Mario Frick über Druck, Talente und einen Nostalgie-Transfer
«Wir leben von der goldenen Generation»

Coach Mario Frick ist das Luzerner Alphatier. Vor dem Liga-Gipfel mit dem topklassierten FC Basel spricht der 50-Jährige über die Luzerner Talentoase, seine Ochsentour als Trainer und erklärt, weshalb er ein Bundesliga-Nostalgiker ist.
Publiziert: 09.03.2025 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2025 um 14:50 Uhr
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«Wir freuen uns riesig auf den Basel-Match», FCL-Coach Mario Frick vor dem Spitzenkampf.
Foto: Sven Thomann

Darum gehts

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Ortstermin Luzern, wenige Tage vor dem Topspiel der Runde gegen Leader Basel. Coach Mario Frick lehnt sich im ausführlichen Blick-Interview einen Moment lang zurück und geniesst die prickelnde Ausgangslage: «Wir freuen uns riesig auf den Basel-Match!» Der FCL überrascht in der Liga mit schnörkellosem Fussball und kann sich seit Wochen auf eine breit abgestützte Offensiv-Abteilung verlassen.

Beim FCL können Sie nur davon träumen, einen Star wie Xherdan Shaqiri zurückzuholen. Sind die Spiesse im Gipfeltreffen der Super League unterschiedlich lang?
Das ist normal. Im Vergleich zu uns geht da die Schere extrem auseinander – auch finanziell. Ich habe hingegen von Beginn an gesagt, dass Shaqs Rückkehr die Liga extrem aufwertet. Für mich ist aber nicht nur Shaqiri ein Unterschiedsspieler, sondern auch Dominik Schmid. Er spielt eine super Saison. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er in der Nati auflaufen wird. 

Ist Basel der Titelanwärter Nummer 1?
Es gibt vier Spitzenteams in der Schweiz, und Basel gehört dazu. Und der FCZ macht es momentan überragend. Von der Athletik her, von der Schnelligkeit, von der Dynamik. Sie sind extrem gefährlich. Sie sind wild, extrem wild. Ich wünsche mir auch, dass wir wild sind, dass wir unbeschwert sind. Das geht uns ein bisschen ab, eine gewisse Lockerheit. Wir machen uns manchmal zu viele Gedanken, zu viel Druck.

Der FCL ist doch auf Kurs.
Ich zitiere meinen Sportchef: Von Mitte Oktober bis Mitte März muss man nicht schön spielen, sondern punkten. Viele Teams mit Qualität haben Mühe mit dem Zustand der Spielfelder. Trotzdem halte ich meine Mannschaft dazu an, mit einer gewissen Lockerheit auf den Platz zu laufen. Wir haben uns das verdient. Ein Rubén Vargas spielte hier, ein Hakan Yakin, ein Remo Freuler – keiner hat je so viele Punkte geholt wie wir jetzt. Das ist kein Zufall, aber wir müssen es jetzt durchziehen. 

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Sie waren als Spieler oft ausserhalb der Komfortzone tätig. Hilft Ihre eigene Erfahrung, den Jüngeren im Team den Druck etwas zu nehmen?
Ich war immer in herausfordernden Situationen. An jeder meiner Stationen ging es drunter und drüber. In meinen über 650 Profi-Spielen hatte ich nicht ein einziges Mal die Chance, ganz oben an die Tabellenspitze vorzurücken. Meine Jungs dürfen das nun erleben. Aber was Druck ist, weiss ich selber am besten, weil ich im Guten und auch im Schlechten nahezu alles erlebt habe. In Italien war die Bandbreite immer gross – von Polizeischutz bis zum frenetischen Applaus, vom Star zur Persona non grata. Deshalb bringt mich nicht mehr viel aus der Fassung.

Wie ist sicherzustellen, dass in Luzern nun niemand nachlässt oder einbricht?
Über vier ganz wichtige Punkte reden wir in der Kabine immer wieder: Herz, Biss, Ambitionen und Demut. Diese Schlagwörter müssen die Spieler verinnerlichen, die werden wir ihnen immer wieder eintrichtern. 

Persönlich: Mario Frick

Mario Frick (49) ist Liechtensteiner, aber in Chur geboren. Seine Profikarriere als Fussballer startete er in St. Gallen. Über Basel und Zürich zog es ihn weiter nach Italien. Dort entwickelte er sich zu einem treffsicheren Stürmer. Für sein Heimatland Liechtenstein absolvierte er 125 Spiele und erzielte 16 Treffer. Durch Zufall wurde er bei seinem Heimatklub Balzers zum Trainer. Nach einer ersten erfolgreichen Erfahrung beim FC Vaduz steht er inzwischen beim FC Luzern unter Vertrag und steht nach 134 Spielen bei einem Punkteschnitt von 1,48. Frick lebt getrennt von seiner Frau, mit der er zwei Söhne und eine Tochter hat.

Mario Frick (49) ist Liechtensteiner, aber in Chur geboren. Seine Profikarriere als Fussballer startete er in St. Gallen. Über Basel und Zürich zog es ihn weiter nach Italien. Dort entwickelte er sich zu einem treffsicheren Stürmer. Für sein Heimatland Liechtenstein absolvierte er 125 Spiele und erzielte 16 Treffer. Durch Zufall wurde er bei seinem Heimatklub Balzers zum Trainer. Nach einer ersten erfolgreichen Erfahrung beim FC Vaduz steht er inzwischen beim FC Luzern unter Vertrag und steht nach 134 Spielen bei einem Punkteschnitt von 1,48. Frick lebt getrennt von seiner Frau, mit der er zwei Söhne und eine Tochter hat.

Die Liga ist unberechenbar. Prognosen sind kaum machbar. Warum ist das so?
Viele Teams wählen einfache Mittel. Yverdon ist das beste Beispiel dafür. Das eins gegen eins, das Tramezzani spielen lässt, kenne ich noch aus Italien aus der Serie B. Ich hasste es als Stürmer, wenn dir einer auf dem ganzen Platz gefolgt ist. Und auf einem schlechten Platz hast du so schon bei der ersten Ballannahme viele Ballverluste. Dann gibt es ein Pingpongspiel, das Yverdon extrem in die Füsse spielt. Um klar zu sein: Sie machen es super und werden noch mehrere Klubs vor Probleme stellen. 

Beim 2:2 in Yverdon stand eine verstärkte Luzerner U21 auf dem Feld, die nach wie vor ganz oben mitmischt. Erstaunlich?
Wir sind wie die sogenannten Experten selber überrascht, wo wir stehen. Anders als das Gros empfinde ich die Liga nicht als schwach wie nie. Es gibt kein Team mehr, das sich mit zehn, zwanzig Punkten Vorsprung absetzt. Eng war es hinter der Spitze schon in den letzten Jahren oft.

Immer wieder zaubern Sie neue Talente aus der Nachwuchs-Pipeline – zuletzt Bung Meng Freimann, einen 19-jährigen Innenverteidiger für den verkauften Stammspieler Luca Jaquez.
Luzern ist eine Oase der Talente. Bei Luca hat mich der Sportchef vorgewarnt, dass etwas passieren könnte. Wir hatten dann das Glück, dass Freimann nahtlos eingesprungen ist. Wir leben von der goldenen Generation, die im Nachwuchs einiges gewonnen hat. Wenn die Rechnung aufgeht, lässt es sich gegen aussen natürlich gut verkaufen, auf die Jungen zu setzen, da müssen wir schon ehrlich sein. Würden die Resultate ausbleiben, wären die Kritiker sofort zur Stelle.

Sie haben sich als Coach in der Elite etabliert. Für den Einstieg ins Business wählten Sie wie Ex-Nati-Captain Stephan Lichtsteiner die 1. Liga. Was fliesst von dieser Ochsentour heute noch ein?
Es war vorgesehen, dass ich bei meinem Stammklub Balzers nur interimistisch übernehme. Es funktionierte dann aber so gut, dass ich fünf Jahre geblieben bin. Für mich war es die wertvollste Zeit überhaupt. Ich verstehe Stephan absolut, dass er mit Wettswil-Bonstetten einen ähnlichen Weg geht. Auf diesem Level darf man Fehler machen. Ich konnte Systeme ausprobieren und den Rucksack füllen. Man muss bei der Arbeit mit Amateuren extrem flexibel sein. Sie kommen nach einem Arbeitstag nach acht, zehn Stunden ins Training. Es ist ihr Hobby. Du musst mit kurzfristigen Absagen klarkommen, dann und wann das Training umstellen, weil sie andere Prioritäten setzen. 

Ist man als Coach dank der früh implementierten Flexibilität besser in der Lage, Nebengeräusche auszublenden? In Luzern läuft seit Oktober 2022 ein hässlicher Aktionärsstreit.
Ich habe während meiner Karriere ohnehin immer nur an mich herangelassen, was ich beeinflussen konnte. Von dem her habe ich das Rundherum gar nicht so negativ aufgenommen. Nur das eine Interview von Bernhard Alpstaeg (Frontalangriff des Stadionbesitzers auf den Sportchef Remo Meyer und den damaligen Präsidenten Stefan Wolf im Oktober 2022, Anm. d. Red.) im SonntagsBlick vor dem YB-Spiel störte mich vom Zeitpunkt her, weil wir damals mitten in einem Flow getroffen und gebremst worden sind.

Wie viel hat der Luzern-Coach Frick noch mit dem Trainer-Rookie von früher gemeinsam?
Zu Beginn meiner Laufbahn war ich fast zerfressen vom Ehrgeiz und habe dann und wann übertrieben. In meiner Kommunikation gegen aussen musste ich mich ebenfalls einschränken. In Vaduz konnte ich sagen, was ich wollte. Im Abstiegsjahr war ich vielleicht auch zu offensiv. Da kamen mir die Ambitionen dazwischen, nach einer überragenden Rückrunde. Ich habe gelernt, besser abzuwägen, auch mal etwas Zurückhaltung walten zu lassen – mit den Rang-Ansagen, mit Zielen. Es tut diesem jungen Team besser, wenn wir Underdog bleiben (lacht). 

Gegen den FCB coachen Sie den FCL zum 135. Mal und holen Markus Babbel als Nummer 2 im ewigen Coach-Ranking ein. Die Kontinuität ist auffallend, Sie planen Ihre Trainerkarriere Schritt für Schritt.
Konstanz ist für mich sehr wichtig. Sollte ich den FCL dereinst verlassen, müsste mir der neue Klub ein gleich gutes Gefühl geben. Der Job muss zu meiner Philosophie passen, ich muss mich identifizieren können. Ich habe ein blau-weisses Herz. Bei Vaduz war die Verbundenheit nur schon aus familiären Gründen da. Beim FC Luzern hatte ich von Anfang an gespürt, dass ich den Klub retten könnte. Die jüngste Entwicklung bestätigt meine Annahme. Es war genau der richtige Schritt im Dezember 2021. 

Ihr Vertrag endet im Sommer 2026. Kommt für Sie bei einem entsprechenden Angebot nur ein Transfer ins Ausland infrage?
Ein Wechsel zu einem anderen Schweizer Verein ist für mich als nächster Schritt schwer vorstellbar. Langfristig schliesse ich es aber nicht komplett aus.

Ihre Vorliebe für Deutschland ist bekannt.
Ich bin Nostalgiker. Wenn ich an Deutschland denke, sehe ich mich, wie ich als Fünfjähriger am Samstagabend mit allen Onkeln und Tanten die Sportschau am TV verfolge. Diese Zeit hat mich geprägt. Ich bin ein absolutes Kind der Bundesliga. Es war immer mein Wunsch, dort zu spielen. Dazu kam es leider nie. Darum träume ich davon, mir das als Trainer irgendwann zu erfüllen. Das hat oberste Priorität für mich. 

Italien ist kein Thema? Sie haben neun Jahre lang in der Serie A, B und C gekickt.
Ich wäre von der Sprache her und vom Fussball-Denken geschaffen dafür. Aber ich habe Mühe damit, wie sie mit den Trainern umgehen. Mister da, Mister dort, aber sobald die Resultate nicht mehr stimmen: addio Mister! Du bist häufig eine Marionette der Präsidenten, und ich bin inzwischen auch als Trainer ein Alphatier. Es käme wohl nicht gut heraus.

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