Zwölf Jahre lang lief Jordan Henderson (33) für Liverpool auf. In dieser Zeit gewann er mit den «Reds» alle wichtigen Pokale, inklusive Champions League 2019. Und das nicht als Mitläufer – sondern während acht Jahren als Captain. Doch das ist nicht mehr. Neu steht er beim saudischen Klub Al-Ettifaq unter Vertrag, wo er mit Trainer Steven Gerrard (43) wiedervereint ist.
Gross war das Entsetzen der Liverpool-Fans, als Henderson in diesem Sommer das Angebot aus Saudi-Arabien annahm und seinen Herzensverein verliess. Aber noch grösser war das negative Echo, das dieser Transfer im Blätterwald und in den sozialen Medien erzeugte.
Denn nicht nur verlor die Premier League einen prägenden Spieler in die Wüste – auch die LGBTQ-Community verlor ein Aushängeschild an ein Land, das Rechte von Homosexuellen mit Füssen tritt. Jahrelang vertrat Henderson die Anliegen von LGBTQ-Personen und stieg zum Gesicht der One-Love-Kampagne auf. Sein Wechsel nach Saudi-Arabien – ein Schlag ins Gesicht für die LGBTQ-Community.
Werte für Geld verkauft?
Nun äussert sich Henderson erstmals zu seinem kontroversen Transfer im Sportmedium «The Athletic». Und er wehrt sich gegen den Vorwurf, seine progressiven Werte für üppiges Geld verkauft zu haben. Ohnehin behauptet er, dass er nicht des Geldes wegen nach Saudi-Arabien gewechselt sei. «Man kann mir glauben oder nicht, aber in meinem Leben und in meiner Karriere war Geld noch nie ein Motiv. Niemals.»
Sowieso seien die hohen Gehaltssummen, die in den Medien gehandelt werden, nicht wahr. Im Fall von Henderson wird über ein wöchentliches Gehalt von mehr als 800'000 Euro spekuliert. Doch er stellt klar: «Ich wünschte, es wäre so. Aber diese Zahlen stimmen nicht.»
Mehr zum Saudi-Spektakel
Wenn er nicht des Geldes wegen nach Saudi-Arabien gewechselt sein will – was war dann der Grund? Ihn habe die Aussicht überzeugt, zum Wachstum des Fussballs in der arabischen Welt beizutragen, behauptet er. «Ich gehe an einen neuen Ort, um etwas Neues zu versuchen, um das Spiel, das ich liebe, in einem anderen Land grösser zu machen. Und um die Liga zu einer der Weltbesten zu entwickeln.»
«Es verletzt mich»
Dass ausgerechnet Henderson als langjähriger LGBTQ-Botschafter nach Saudi-Arabien wechselt und sich damit einem Regime hingibt, das auf Homosexualität zum Teil die Todesstrafe ausgeschrieben hat, kommt für Vertreter dieser Community einem Verrat gleich. Dieses Gefühl kann er zwar begreifen – meint aber: «Dass mich Leute kritisieren und erzählen, ich hätte mich von ihnen abgewandt, verletzt mich wirklich.»
Denn: «Meine Werte verändern sich nicht, weil ich in ein Land gehe, in dem andere Gesetze gelten.» Es sei doch etwas Gutes, wenn jemand mit seinen Wertvorstellungen nach Saudi-Arabien komme. «Wir können alle unsere Köpfe in den Sand stecken und andere Kulturen aus der Ferne kritisieren. Aber dann wird sich dort nie etwas verändern. Deshalb denke ich, dass es nur etwas Positives sein kann, jemanden mit meinen Überzeugungen in Saudi-Arabien zu haben.»
Ein Weiterführen des LGBTQ-Supports dürfte sich für Henderson aber schwierig gestalten. Das Vorstellungsvideo von Al-Ettifaq nach dem Transfer sprach Bände – auf allen Bildeinstellungen wurde seine Regenbogen-Armbinde, die er während Jahren in Liverpool getragen hatte, schwarz-weiss eingefärbt. Ein Problem? Nein, findet Henderson trocken: «Wenn das ihre Religion missachtet, dann ist das auch nicht richtig. Alle sollten sich gegenüber Religion und Kultur respektvoll verhalten.»
Abrechnung mit Liverpool
Hendersons Wechsel nach Saudi-Arabien ist nicht nur aus gesellschaftspolitischer Sicht kontrovers – sondern auch aus sportlicher Perspektive. Der zentrale Mittelfeldspieler kommt auf 77 Länderspiele für England und wurde auch jetzt wieder für die EM-Quali-Spiele nominiert. Bei der englischen Star-Fülle könnte man meinen, dass ein Spieler, der in Saudi-Arabien sein Geld verdient, in der Nati ebenfalls vom Radar verschwindet.
Henderson sieht das anders. Für ihn waren die «Three Lions» gar ein Hauptgrund für den Transfer. Denn bei Liverpool hätte er wohl nicht mehr gleich viel Spielzeit erhalten. Mit der EM im Hinterkopf suchte er eine neue Herausforderung – und wurde bei Al-Ettifaq fündig.
Dennoch zeigt er sich enttäuscht über die Art und Weise, mit der Liverpool ihm die Klinke in die Hand gedrückt hat. «Ich fühlte mich, als ob sich mein Wert für den Verein verändert hat. (...) Das war für mich hart zu schlucken (...) Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich im Klub noch gewollt gefühlt.»
Hendersons Wechsel nach Saudi-Arabien – eine Geschichte von Enttäuschungen. Für mehrere Parteien. Aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Liverpool FC | 11 | 15 | 28 | |
2 | Manchester City | 11 | 9 | 23 | |
3 | Chelsea FC | 11 | 8 | 19 | |
4 | Arsenal FC | 11 | 6 | 19 | |
5 | Nottingham Forest | 11 | 5 | 19 | |
6 | Brighton & Hove Albion | 11 | 4 | 19 | |
7 | FC Fulham | 11 | 3 | 18 | |
8 | Newcastle United | 11 | 2 | 18 | |
9 | Aston Villa | 11 | 0 | 18 | |
10 | Tottenham Hotspur | 11 | 10 | 16 | |
11 | Brentford FC | 11 | 0 | 16 | |
12 | AFC Bournemouth | 11 | 0 | 15 | |
13 | Manchester United | 11 | 0 | 15 | |
14 | West Ham United | 11 | -6 | 12 | |
15 | Leicester City | 11 | -7 | 10 | |
16 | Everton FC | 11 | -7 | 10 | |
17 | Ipswich Town | 11 | -10 | 8 | |
18 | Crystal Palace | 11 | -7 | 7 | |
19 | Wolverhampton Wanderers | 11 | -11 | 6 | |
20 | Southampton FC | 11 | -14 | 4 |