«Leider war meine Zeit mit der Schweiz nicht erfolgreich»
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Ex-Nati-Star Botteron:«Leider war meine Zeit mit der Schweiz nicht erfolgreich»

René Botteron: Vom gefeierten Nati-Star zum nachdenklichen Witwer
«Ich fühle mich einsam»

Die langen Haare trägt er noch heute, den Porsche aber fährt er schon längst nicht mehr. Hier spricht Fussball-Legende René Botteron (67) offen über den tiefen Fall nach der Karriere, den Tod seiner grossen Liebe und das Tabu-Thema Einsamkeit im Alter.
Publiziert: 21.08.2022 um 00:56 Uhr
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Aktualisiert: 13.01.2023 um 11:10 Uhr
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Im Interview spricht René Botteron offen über seine Karriere und Tiefschläge.
Foto: Nathalie Taiana
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Daniel LeuStv. Sportchef

Herr Botteron, 1987 sagten Sie: «Ein Job im Sportjournalismus könnte mich reizen.» Welche Frage würde der Journalist Botteron der Fussball-Legende Botteron stellen?
René Botteron: Hab ich das wirklich mal gesagt? Dieser Plan hat sich offenbar in Luft aufgelöst. Ich würde ihn wahrscheinlich fragen, wie damals alles anfing, wie er aufwuchs, wie er zum Fussballer wurde.

Dann frage ich Sie das: Wie sind Sie aufgewachsen?
Zusammen mit drei Schwestern in Netstal. Mein Vater arbeitete als Metzger, meine Mutter in einer Papierfabrik. Wir hatten eine einfache, aber schöne Kindheit.

Wie kamen Sie zum Fussball?
Schon mein Vater hatte Fussball gespielt. Ich kam dann im C-Junioren-Alter direkt zum FC Glarus. Meine Schwester Nora war übrigens auch sehr talentiert. Wir haben häufig zusammen gekickt.

Träumten Sie als Jugendlicher von einer Karriere als Fussballer?
Nein, solche Gedanken hatte man damals doch nicht. Ich habe einfach gerne gespielt. Mehr nicht.

Sie sollen aber schon als Junior bei einem Jonglierwettbewerb über 700 Ballberührungen geschafft haben, bevor man Sie aus Zeitgründen gestoppt hat.
Das kann schon sein. Aber wissen Sie: Wer 20-mal jonglieren kann, der kann es auch mehrere 100-mal. Das ist dann nur noch eine Konzentrationssache.

Das ist René Botteron

Der Glarner spielte für Zürich, Köln, Standard Lüttich, Nürnberg und Basel. Mit dem FCZ wurde er dreimal Meister und einmal Cupsieger, mit Standard Lüttich belgischer Meister und schaffte es bis in den Final im Europacup der Cupsieger 1982 (1:2-Niederlage gegen Barcelona).

In der Nati kam er zwischen 1974 und 1986 auf 65 Spiele und war zeitweise gar deren Captain. Bei einem Fifa-Weltauswahlspiel lief er an der Seite von Stars wie Beckenbauer und Cruyff auf.

Der Glarner spielte für Zürich, Köln, Standard Lüttich, Nürnberg und Basel. Mit dem FCZ wurde er dreimal Meister und einmal Cupsieger, mit Standard Lüttich belgischer Meister und schaffte es bis in den Final im Europacup der Cupsieger 1982 (1:2-Niederlage gegen Barcelona).

In der Nati kam er zwischen 1974 und 1986 auf 65 Spiele und war zeitweise gar deren Captain. Bei einem Fifa-Weltauswahlspiel lief er an der Seite von Stars wie Beckenbauer und Cruyff auf.

Wie schafft man es aus dem ländlichen Glarnerland zum grossen FC Zürich?
Beim FCZ gab es damals jeden Mittwochnachmittag eine Fussballschule. Ich war etwa 15, als ich das erste Mal daran teilnahm. Geleitet wurden die Trainings von Spielern wie Köbi Kuhn, Rosario Martinelli oder Karli Grob. Das war natürlich schon sehr speziell für mich.

Als 19-Jähriger wechselten Sie dann definitiv zum FCZ. Wissen Sie noch, was Sie damals verdient haben?
Ich glaube, das waren pro Monat 500 Franken, plus Punkteprämien. Ich habe dann zuerst noch in der Kreistelefondirektion Zürich eine KV-Lehre begonnen. Doch weil wir damals auch noch im Europacup spielten, wurde es mir zu viel. Deshalb wurde ich Vollprofi, was damals noch nicht üblich war.

Mit dem FCZ wurden Sie dreimal Meister und einmal Cupsieger. Legendär waren die Bo-, Bo-, Botteron-Rufe.
Ich weiss gar nicht, wie die entstanden sind, wohl aus der Südkurve raus. Ich war damals halt jung und trug lange Haare. Das hat den Fans wohl gefallen.

Apropos lange Haare: Seit wann haben Sie die?
Schon als Junior in Glarus. Ich hatte einfach gerne lange Haare. Doch als ich in die RS kam, musste ich sie abschneiden. Das fiel mir schwer. Deshalb habe ich sie mir danach gleich wieder wachsen lassen.

Auch ein Markenzeichen von Ihnen war Ihr Porsche.
Ich war schon als Bub ein Autofreak. Als ich es mir leisten konnte, kaufte ich mir zuerst einen Targa und später dann einen Carrera RS.

Sie haben damals im Hotel Holiday Inn im zürcherischen Regensdorf gewohnt. Warum?
Weil es angenehm war. Die Zimmer wurden immer gemacht, es gab ein Restaurant und auch andere Sportler wohnten dort, zum Beispiel ZSC-Spieler Kent Sundquist.

Damals gab es zahlreiche Klubs, die Sie verpflichten wollten. Die Rede war von Ajax Amsterdam, Real Madrid und Bayern München. Was war da dran?
Das weiss ich selber nicht so genau. Als Spieler hattest du in der Zeit nichts zu sagen. Die Klubs machten das untereinander aus und entschieden über deinen Kopf hinweg. Wenn FCZ-Präsident Nägeli sagte, den Botteron geben wir nicht ab, dann war das so. Widerrede sinnlos.

1980 kam es schliesslich doch noch zum Auslandstransfer. Sie spielten für Köln, Standard Lüttich und Nürnberg. Wie schwierig war das für Sie als «kleiner Schweizer»?
Der Konkurrenzkampf war sehr gross. Als ich in Köln irgendwann auf der Ersatzbank landete, hat mich das schon gestört. Heute weiss ich: Vielleicht war ich einfach nicht gut genug und der Trainer hatte das Gefühl, es gäbe elf bessere Spieler.

1981 schrieben Sie trotzdem Geschichte. Sie waren der erste Schweizer in einem Europacupfinal. Stimmt die Anekdote, dass Sie das Spiel zwischen Lüttich und Barcelona bis heute noch nie gesehen haben?
Vor etwa zehn Jahren habe ich zum ersten Mal Ausschnitte davon gesehen, das Spiel in voller Länge aber bis heute noch nicht. Wenn man ein solches Spiel verliert, schaut man sich das danach doch nicht mehr an.

Botteron und der Belgien-Betrug

1982 wurde René Botteron mit Standard Lüttich belgischer Meister. Doch zwei Jahre später kam raus: Das letzte Spiel gegen Waterschei war gekauft. Lüttich wollte damals trotz zwei Punkten Vorsprung auf Nummer sicher gehen und zahlte dem Gegner umgerechnet 17’000 Franken. Das Spiel endete 3:1, und Lüttich feierte den Titel.

Hauptdrahtzieher soll damals Captain Eric Gerets gewesen sein. Er und sieben weitere Standard-Spieler erhielten danach Strafen, der Titel aber wurde Lüttich nicht aberkannt.

Botteron, der gegen Waterschei eingewechselt worden war, und die anderen beiden Ausländer waren nie Teil der Ermittlungen. Heute sagt er: «Ich kann mich nicht daran erinnern und höre das erste Mal davon. Hätte ich vor dem Spiel gewusst, was da abläuft, wäre ich wohl gar nicht aufgelaufen.»

1982 wurde René Botteron mit Standard Lüttich belgischer Meister. Doch zwei Jahre später kam raus: Das letzte Spiel gegen Waterschei war gekauft. Lüttich wollte damals trotz zwei Punkten Vorsprung auf Nummer sicher gehen und zahlte dem Gegner umgerechnet 17’000 Franken. Das Spiel endete 3:1, und Lüttich feierte den Titel.

Hauptdrahtzieher soll damals Captain Eric Gerets gewesen sein. Er und sieben weitere Standard-Spieler erhielten danach Strafen, der Titel aber wurde Lüttich nicht aberkannt.

Botteron, der gegen Waterschei eingewechselt worden war, und die anderen beiden Ausländer waren nie Teil der Ermittlungen. Heute sagt er: «Ich kann mich nicht daran erinnern und höre das erste Mal davon. Hätte ich vor dem Spiel gewusst, was da abläuft, wäre ich wohl gar nicht aufgelaufen.»

Für die Nati bestritten Sie 65 Länderspiele. 1983 aber wurden Sie von Paul Wolfisberg einfach nicht mehr aufgeboten. Wie haben Sie davon erfahren?
Durch meinen Vater. Er rief mich an und sagte, er hätte im «Sport» gelesen, dass ich nicht mehr dabei sei. Dann fragte er mich: «Stimmt das?» Ich: «Das weiss ich nicht. Mich hat niemand informiert.» Doch leider stimmte es. Das hat mir schon wehgetan. Als der Wolf abtrat, wurde ich dann später zum Glück nochmals aufgeboten.

Ihre Karriere endete 1987 beim FC Basel ohne einen glanzvollen Abschied.
Ich verletzte mich bei einem Cup-Match in Köniz zum wiederholten Mal am Knie. Deshalb wurde mein Vertrag beim FCB nicht mehr verlängert.

Sie waren dadurch von heute auf morgen arbeitslos und hatten keine Ausbildung. Wie ging es Ihnen damals?
Ich hatte mir zuvor nie Gedanken gemacht, was nach dem Fussball kommen könnte, weil ich das immer vor mir hergeschoben hatte. In den ersten Monaten war es schön, weil man einfach mal nichts machen musste. Doch danach war es schwierig.

Hatten Sie Existenzängste?
Ja, ich musste irgendwann mal wieder Geld verdienen. Doch es war ja mein Fehler, ich hatte mich einfach zu wenig darum gekümmert. Für diese unangenehme Situation war ich schon selber verantwortlich. Ich habe aber nie Arbeitslosengeld bezogen, sondern von meinem Ersparten gelebt.

Ab 1993 arbeiteten Sie für eine Basler Privatbank. Wie kamen Sie zu diesem Job?
Durch Peter Ramseier, mit dem ich beim FCB zusammengespielt hatte und der 2018 leider verstorben ist. Auf der Bank erledigte ich im Hintergrund Arbeiten, zum Beispiel Botengänge.

Vom gefeierten Fussballer zum einfachen Hilfsarbeiter: Fiel das Ihnen schwer?
Nein, damit hatte ich kein Problem. Hätte ich eines gehabt, hätte ich den Job ja nicht annehmen müssen. Ich habe dann bis 66 dort gearbeitet.

Seit zwei Jahren sind Sie pensioniert. Wie sieht Ihr Leben heute aus?
Es ist nicht immer ganz einfach, denn 2018 ist meine Frau Inge verstorben. Sie war die wichtigste Person in meinem Leben, wir kannten uns 40 Jahre und waren 37 davon verheiratet. Ich vermisse sie schon sehr.

Wie lernten Sie sich kennen?
Das war im Zürcher Hockstübli. Damals wurde es von Spieler Kurt Grünig geführt. Inge hat dort gearbeitet. Als ich eines Tages dort reinkam und sie sah, dachte ich: Sie gefällt mir.

Hätten Sie gerne Kinder gehabt?
Ich war in der Frage eher zurückhaltender als Inge. Heute gibt es manchmal schon den Gedanken, wie schön es jetzt wäre, wenn Kinder da wären.

Fühlen Sie sich manchmal einsam?
Ja, ich bin oft alleine, auch wegen Corona. Aber wohl auch, weil ich eher einer bin, der sich zurückzieht. Das ist schon gefährlich. Man sollte ab und zu wieder unter die Menschen gehen. Ich bin selber dafür verantwortlich und muss nicht denken, die anderen könnten sich ja mal bei mir melden. Es liegt auch mir, diesen Schritt zu gehen.

Machen Sie diesen Schritt?
Im Moment eher nicht, deshalb besteht die Gefahr zu vereinsamen. Doch ich bin nicht alleine in der Situation. Es gibt viele Menschen, die einsam sind und in ihren eigenen vier Wänden verharren. Oft sind es einfach die Frauen, weil die Männer ja durchschnittlich früher sterben.

Sie waren 64, als Ihre Frau starb. Wie gingen Sie damit um?
Die ersten Monate waren extrem. Auch wenn es mir heute besser geht, die Schmerzen werden immer bleiben. Ich denke jeden Tag an sie, eigentlich bei allem, was ich mache.

Wie sieht denn heute Ihr Alltag aus?
Ich lese gerne Tageszeitungen und schaue mir am TV viel Sport an. Ich fühle mich zum Glück gesund und bin trotz allem zufrieden. Und natürlich bin ich heute Hausmann … (lacht)

Sind Sie ein guter Hausmann?
Definitiv nein. Als meine Frau noch lebte, habe ich kaum geholfen. Und dann, mit 64, stand ich quasi das erste Mal in meinem Leben vor einer Waschmaschine. Aber ich hatte ja keine andere Wahl mehr.

Sind Sie wenigstens ein guter Koch?
Ebenfalls nein. Was ich in der Küche anstelle, zählt nicht zum Begriff Kochen. Zum Glück gibt es heutzutage ja Fertiggerichte.

Sie leben seit bald 40 Jahren in Riehen. Ist eine Rückkehr ins Glarnerland ein Thema für Sie?
Nein, ich gehe davon, dass ich hier mal sterben werde.

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