Canepas im Doppel-Interview vor Saisonstart
«Breitenreiter erinnert an Favre»

Heliane und Ancillo Canepa reden vor ihrer 15. Saison als FCZ-Bosse über Ziele, Abnützungserscheinungen, Freuden, den FC Canepa, Budgetdiskussionen und ihren Rücktritt.
Publiziert: 18.07.2021 um 17:35 Uhr
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Der neue Trainer Breitenreiter erinnert die Canepas von seiner Arbeitsweise her an Ex-Meistertrainer Favre.
Foto: Andy Mueller/freshfocus
Michael Wegmann

Blick: Heliane und Ancillo Canepa, zum Glück verbringt der FCZ sein Trainingscamp in einem Wellness-Hotel bei diesem Hudelwetter. Dann können Sie ein wenig entspannen, wenn die Spieler trainieren …
Heliane:
… von wegen! Gerade eben sind wir in Regenjacken zwei Stunden auf dem Fussballplatz gestanden und haben das Training beobachtet. Wir sind an jedem Training dabei, an jeder Theoriesitzung, an jeder Teamsitzung.

Noch nicht mal das Schwimmbad benutzt?
Heliane: Nein, das Wellness-Angebot interessiert uns nicht.
Ancillo: Wir sind nicht als Touristen hier.
Heliane: Wer die Trainings, die Taktik und die Ideen des Trainers kennt, kann dann auch das Spiel besser einschätzen. Es ist für mich enorm bereichernd. Vor allem, wenn ich neue Trainingsformen kennenlernen darf.

Sie wollen Ihrem neuen Trainer André Breitenreiter also ganz genau über die Schultern schauen?
Ancillo:
Nein. Aber im Trainingslager hat man mehr Zeit, sich gegenseitig besser kennenzulernen und sich auszutauschen. Ausserdem habe ich dies immer so gehandhabt. Das ist etwa das 25. Trainingslager, an dem ich persönlich teilnehme.
Heliane: Lediglich in den letzten paar Jahren ist Cillo während den Wintertrainingslagern, die irgendwo im Süden von Europa stattfanden, wegen den Hunden zu Hause geblieben. Da bin ich jeweils alleine mitgereist.

Gibt es auch Eigenschaften, die an frühere Trainer erinnern?
Ancillo:
Bei André erinnert mich seine Akribie auf dem Trainingsplatz ein wenig an Lucien Favre. Eingreifen, dirigieren, korrigieren, Spielzüge einüben. Bei André merkt man halt schon, dass er eine grosse Erfahrung aus der Bundesliga mitbringt. Besonders seine Kommunikation und der Umgang mit den Spielern sind beeindruckend.
Heliane: Man spürt, dass er eine klare Spielidee hat und in jedem Training systematisch darauf hinarbeitet.
Ancillo: Step by step. Wir haben ein gutes Gefühl.

Das hatten Sie doch bisher jeden Sommer!
Ancillo: Logo! Oder sagen wir fast immer. Aber ernsthaft: Auch die Spieler haben hervorragend mitgezogen und waren extrem engagiert.

Oft wurden Sie dann enttäuscht.
Ancillo: Wir wollen nicht zurückschauen. Wir haben den Umbruch eingeläutet. Ein wichtiger Entscheid war, dass wir jetzt einen externen Trainer engagieren wollten. Neues Blut, neue Ideen, neue Impulse.

Sie sind ja Bundesliga-Fan. Warum ist Breitenreiter nach Hyypiä erst der zweite ehemalige Bundesliga-Trainer unter Ihrer Präsidentschaft?
Ancillo:
Es ist nicht so, dass jeder Bundesliga-Trainer zum FCZ passen würde. Viele Kandidaten aus der Bundesliga haben sich in all den Jahren bei uns schon gemeldet. André Breitenreiter und seine Spielphilosophie verfolge ich schon seit einigen Jahren. Nun war die Konstellation so, dass es uns gelungen ist, ihn für den FCZ zu verpflichten. Zusammen mit seinem Assistenztrainer Darius Scholtysik.

Was ist das für eine Philosophie?
Ancillo:
Nach vorne orientiert, mit schnellem Umschaltspiel, aber mit einer stabilen defensiven Einstellung. Er ist leistungsorientiert und erwartet von den Spielern eine Topeinstellung. Im Spiel und im Training.

So wollen doch längst alle Klubs Fussball spielen.
Ancillo:
Vielleicht. Aber dies umzusetzen, ist nicht ganz so einfach. Die von André trainierten Mannschaften haben über weite Strecken genau so gespielt. Das hat mir imponiert.

Hat so auch der FCZ in den Tests gespielt?
Ancillo:
Es braucht noch Zeit, wir haben schon noch Luft nach oben.
Heliane: Hoffentlich. Wir hatten schon Vorbereitungen, in denen wir jedes Testspiel gewonnen haben – und der Meisterschaftsstart verlief dann alles andere als erfolgreich.

Und wie siehts mit der Kaderplanung aus?
Ancillo:
Die ist rollend. Es wird sicher noch den einen oder anderen Zu- oder Abgang geben.

Hat Breitenreiter gewisse Forderungen gestellt?
Ancillo:
Nein. Aber klar haben wir zusammen das Kader besprochen und sind die einzelnen Positionen durchgegangen.
Heliane: Wir würden sicher keine Spieler holen, die er nicht will.
Ancillo: Aber ganz generell ist er sehr gelassen. Er fragt auch nicht täglich nach, wie es auf der Transferfront ausschaut.

Ihr Saisonziel dürfte wie jedes Jahr wieder Europa heissen, oder?
Ancillo: Über Ziele reden wir öffentlich nicht mehr. Unser einziges Ziel ist, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen.
Heliane: (Lacht.) Das ist ein saugutes Ziel.

Wenn das Besitzer-Ehepaar solche Ziele vorgibt, brauchts keine Platzierung-Ziele …
Heliane: … genau.
Ancillo: Wir sind schon auch realistisch. Aber jeder Schweizer Klub in der Super League muss europäisch spielen wollen. Wenn er dieses Ziel nicht hat, gehört er nicht in die Super League.
Heliane: Wieder einmal europäische Luft schnuppern wäre halt schon cool.

Das ist nun die 15. Saisonvorbereitung. Zum 15. Mal ein Kader zusammenstellen und Saisonziele vorgeben. Haben Sie nicht gewisse Abnützungserscheinungen?
Heliane: Nein. Also ich auf keinen Fall.
Ancillo: Hätten wir Abnützungserscheinungen, würden wir aufhören.
Heliane: Und zwar sofort.

Macht es so viel Freude wie am ersten Tag?
Ancillo: Freude ist ein grosses Wort …
Heliane: … für mich schon!
Ancillo: Es ist nicht so, dass ich jeden Morgen aufstehe und sage: «Wow! Präsident vom FCZ, was für ein Superjob.»
Heliane: Das hat er auch nicht so gemeint.
Ancillo: Ich weiss. Ich will nur sagen, dass es wie in jedem anderen Beruf Höhepunkte und eben auch immer wieder schwierigere Situationen gibt. Es ist ein Auf und Ab. Aber alles in allem ist es immer noch motivierend, den FCZ zu führen. Wir sehen einige Möglichkeiten, wo und wie wir uns weiterentwickeln können.
Heliane: Auch infrastrukturell. Im Heerenschürli ist unser neues Trainingszentrum am Entstehen. In ein paar Monaten werden wir dort alle unter einem Dach sein. Solche Projekte halten uns auf Draht.

Letztmals beim Aufstehen haben Sie wohl «Wow – ich bin FCZ-Präsident» gesagt, als man Champions League spielte?
Ancillo: Kurzfristiger Jubel und grosse Emotionen dürfen schon sein. Da braucht es aber nicht zwingend die Champions League. Es sind vor allem die vielen kleinen Dinge und Begebenheiten, die auch Freude bereiten und Motivation darstellen.
Heliane: Und wir wollen nie stehen bleiben. Das ist entscheidend. Das treibt uns an. Aber natürlich sind Titel und Europacup die absoluten Höhepunkte.

Corona. Fehlende Einnahmen. Stadien-Abstimmungen und Referenden. Zehrt das alles nicht auch?
Heliane: Nein. Das sind Gegebenheiten, die wir als solche hinnehmen müssen. Man kann sie nicht ändern.
Ancillo: Natürlich nervt das alles. Ich würde mich auch viel lieber auf den Fussball per se fokussieren können.

Sie haben den Luxus, dass Sie jederzeit aufhören können.
Ancillo: Vielleicht fühlen wir persönlich auch deshalb nicht den riesengrossen Druck, weil wir nicht gezwungen sind, es zu tun. Sollte es uns nicht mehr passen, können wir aufhören. Diese Freiheit gibt uns die Leichtigkeit …
Heliane: … und die nötige Energie.

Also die Canepas haben noch immer Freude am FCZ?
Heliane: Ja. Sehr grosse Freude sogar.

Vielleicht haben Sie auch nur Angst, dass es Ihnen ohne FCZ langweilig werden könnte?
Heliane: Nein, langweilig ist uns im Leben noch nie geworden. Der FCZ ist eine Herzensangelegenheit. Aber wir haben auch eine Aufgabe und sind uns der Verantwortung bewusst. Der FCZ ist 125 Jahre alt, wir wollen, dass der Klub weitere 125 Jahre lebendig bleibt.

Stört es Sie, dass viele Leute den FC Zürich in FC Canepa unbenannt haben?
Heliane: Mir ist wurst, was geschrieben und geredet wird.
Ancillo: Mir auch. Dass der FCZ finanziell und strukturell ein Familienunternehmen ist, dürfte bekannt sein. Wer also die Verantwortung trägt, will und muss auch Einfluss ausüben. Das ist doch völlig normal. Das ist bei vielen anderen Unternehmen auch der Fall.

Was passiert mit dem FCZ, wenn Sie tatsächlich einmal aufhören?
Heliane: Wenn wir aufhören, werden wir eine saubere Nachfolge-Lösung im Sinne des FCZ aufgegleist haben. Aber das ist heute noch kein Thema.

Die Canepas sind überall dabei. Nur Trainer machen Sie nicht.
Heliane: Dabei hat Cillo, als er bereits Präsident war, auch das Trainerdiplom gemacht.
Ancillo: Deshalb kann ich auch «mitschnurre»!
Heliane: Im Kinderfussball. Sein Lehrer war Carlos Bernegger, Cillo hat geschwärmt. Eigentlich wollte er dann ja auch weitermachen …
Ancillo: … aber dann habe ich mir kurz vor dem Kurs für das nächste Diplom das Kreuzband gerissen. Ich hätte damals gemeinsam mit Hannu Tihinen den Kurs in Magglingen absolvieren sollen.

Da dürften alle Trainer aufatmen, dass Sie nicht weitergemacht haben!
Heliane: Da haben Sie recht.
Ancillo: Sie sehen: Wir sind immer noch bestens gelaunt und top motiviert.

Sie würden gerne dereinst mit einem Titel zurücktreten?
Heliane: Logisch!
Ancillo: Nein, dann geht es erst recht weiter.

Sie lassen sich Ihre Liebe viel kosten. Je nach Quelle sollen sie schon 30 oder 40 Millionen Franken in den FCZ gesteckt haben …
Heliane: ... jetzt wollen sie wissen, wie viel es wirklich waren.

Gerne. Obwohl sie es kaum verraten.
Heliane: Da haben Sie recht.

Stört es Sie, dass immer wieder Summen kolportiert werden?
Ancillo: Nein.

Es scheint, als habe der Wind in der Öffentlichkeit gedreht. Es gibt mittlerweile viele, die Ihr Engagement bewundernswert finden. Hat das mit den ausländischen Investoren wie Fosun bei GC und Ineos bei Lausanne und mit dem Investoren-Cabaret zuletzt beim FCB zu tun?
Heliane: Die Stimmung hat gekehrt, das habe ich bemerkt.
Ancillo: Es wird nicht mehr so viel Falsches geschrieben wie auch schon.

Beim FCZ weiss man, wo man die Rechnung hinschicken muss.
Ancillo: Es ist nicht unser Anspruch, dass es heisst: Die Canepas zahlen alles. Im Gegenteil. Dass wir in den letzten 15 Jahren die wirtschaftliche Fortführung in vielerlei Hinsicht sichergestellt haben, ist Tatsache. Uns allerdings nur auf die grossen Geldgeber zu reduzieren, ist nicht korrekt. Uns geht es um professionelle Führung. Dazu braucht es aber auch kompetente und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im sportlichen wie auch im administrativen Bereich.
Heliane: Als Familienbetrieb ist man gelegentlich auch in Detailfragen involviert. Wir haben zum Beispiel die gesamte Inneneinrichtung für den FCZ-Campus mit grossem zeitlichen Aufwand selber ausgesucht.

Trotzdem ist es Ihr Privatvermögen. Sie haben sicher auch Budget-Diskussionen.
Ancillo:
Da muss man abstrahieren können: Einerseits ist da der FCZ, für den wir jedes Jahr ein realistisches Budget erstellen. Die TV-Einnahmen sind vergleichsweise tief. Und was wir ebenfalls nicht budgetieren können, sind allfällige Transfereinnahmen und Europacup-Prämien. Das heisst, wir beginnen jede Saison mit einem strukturellen Verlust. Falls wir keine solchen Mehreinnahmen generieren können, muss irgendwie und durch irgendwen das Defizit gedeckt werden.
Heliane: Wir haben immer gesagt, dass wir mit dem FCZ kein Geld verdienen wollen. Unser Wunsch wäre es allerdings, irgendwann ohne Verlust aufhören zu können.

Ist das realistisch?
Heliane: Eher nicht.
Ancillo: Ich sehe das anders. Wir erhalten ja regelmässig Kaufanfragen für unsere Aktien. Dann können wir den Preis ja entsprechend festlegen. Was man auch beachten muss: Die offizielle Jahresrechnung bringt den wahren Wert des Klubs nicht richtig zum Ausdruck. Denn Spieler, die wir selber ausgebildet haben, dürfen nicht aktiviert werden und sind mit 0 Franken bilanziert. Als wir damals zum Beispiel Ricardo Rodriguez im Januar für einen zweistelligen Millionenbetrag verkaufen konnten, war er in der Bilanz vom 31. Dezember nicht bewertet. Auch der Standort spielt eine grosse Rolle. In dieser Beziehung ist Zürich für Kaufinteressenten natürlich ein attraktiver und wichtiger Bezugspunkt.

Fast 50 Jahre verheiratet. Wer ist in Ihrer Beziehung der Sparfuchs?
Ancillo: Ich würde sagen, das ist bei uns von Fall zu Fall unterschiedlich. Oft sind wir auch derselben Meinung.
(Heliane lacht.)
Ancillo: Okay. Es gibt Situationen, in welchen ich vielleicht etwas mehr Risiko eingehen würde und Heliane eher vorsichtiger ist. Und umgekehrt.
Heliane: Ich bin vor allem kostenbewusster.
Ancillo: In der Regel sind wir aber oft gleicher Meinung. Und dies in vielerlei Hinsicht.

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