Die Festtage sind durch, das neue Jahr bereits über eine Woche alt. Und die Bälle rollen auch schon wieder in den meisten europäischen Top-Ligen. Doch was heisst da schon wieder? Hatten wir überhaupt eine richtige Pause? Nicht wirklich. Und genau darin sehe ich ein Problem.
Die Premier League spielte traditionsgemäss durch, ebenso die italienische Serie A. In Spanien erhielten die Spieler immerhin etwa zehn Tage Pause, in der Bundesliga werden es etwa drei Wochen gewesen sein, wenn am kommenden Wochenende wieder angepfiffen wird.
Supercups in Saudi-Arabien
Für mich ist klar: Die Pausen sind zu kurz, und es gibt zu viele Spiele. Unzählige Akteure haben in dieser Saison – inklusive Länderspiele – bereits jetzt fast 30 Partien auf dem Buckel. Im Januar. Dazu kommen etliche Reisen zu Auswärtsspielen, teilweise gar auf andere Kontinente. Das aktuellste Beispiel sind die spanischen Top-Teams Real, Atlético und Barcelona. Am 3. Januar mussten sie im spanischen Cup ran, drei Tage später in der Meisterschaft. Und am Mittwoch steht der Supercup an. Doch nicht etwa in Spanien, sondern im 4800 km entfernten Saudi-Arabien.
Es geht also in die Wüste, um dort in zwei Spielen (ab Halbfinal) den Gewinner des wenig bedeutenden Supercups zu ermitteln, nur um dann eine Woche später bereits wieder in Spanien in der Meisterschaft im Einsatz zu stehen. Gleiches geschieht auch bei den Italienern, die ihren Supercup ebenfalls in der Wüste austragen. Während die Gesundheit der Spieler darunter leidet, klingeln bei den Verbänden die Kassen: Pro Austragung soll es von den Saudis etwa 40 Millionen Euro geben.
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Auch die Spieler ächzen sichtlich unter den vielen Spielen: «Es gibt zu viele Spiele, es gibt zu viele Verletzungen. Wir bewegen uns in einem Rhythmus, der immer gefährlicher wird», so Barça-Verteidiger Jules Kounde (25) im vergangenen November über den rappelvollen Terminkalender.
Grosse Klub-WM der Fifa
Im Vergleich mit früher wird das Tempo immer höher, das Spiel intensiver. Und dennoch gibt es immer mehr Partien. Das kann nicht mehr lange gutgehen. Gerade auch, weil es in Zukunft noch schlimmer wird. So präsentierte die Fifa kürzlich ihre Pläne einer grossen Klub-WM mit 32 teilnehmenden Teams. Das Turnier soll ab 2025 jeweils alle vier Jahre im Sommer stattfinden.
Für die Spieler gibt es also auch in diesen Jahren, in denen mal keine WM oder EM stattfindet, keine Pause, sondern ein weiteres Turnier. Mit der 2018 eingeführten Uefa Nations League wäre da ja noch ein weiterer Wettbewerb, die den Terminkalender alle zwei Jahre füllt. Nicht zu vergessen, dass kaum nach Abschluss dieser Turniere jeweils wieder die Saisonvorbereitung mit dem Klub beginnt und aus Marketing-Gründen in Asien oder den USA gekickt wird. Doch damit nicht genug: Wegen der anstehenden Reform gibt es auch in der Champions League ab der nächsten Saison mehr Spiele. Die Gewinner dieses Grössenwahns sind einzig und allein die Verbände und deren Funktionäre.
Streiken die Spieler?
Da denke ich mir immer wieder, ob die Spieler nicht irgendwann die Nase voll haben? Was, wenn sie eines Tages in einen Streik treten? Denn am Ende entscheiden immer noch sie, ob sie auf dem Platz stehen wollen. Ohne ihre Initiative wird es in absehbarer Zeit aber kaum zu einer Änderung kommen.
Die Spielergewerkschaft Fifpro schlug bereits 2022 Alarm und warnte vor einem alarmierenden Kräfteverschleiss im Profifussball durch den überfüllten Spielkalender. Damals wurden 1055 Fussballer befragt, wovon 54 Prozent angaben, dass sie aufgrund der Überlastung schon einmal eine Verletzung erlitten hätten.
Leidet auch das Niveau?
Ich denke, dass weniger Spiele auch aus Fan-Sicht nicht unbedingt schaden würden. Denn ein spezielles Spiel wie beispielsweise das berüchtigte El Clásico zwischen Barcelona und Real Madrid verliert ein wenig seinen Glanz und seine Bedeutung, wenn es ausserhalb der Meisterschaft bereits in der Sommervorbereitung in den USA und beim Supercup in Saudi-Arabien zu einem Aufeinandertreffen kommt.
Zudem könnte auch das Niveau mehr und mehr unter den vielen Spielen leiden, die Spieler sind schliesslich keine Maschinen oder Roboter. Für emotionsgeladene, hochstehende Duelle würde ich auch den einen oder anderen fussballfreien Abend in Kauf nehmen. Weniger ist manchmal eben mehr.
Ein Blick nach Übersee zeigt, wie es anders geht. In der NFL, der besten American-Football-Liga der Welt, dauert eine Saison nur von September bis Februar, den Rest des Jahres haben die Profis Pause. Fast jedes der 17 Saisonspiele ist wichtig und fühlt sich speziell an. Natürlich ist der Sport körperlich um einiges intensiver und ein solcher Modus wäre im europäischen Fussball nicht möglich. Dennoch bestärkt die Liga meine «Weniger ist mehr»-Theorie.