuft er für Sion, den FCB, YB und Vevey auf, wo er sein erstes Spielertraineramt bekleidet. In der NLA macht er in 110 Spielen 35 Tore. Er wird 2003 Spielertrainer des FC Sion in der NLB. In Frankreich trainiert er Reims, Châteauroux, Bastia, Nancy und Pau. Dazwischen drei weitere Male den FC Sion, mit dem er zweimal den Cup gewinnt. Tholot ist zum zweiten Mal verheiratet und hat zwei Söhne (36 und 30).

Haben Sie nach Gründen für diesen Herzstillstand gesucht?
Es ist wohl ein Mix. Ein bisschen genetisch. Mein Vater hatte auch schon einen gehabt. Zudem habe ich geraucht.

Viel?
Viel. Am Tag der Not-OP habe ich aufgehört. Vor allem wegen der Heftigkeit des Schmerzes, die ich noch nie erlebt hatte. Man hat das Gefühl, die Brust stecke in einem Zwinger und werde von beiden Seiten zusammengedrückt.

Die nach einem solchen Eingriff gebotene Ruhezeit haben Sie nicht wirklich eingehalten …
Nein. Sie wollten mich bis zum 7. Januar krankschreiben, damit ich mich erholen könne. Es passierte am 21. November. Am 30. stand ich wieder auf dem Platz.

Gehen wir zurück an den Anfang des Gesprächs. Und zu dieser «amour fou», wie der Franzose sagt, zwischen ihm, Tholot, und CC. Da scheint eine Verbindung zu bestehen, die etwas Irrationales hat. Tholot war es, der nach der Rückkehr von CC als Sion-Präsident im Jahr 2003 Spielertrainer in der NLB wurde, als der Klubboss juristisch darum kämpfte, nicht in die 1. Liga zwangsrelegiert zu werden. Zu Beginn hatte Tholot da sieben Spieler im Training in Martigny-Combe. CC gewann seinen irren Kampf – und Sion stieg Ende Oktober in die Meisterschaft ein. Später war Tholot zwei weitere Mal Sion-Coach. Er ist mit 604 Tagen in Folge der CC-Rekordhalter. Letzten Sommer kehrt er zum dritten Mal zurück ins Wallis. 

Wie ging das vor sich, Ende Juni?
Ich hatte immer regelmässig Kontakt zu Christian. Er hatte mich seit meiner dritten Walliser Zeit schon dreimal gefragt, ob ich zurückkehren wolle. Damals passte es nicht. Jetzt war es perfekt.

Obwohl Sie in Pau noch ein Jahr Vertrag hatten.
Ja, aber wir hatten divergierende Philosophien, weshalb ich mein Amt niederlegte. Also passte das wunderbar.

Er musste Sie also nicht gross überzeugen.
Nein. Das neue Projekt passte. Nach drei Minuten sagte ich zu.

Welche Magie gibt es da zwischen Ihnen?
Wir sind beide Arbeitersöhne. Wir haben viel Respekt voreinander und ähnliche Wertvorstellungen von der Arbeit. Wenn es klappt, dann ist gut. Wenn es nicht klappt, trennt man sich. So einfach ist das. Ohne Theater. Wir sind immer im Guten auseinandergegangen.

Und doch: 604 Tage hat es kein anderer Trainer mit CC ausgehalten.
Wir reden mindestens dreimal die Woche miteinander. Der Austausch ist regelmässig. Ich sage ihm, wann ein Training scheisse war. Offen und ehrlich.

Aber in Sachen Taktik will er doch mitreden – oder?
Nein, nie! Was dazukommt: Er war es, der mir vorschlug, Trainer zu machen. Und mir dann auch diese Chance offerierte. Da muss ich ihm ewig dankbar sein. So schliesst sich ein Kreis.

Welche Parameter mussten erfüllt sein, damit Sie zusagten?
Ich will eine Carte blanche im sportlichen Bereich. Das war immer so. Das weiss Christian. Das musste ich nicht mal sagen. Weshalb ich eigentlich nur eine Bedingung hatte.

Und die war?
Ich wollte Mario Balotelli nicht.

Warum?
Ich kann nicht mit einem Typen arbeiten, der einmal in der Woche trainiert und seinen Job nicht ernst nimmt.

Balo war einer der Hauptgründe für Sions Abstieg.
Absolut. Solch ein Spieler zieht einen Rattenschwanz an Problemen mit sich. Man kann doch nicht die Schlüssel zur Mannschaft in die Hände eines Menschen legen, der die Gruppe nicht respektiert. Fussball ist ein kollektiver Sport. Meine aktuelle Mannschaft ist nicht die talentierteste. Aber unsere Geisteshaltung ist gut. Der kollektive Wille ist da.

Reicht der, um nach YB auch Lugano zu schlagen?
Das wird sehr schwierig. Lugano ist in einer sehr guten Dynamik und tendenziell immer noch im Steigen begriffen. Anders als YB im Viertelfinal. Die haben wir zum richtigen Zeitpunkt erwischt, als sie am Zweifeln waren. Aber jede Mannschaft hat ihre Schwächen.

Diese Faszination rund um den Cup hier im Wallis, haben Sie die in Frankreich auch erlebt?
Überhaupt nicht! Ich stand als Spieler nie im Final. Das höchste aller Gefühle war ein Halbfinal mit Saint-Etienne. Diese riesige Bedeutung des Cups habe ich hier entdeckt.

Und Sie sind schlicht der Mister Cup. Sie haben 13 Ihrer 15 Cupspiele mit dem FC Sion gewonnen. Gegen wen waren die beiden Niederlagen?
Ich weiss es nicht mehr. Niederlagen vergisst man … Ich glaube, es war ein Halbfinal und einmal ein Unterklassiger.* Ich weiss nur: Es soll bei diesen zwei Niederlagen bleiben.

Zum Schluss: CC hofft, dass das neue Stadion bereits 2029 bezugsbereit sein wird und nicht erst 2030. Dann erreichen Sie das Pensionsalter. Wo werden Sie am Tag der Eröffnung sein?
Keine Ahnung, was ich dann mache. Eines ist aber sicher: Ich werde an der Eröffnung dabei sein.

(*Das war 2016 der FCZ im Halbfinal und 2009 Thun in der zweiten Runde) 

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