«Wegen des Akzents unterschätzen wir Schweizer»
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Berliner Reporter über Fischer:«Wegen des Akzents unterschätzen wir Schweizer»

Urs Fischers Erfolgsgeheimnis mit Union Berlin
«Bei uns nimmt sich keiner zu wichtig»

Er ist der Schweizer Trainer des Jahres 2022 und nach Christian Streich vom SC Freiburg der dienstälteste Trainer in der Bundesliga: Urs Fischer (56).
Publiziert: 25.01.2023 um 10:58 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2023 um 12:04 Uhr
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Seit 2018 hat Urs Fischer bei Union Berlin das Sagen.
Foto: Keystone/DPA/MARIUS BECKER
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Seit Sommer 2018 hat Urs Fischer bei Union Berlin das Sagen und setzte mit dem Kult-Verein aus dem Osten der Stadt zu einem in dieser Form nie erwarteten Höhenflug an: erstmaliger Aufstieg in die Bundesliga, Klassenerhalt, Qualifikation für die Conference League, Qualifikation für die Europa League und im Herbst zwischenzeitlich sogar Tabellenführer der Bundesliga.

Urs Fischer, seit Ihrer Ankunft in Berlin reitet Union auf einer Erfolgswelle. Müssen Sie sich manchmal kneifen?
Kneifen nicht, nein. Klar ist es aussergewöhnlich, was wir geschafft haben. Aber man kann sich nicht ausruhen. Es nützt dir nichts, was gewesen ist. Entscheidend ist, was kommt.

Nach jeder Saison denkt man, der Höhepunkt sei erreicht, doch Union wird immer noch besser?
Wir haben das erfolgreichste Vereinsjahr hinter uns, jetzt gilt es dieses zu bestätigen. Das ist eine Riesen-Herausforderung. Bislang ging es nur bergauf. Aber es kann auch einmal eine Phase kommen, in der es schlechter läuft. Wir werden aber alles daran setzen, dass es nicht so weit kommen wird.

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«Die Familie fehlt mir teilweise schon.»
Urs Fischer über die Distanz zwischen Berlin und Zürich
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Was ist der Grund, warum es so gut passt bei Union?
Am Schluss ist es einfach so, dass sich keiner zu wichtig nimmt. Alle geben ihr Bestes für das Gesamte, für das Gemeinsame. Es ist das Bild, wie wir auch von aussen wahrgenommen werden. Wir treten als Einheit auf und jeder unterstellt sich dem Ganzen. Vom Zusammengehörigkeitsgefühl wird nicht nur gesprochen, sondern es wird auch gelebt.

Fischer wurde lange unterschätzt. Sowohl bei seinem Stammverein FC Zürich als auch beim FC Basel wurde die erfolgreiche Zusammenarbeit frühzeitig beendet. Der FC Thun erlebte nach dem Champions-League-Abenteuer seine beste Zeit in der Ära Fischer. Die Eisernen aus Berlin führte er in ungeahnte Höhen. Fischer und Union passen wie die Faust aufs Auge. «Mir gefällt es hier.» Mit seiner direkten Art kommt Fischer in der deutschen Hauptstadt gut an. «Man kann in Deutschland seine Meinung offen sagen, ohne dass gleich eine Welt zusammenbricht.» Den Vertrag in Berlin hat er im letzten Herbst ein weiteres Mal verlängert.

Seit viereinhalb Jahren leben Sie in Berlin, getrennt von Ihrer Familie, die in Zürich geblieben ist. Gibt es kein Heimweh?
Doch, die Familie fehlt mir teilweise schon, obwohl ich ab und zu nach Zürich gehe oder sie nach Berlin kommt. Dies ist zwischendurch ein Thema, da ich ein Familienmensch bin. Aber wir haben das bisher sehr gut hingekriegt.

Wie haben Sie sich in Berlin als Mensch entwickelt?
Die zwei Jahre FC Basel haben mich so gestärkt, dass ich mit gewissen Dingen umgehen und auch einiges aushalten kann – und, dass ich mich hier zurechtgefunden habe. Die 1. Bundesliga ist schon noch einmal eine andere Grösse. Fussball ist ein sehr grosses Thema in Deutschland, es wird viel geschrieben, viel erzählt, es gibt viele Meinungen, sehr viele Meinungen (lacht). Auch in der Trainingslehre und im Umgang mit den Spielern und dem Staff lerne ich tagtäglich dazu. Im Naturell verändert man sich nicht, aber im Verhalten. Entscheidend ist, dass ich am Schluss immer mich selbst bin, dass ich authentisch bleibe.

Urs Fischer persönlich

Urs Fischer, geboren am 20. Februar 1966 in Zürich. Er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. In seiner Karriere spielte Fischer für den FCZ und St. Gallen, mit den Zürchern gewann er 2000 den Schweizer Cup. Als Trainer war er beim FCZ, Thun und Basel tätig, wobei er mit dem FCB zwei Meistertitel und einmal den Cup holte. Seit 2018 ist er Trainer von Union Berlin.

Urs Fischer, geboren am 20. Februar 1966 in Zürich. Er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. In seiner Karriere spielte Fischer für den FCZ und St. Gallen, mit den Zürchern gewann er 2000 den Schweizer Cup. Als Trainer war er beim FCZ, Thun und Basel tätig, wobei er mit dem FCB zwei Meistertitel und einmal den Cup holte. Seit 2018 ist er Trainer von Union Berlin.

Wie sie und der Verein ticken, erfährt man im Buch «Wir werden ewig leben» von Christoph Biermann, der die erste Bundesliga-Saison von Union hautnah verfolgt hat. Was hat das Buch bei Ihnen ausgelöst?
Das Buch beschreibt sehr gut, wie wir sind. Die Authentizität kommt rüber, das ist das Entscheidende. Eine Frage, über die wir vor dem Projekt lange gesprochen haben, war, ob sich das Verhalten der Leute verändert, wenn jemand sehr nahe an der Mannschaft ist und darüber schreibt. Davor hatten wir Respekt. Dass wir uns nicht verändert haben, finde ich herausragend, der ganze Staff, die Spieler und der Klub sind sich selber geblieben.

Auch Fischer hat sich trotz des Erfolgs nicht verändert: bodenständig, direkt und frei von Allüren. Der Start in die Rückrunde nach der langen WM-Pause gelingt, gegen Hoffenheim siegt das Team nach einem Rückstand 3:1. Die Alte Försterei ist einmal mehr ein Tollhaus. In der Saison 2024/25 soll diese umgebaut und die Zuschauerkapazität von 22’000 auf 37’700 erhöht werden. «Ein fantastisches Projekt», sagt Fischer. Für seine tägliche Arbeit sei dieses aber nicht relevant.

Das neue Stadionprojekt an der Alten Försterei
2:10
Union Berlin baut aus:Das neue Stadionprojekt an der Alten Försterei

Ihr Erfolg weckt auch Interesse bei Top-Vereinen, die mehr Potenzial haben als Union Berlin. Haben Sie sich nie Gedanken über einen Wechsel gemacht?
Nein. Ich bin, seit ich in Berlin bin, noch nie ins Grübeln gekommen. Ich will im Hier und Jetzt die bestmögliche Arbeit abliefern. So bin ich gut gefahren – und aufgrund des Erfolgs werde ich mich auch nicht ändern.

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«In jeder Pressekonferenz muss ich Fragen zur Champions League beantworten.»
Urs Fischer über den anhaltenden Union-Erfolg
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Immer wieder muss Union Spieler abgeben, zuletzt Julian Ryerson, der zum BVB wechselte. Löst dies keinen Frust aus?
Es gibt immer ein lachendes und ein weinendes Auge. Es freut mich für den Spieler, dass er eine solche Entwicklung gemacht hat und zu einem absoluten Topklub wechseln kann. Auf der anderen Seite schwächt es dich, weil du einen guten Mann verlierst. Aber du musst es akzeptieren, denn auch wenn wir einen Spieler verpflichten, nehmen wir diesen irgendwo weg. Es ist ein Kreislauf und Teil des Fussball-Business.

Bei einem Topklub wäre dies weniger der Fall ...
Es ist doch schön, wenn wir für andere Klubs so interessante Spieler haben, das spricht ja auch für unsere Arbeit und dass wir vieles richtig machen. Weltweit gibt es kaum eine Mannschaft, der kein Spieler abgejagt wird. Ich sah die Doku über Luis Figo, der von Barcelona zu Real Madrid gewechselt hat. Sogar unter den ganz grossen Klubs finden Transfers statt.

Volle Bundesliga-Action auf Blick

In der Schweiz sind die Bundesliga-Fans dank exklusiven Highlight-Videos von SPORT1 auf Blick jederzeit am Ball.

Über die besten Momente sämtlicher Spiele sowie alle Tore der 1. und 2. Bundesliga hinaus gibts zusätzlich nach jedem Spieltag eine eigene Rubrik, in der die Schweizer Bundesliga-Legionäre ganz genau unter die Lupe genommen werden.

Alle Zusammenfassungen stehen nach den Runden jeweils ab Montag um Mitternacht bereit.

Dank Blick und SPORT1 haben Schweizer Bundesliga-Fans Grund zum Jubeln.
imago images / Matthias Koch

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Gikiewicz, Andrich, Kruse, Prömel, Awoniyi, in der Amtszeit von Fischer haben viele Union verlassen. Doch auch gewichtige Abgänge sind für Union kein Problem. Union wird besser und besser. Die Mannschaft hat sich in der Liga trotz der Dreifach-Belastung in der Verfolgergruppe von Bayern München etabliert und ist auch in der Europa League und im DFB-Pokal noch immer dabei. Priorität geniesst aber die Bundesliga.

Union führte wochenlang die Tabelle an, der Hype stieg ins Unermessliche. Waren Sie froh, als Sie nicht mehr Erster waren?
Nein, wer will nicht Erster bleiben? Aber das Ziel sind und bleiben 40 Punkte und der Klassenerhalt. Aber wenn man versucht zu bohren, um eine andere Aussage beim Trainer zu bekommen, dann wird es mit der Zeit mühsam. Aber ich bin standhaft geblieben (lacht).

Wie schaffen Sie es, dass die Spieler und das Umfeld auf dem Boden bleiben?
In jeder Pressekonferenz muss ich Fragen zur Champions League beantworten. Und jedes Mal sage ich, das Ziel sind die 40 Punkte. Denn bereits das ist für einen Klub wie Union Berlin ein sehr ambitioniertes Ziel in einer Liga, in der man in jedem Spiel an das Limit gehen muss, um zu punkten. Den Spielern muss ich dies aber nicht tagtäglich sagen, denn sie wissen das.

Sie sind nach Christian Streich der Bundesliga-Trainer, der am längsten im Amt ist. Was bedeutet Ihnen das?
Es erfüllt mich mit Stolz, viereinhalb Jahre bei einem Klub zu sein, denn die Fluktuation bei den Trainern weltweit ist heute sehr gross. In der Schweiz soll die durchschnittliche Amtszeit bei 14 Monaten liegen, deswegen ist eine solch lange Zusammenarbeit schon etwas sehr Positives.

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