Für einmal scheint sogar die Sonne. Und Michi Frey lacht, als er auf dem Grote Markt, dem Platz vor dem Antwerpener Rathaus, für den Fotografen posiert. «Unglaublich, sonst regnet es hier immer!» Der Stürmer aus Münsingen BE sieht die zweitgrösste belgische Stadt mittlerweile als seine zweite Heimat an. Nach einer Saison bei Vorortklub Waasland-Beveren spielt er jetzt für den viel grösseren Lokalrivalen Royal Antwerpen.
Frey kennt hier in der Innenstadt fast jede Ecke. «Da gibts ein gutes Restaurant, dort am Fluss ist eine ideale Strecke zum Joggen, hier vorne wohne ich – und da hinten Leonardo Bertone.» Der 28-jährige Ex-YB-Mittelfeldspieler war letzte Saison noch sein Teamkollege in Beveren, jetzt sehen sich die beiden Berner «Gius» nur noch in der Freizeit. Dafür aber «eigentlich jede Woche». Sie kochen zusammen, trinken Kaffee in einem der zahlreichen kleinen Lokale der Stadt. Auch der Ex-Thuner Chris Kablan (27, Beveren) ist oft dabei.
Die Wohnung von Frey und seiner Verlobten Melis (25) habe eine tolle Aussicht auf den Fluss Schelde, erzählt er. Sein Daheim liegt nur ein paar Autominuten vom 16'000 Zuschauer fassenden Bosuilstadion entfernt. Dort entzückt er die Royal-Fans in dieser Saison mit einem eindrücklichen Lauf: 22 Tore in 31 Liga-Spielen! «Tormaschine» wird er von seinen Mitspielern genannt. Das steht auch auf dem Matchball vom 8. August letzten Jahres, als er Standard Lüttich mit einem Fünferpack im Alleingang abfertigte (5:2).
Heisses Rennen um die Torjägerkrone
Frey ist einer der Stars der belgischen Jupiler Pro League. Er liefert sich mit Deniz Undav (25) von Sensations-Leader Union Saint-Gilloise ein vielbeachtetes Duell um die Torjägerkrone. Gerade eben hat der Deutsche noch einmal vorgelegt, liegt jetzt kurz vor Beginn der Playoffs mit 25 Treffern vorne.
Frey schmunzelt. Und macht einen auf Understatement. Natürlich würde er die Auszeichnung zum Torschützenkönig «nicht ablehnen», noch lieber wäre ihm aber der Meistertitel. Dieser liegt für Royal wegen der Halbierung der Punkte in der Playoff-Meisterrunde durchaus noch im Bereich des Möglichen: «Erst einmal gilt es aber, den Platz in den Top vier zu verteidigen!»
In der Jupiler Pro League geht es nach 34 Saisonspielen in die entscheidende Phase. Die besten vier Teams spielen nach Halbierung der Punkte in der Meisterrunde, den Playoffs 1, um den Titel. Der Champion schafft es direkt in die Champions League, der Zweite in die Königsklasse-Quali, der Dritte in die Europa-League-Quali – und der Vierte in die Conference-League-Quali.
Die Mannschaften auf den Plätzen fünf bis acht buhlen ebenfalls in einem Playoff-Bewerb um einen weiteren Platz in der Conference-League-Quali. Der Letzte der Liga steigt direkt ab, der Vorletzte muss in die Relegation.
In der Jupiler Pro League geht es nach 34 Saisonspielen in die entscheidende Phase. Die besten vier Teams spielen nach Halbierung der Punkte in der Meisterrunde, den Playoffs 1, um den Titel. Der Champion schafft es direkt in die Champions League, der Zweite in die Königsklasse-Quali, der Dritte in die Europa-League-Quali – und der Vierte in die Conference-League-Quali.
Die Mannschaften auf den Plätzen fünf bis acht buhlen ebenfalls in einem Playoff-Bewerb um einen weiteren Platz in der Conference-League-Quali. Der Letzte der Liga steigt direkt ab, der Vorletzte muss in die Relegation.
So oder so, an Freys Beliebtheit in Antwerpen würde auch ein verpasster Titel nix ändern. Als er SonntagsBlick durch die Gassen der Stadt führt, fragt ein Fan nach einem Selfie. Eine Gruppe Teenager ruft: «Frey, Frey! Beveren oder Royal?» Frey, in der Zwickmühle, lacht sie nur an.
Bereits in Beveren hatte er mit 17 Saisontoren auf sich aufmerksam gemacht. Doch jetzt bei Royal, «dem Traditionsklub mit den euphorischsten Fans in Belgien», ist seine Bekanntheit markant gestiegen.
Logisch, dass bereits Spekulationen um einen Wechsel in eine Top-5-Liga kursieren, was auch Freys erklärtes mittelfristiges Ziel ist. Und logisch auch, dass er sich längst wieder in den Fokus der Nati geschossen hat. Doch diese Tür, sie bleibt auch unter Murat Yakin (47) vorerst noch zu. Für die Spiele gegen England (26. März) und den Kosovo (29. März) steht sein Name wie letzten Herbst nur auf der Pikettliste. Wieder kein Aufgebot! Trotz Riesen-Torquote. Trotz seines Profils eines kräftigen, bulligen, abschlussstarken Stürmers, von denen die Schweiz nicht gerade ein Überangebot vorweist.
Eine herbe Enttäuschung für den Knipser, ganz klar. Und doch: Frey nimmts zumindest gegen aussen sportlich: «Ich werde jetzt halt weiter an mir arbeiten. Es bleibt mein Traum und mein Ziel, irgendwann für die Nati aufzulaufen. Ich werde mich weiter aufdrängen.»
Michi Frey trifft und trifft und trifft. Anfängliche kleine Zweifel bei den Royal-Fans, weil er vom kleinen Nachbarn Waasland-Beveren zum grossen Antwerpener Klub wechselte, machte der 27-jährige Berner blitzschnell zunichte. «Er hat sofort alle restlos überzeugt», sagt auch Yanko Beeckman. Der Reporter und Fussball-Podcaster der belgischen Tageszeitung «Het Nieuwsblad» erklärt, Royal-Anhänger seien «verrückt nach Spielern, die sich auf dem Platz zerreissen».
Freys Popularität rühre nicht nur von seinen Toren her, auch sein Trikot sei beliebt – genauso wie das von ihm gemalte und versteigerte Bild für einen guten Zweck grossen Anklang fand.
Beeckman geht davon aus, dass Freys Verbleib in Antwerpen davon abhängt, ob der Klub es in die Champions oder Europa League schafft – trotz des laufenden Vertrags bis 2024. Klar: Einer, der in der belgischen Top-Liga über 20 Treffer in einer Saison erzielt, wird garantiert Interessenten auf den Plan rufen.
Würde Frey im Sommer abwandern, stünde er bereits bei seinem neunten Verein unter Vertrag: nach YB, Lille, Luzern, Zürich, Fenerbahce, Nürnberg, Waasland-Beveren und Royal Antwerpen.
Dass Frey trotz seiner Torquote seit Oktober 2014 (damals unter Vladimir Petkovic/ohne Einsatz) auf sein zweites Aufgebot für die Nationalmannschaft wartet, erstaunt in Belgien. Beeckman sagt: «Ich habe die anderen Schweizer Spieler nicht genau verfolgt. Doch ich glaube, jedes Nationalteam könnte einen Stürmer mit Freys Form gut gebrauchen.» (mpe)
Michi Frey trifft und trifft und trifft. Anfängliche kleine Zweifel bei den Royal-Fans, weil er vom kleinen Nachbarn Waasland-Beveren zum grossen Antwerpener Klub wechselte, machte der 27-jährige Berner blitzschnell zunichte. «Er hat sofort alle restlos überzeugt», sagt auch Yanko Beeckman. Der Reporter und Fussball-Podcaster der belgischen Tageszeitung «Het Nieuwsblad» erklärt, Royal-Anhänger seien «verrückt nach Spielern, die sich auf dem Platz zerreissen».
Freys Popularität rühre nicht nur von seinen Toren her, auch sein Trikot sei beliebt – genauso wie das von ihm gemalte und versteigerte Bild für einen guten Zweck grossen Anklang fand.
Beeckman geht davon aus, dass Freys Verbleib in Antwerpen davon abhängt, ob der Klub es in die Champions oder Europa League schafft – trotz des laufenden Vertrags bis 2024. Klar: Einer, der in der belgischen Top-Liga über 20 Treffer in einer Saison erzielt, wird garantiert Interessenten auf den Plan rufen.
Würde Frey im Sommer abwandern, stünde er bereits bei seinem neunten Verein unter Vertrag: nach YB, Lille, Luzern, Zürich, Fenerbahce, Nürnberg, Waasland-Beveren und Royal Antwerpen.
Dass Frey trotz seiner Torquote seit Oktober 2014 (damals unter Vladimir Petkovic/ohne Einsatz) auf sein zweites Aufgebot für die Nationalmannschaft wartet, erstaunt in Belgien. Beeckman sagt: «Ich habe die anderen Schweizer Spieler nicht genau verfolgt. Doch ich glaube, jedes Nationalteam könnte einen Stürmer mit Freys Form gut gebrauchen.» (mpe)
«Heute sehe ich mein damaliges Verhalten anders»
Die Zeiten, in denen er in solch einer Situation auf den Tisch gehauen und seinen Unmut lautstark kundgetan hätte, sind längst passé. In jungen Jahren hatte er eine Schlagzeile nach der anderen rausgehauen. Mal sagte er, er wolle der beste Stürmer der Welt werden. Zu seiner Zeit in Lille schimpfte er über einen französischen Arzt, der aus seiner Sicht eine Knöcheloperation verpfuscht hatte. Frey meinte: «Der Dorfmetzger aus Münsingen hätte dies genauso gut gemacht.» Und im Cupfinal 2018, den er mit dem FCZ gewann, jubelte er nach seinem Tor zum 1:0 als Provokation gefährlich nahe vor dem damaligen YB-Coach Adi Hütter (52), unter dem er einst – für sein Empfinden viel zu wenig – spielte.
«Heute sehe ich mein damaliges Verhalten anders», erklärt Frey: «Ich habe sicher Dinge gesagt, die ich heute nicht mehr sagen würde. Es wäre besser gewesen, ich wäre einfach duschen gegangen und heimgefahren.» Dann schiebt er hinterher: «Wenn du so jung bist, schwirren deine Gedanken halt irgendwo herum – da überlegst du nicht viel.» Er sehe dies mittlerweile auch bei eigenen Mitspielern: «Die haben heutzutage schon ein riesiges Selbstvertrauen. Zudem starren sie nur auf die Handys. Da kannst du froh sein, wenn sie dich zwischendurch auch mal direkt anschauen.»
Frey sagt, das neue Umfeld, das er seit ein paar Jahren habe, täte ihm gut. Mit Berater Milos Malenovic (37) würde er sich nach jeder Partie austauschen, zudem gebe ihm seine Verlobte Melis viel Rückhalt und Kraft. «Aber ich bin nicht nur neben dem Platz reifer geworden, sondern auch fussballerisch», fügt er an. Er habe seine Spielweise der physisch anspruchsvollen belgischen Liga anpassen müssen: «Ich komme mehr durch die Mitte, spiele einfacher, kann auch mal 90 Minuten durchpressen, wenn es denn sein muss.»
Zwar sei er ruhiger geworden, könne auch mal ein Spiel auf der Ersatzbank akzeptieren – «wenn man es mir offen und ehrlich erklärt, verstehe ich das». Doch der enorm hohe Anspruch an sich selbst sei geblieben: «Ich brauche diesen Druck. Sonst hätte ich in zwei Jahren nicht beinahe 40 Kisten gemacht.»
Michi Frey ist in Belgien drauf und dran, einen Schweizer Rekord zu brechen. Die meisten Tore als Schweizer Knipser im Ausland weist bislang Haris Seferovic (30) auf. Dieser erzielte in der Saison 2018/19 23 Treffer für Benfica Lissabon. Frey steht kurz vor Ende der regulären Spielzeit mit Royal Antwerpen bei 22 Toren. Und hat damit auch nur drei weniger als Torschützen-Leader Deniz Undav (Union Saint-Gilloise) geschossen. Holt sich Frey in der Jupiler Pro League tatsächlich noch die Krone, wäre er Teil eines erlauchten Kreises Schweizer Stürmer.
Im Ausland Torschützenkönig wurde bislang neben Seferovic vor drei Jahren erst Alex Frei (20 Tore für Rennes in der Saison 2004/05) sowie Aleksandar Prijovic (19 Tore für PAOK Saloniki in der Saison 2017/18). Der gebürtige St. Galler entschied sich allerdings für die serbische Nationalmannschaft. Chancen auf die Torschützenkönig-Auszeichnung hat in dieser Saison zudem auch Josip Drmic. Der Rijeka-Profi steht aktuell bei 16 Saisontoren und ist damit erster Verfolger von Leader Marko Livaja (Hajduk Split/22 Treffer). (mpe)
Michi Frey ist in Belgien drauf und dran, einen Schweizer Rekord zu brechen. Die meisten Tore als Schweizer Knipser im Ausland weist bislang Haris Seferovic (30) auf. Dieser erzielte in der Saison 2018/19 23 Treffer für Benfica Lissabon. Frey steht kurz vor Ende der regulären Spielzeit mit Royal Antwerpen bei 22 Toren. Und hat damit auch nur drei weniger als Torschützen-Leader Deniz Undav (Union Saint-Gilloise) geschossen. Holt sich Frey in der Jupiler Pro League tatsächlich noch die Krone, wäre er Teil eines erlauchten Kreises Schweizer Stürmer.
Im Ausland Torschützenkönig wurde bislang neben Seferovic vor drei Jahren erst Alex Frei (20 Tore für Rennes in der Saison 2004/05) sowie Aleksandar Prijovic (19 Tore für PAOK Saloniki in der Saison 2017/18). Der gebürtige St. Galler entschied sich allerdings für die serbische Nationalmannschaft. Chancen auf die Torschützenkönig-Auszeichnung hat in dieser Saison zudem auch Josip Drmic. Der Rijeka-Profi steht aktuell bei 16 Saisontoren und ist damit erster Verfolger von Leader Marko Livaja (Hajduk Split/22 Treffer). (mpe)
Frey scheut für seine Passion keinen Aufwand. Jedes Spiel schaut sich das «Zwitsers beest», die «Schweizer Bestie», noch einmal über die vollen 90 Minuten an, studiert jede Bewegung. Freie Tage mag er nicht so gerne: «Lieber gehe ich am Morgen noch einmal zum Stadion, schiesse je 30-mal mit links und rechts aufs Tor.»
Seine Kunst kommt hervorragend an
Wenn er dann aber mal abschalte, schenke er die Zeit ganz seiner Melis. Oder wenn diese für ihr Studium lernt, dann malt er. Ende des letzten Jahres versteigerte er ein Gemälde, das die Liebfrauenkathedrale von Antwerpen zeigt. 5200 Euro kamen so zusammen, die er an eine Organisation für Kinder mit Behinderung spendete.
Das kam nicht nur super bei den Fans an, es hat auch sofort weitere Aufträge aus der Mannschaft nach sich gezogen: «Die wollen, dass ich das Stadion für sie male. Mit ihnen drauf. Und auch noch mit ihrem Hund. Ich sage dann immer: ‹Das kostet aber!›» Allerdings denke er mittlerweile über einen Rabatt für all jene nach, die ihm regelmässig Assists liefern würden. Wieder grinst er verschmitzt
Frey sagt: «Wenn ich male, dann bin ich wie in Trance. Das ist eine Art Meditation für mich. Ich habe das von meinem Grossvater geerbt. Der war sehr gut mit Pinsel und Bleistift.» Mittlerweile stehen bei ihm zu Hause in Münsingen BE «sicher 300 bis 400 Bilder», die sich in all den letzten Jahren angesammelt haben.
Eines Tages, nach der Karriere, würde er vielleicht mehr aus seiner Kunst machen. Ein Business vielleicht. Doch zuerst will er seine Träume mit Royal – und baldmöglichst auch in der Nati – verwirklichen. Und das Leben in Antwerpen geniessen. Vor allem in fussballerischer Hinsicht natürlich, betont er. An den unzähligen, fein duftenden Waffel-Ständen in der Stadt läuft er einfach vorbei: «Ich bin ja nicht zum Spass hier!»