Herr Wiesner, Sie vermittelten früher Spieler wie Chapuisat, Sforza oder Zuberbühler – wie kamen Sie dazu?
Martin Wiesner: Das war zu einer Zeit, in der Schweizer Fussballer noch keine Rolle spielten in der Bundesliga. Felix Magath wurde als Manager von Bayer Uerdingen anfangs der Neunziger in Lausanne auf Chappi aufmerksam. Mit diesem Transfer, der mit Chappis späterem Wechsel zu Dortmund eine Erfolgsstory wurde, öffneten sich viele Türen in Deutschland – für die Schweizer Fussballer und auch für mich als Spielerberater.
Inzwischen beraten Sie Weltklasse-Fussballerinnen wie die Dänin Pernille Harder und die Schwedin Magdalena Eriksson. Warum keine Männer mehr?
Der Markt für Fussballer hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Plötzlich gehts um wahnsinnig viel Geld. Und überall gibt es Figuren, die ein Stück vom Kuchen abbekommen wollen. Man handelt als Vermittler etwas Gutes zwischen dem Spieler und dem interessierten Klub aus. Dann kommt einer daher und verspricht, dass er da oder dort noch mehr herausholen könne – und schon ist der Spieler weg. Das entspricht nicht mehr meinen Prinzipien.
Welche Prinzipien?
Bei mir war die Beratung schon immer ein Gesamtpaket. Es geht nicht nur um gute Verträge und eine bestmögliche Bezahlung. Man muss auch alle Tricks bei der Vertragsgestaltung und den Transfers kennen. Und es geht darum, Sponsoren zu finden und Vermarktungschancen umzusetzen, um die Unterstützung bei der Persönlichkeitsbildung, um Beratung bei Vermögensanlagen, Altersversorgung, Gesundheitsschutz.
Und die Fussballerinnen schätzen dieses Gesamtpaket noch?
Ja, das ist im Vergleich zu den heutigen Männern was ganz anderes.
Wann wurde Ihnen klar, dass es einen Markt gibt für Fussballerinnen?
Den gab es nicht, als ich anfing. Pernille Harder lernte ich über meinen dänischen Kollegen Klaus Granlund kennen, mit ihm habe ich einst zusammen beim FC Baden Fussball gespielt. Er ist noch heute ein wichtiger Geschäftspartner. Ich merkte schnell, dass diese Frau einen Plan hat, ganz klare Vorstellungen und höchste Ambitionen. Sie erinnerte mich stark an den jungen Ciriaco Sforza.
Wann wurden Sie Harders Berater?
Pernille spielte beim schwedische Klub Linköppings FC. Ich brachte sie im Dezember 2016 zum VFL Wolfsburg nach Deutschland. Da reifte sie zu einer Weltklasse-Spielerin.
Um wie viel Geld ging es damals?
Es ging ja nur um den Lohn, der war im Vergleich zu den heutigen Summen bloss ein bescheidener Betrag. Aber ich habe etwas Verrücktes gemacht, dass es damals bei den Frauen noch gar nicht gab. Wir haben eine Ausstiegsklausel mit einer fixen Ablösesumme im Vertrag festgehalten.
Barças 16-jähriges Juwel Lamine Yamal hat auch so eine Klausel. Will ein Klub ihn aus dem Vertrag kaufen, muss er eine Millarde Euro zahlen – wie hoch war die Harder-Klausel?
Sie können sich vorstellen, dass das damals eher ein symbolischer Betrag war. Es sollte ein Türöffner werden – und es klappte.
Wer biss an?
Chelsea löste Pernille 2020 aus dem Vertrag und zahlte Wolfsburg eine Ablösesumme – das war ein Meilenstein in der Entwicklung des Frauenfussballs. Allerdings möchte ich festhalten: Bis heute gibt es im Frauenfussball keinen Millionen-Transfer. Der ist aber nur noch eine Frage der Zeit.
Im Sommer transferierten Sie sowohl Harder wie auch Magdalena Eriksson von den Chelsea Women zu Bayern München. Die beiden sind auch privat ein Paar. Spielte das beim Transfer eine Rolle?
Nein, das hat nicht wirklich eine Rolle gespielt. Natürlich ist es für die beiden schön, dass sie viel zusammen sein können und nicht getrennt in fremden Städten leben.
Das Medieninteresse an den beiden ist gross.
Das zeigt ja auch, wie sich das alles positiv entwickelt. Der Frauenfussball ist auf sehr gutem Weg, sportlich wie auch vermarktungstechnisch – zumindest in den grossen Ligen.
Können Sie das verdeutlichen?
Heute gehört es zum guten Ton jedes ambitionierten Klubs in Deutschland, dass er ein Frauen-Team hat. Ähnlich wie das früher für die klubinternen Ausbildungs-Zentren galt, die heute selbstverständlich sind. Bei den Frauen steckt unheimlich viel Potenzial drin.
Finanzielles Potenzial?
Ja klar, es ist doch kein Zufall, dass die ganz grossen Firmen die Frauen im Fussball unterstützen: die Deutsche Bank in Frankfurt, VW in Wolfsburg, Audi in München. Die Frauen drängen ins Rampenlicht – in allen Bereichen. Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die viele neue Chancen eröffnet. Und bei den Fussballerinnen gibt es einen Unterschied zu den Männern.
Welchen?
Sie freuen sich über Werbe- und Marketingtermine. Die Aufmerksamkeit seitens der Unternehmen betrachten sie als Respekt und Anerkennung ihrer Arbeit, während solche Termine für viele Fussballer-Millionäre nur noch lästige Pflicht sind.
Raimondo Ponte, mit dem Sie auch mal beim FC Baden zusammengespielt haben, hat vor kurzem den Job als Frauentrainer beim FC Aarau hingeschmissen, weil die Infrastruktur völlig ungenügend und die Unterstützung viel zu klein sei.
Sie sprechen ein Problem an, das grösser zu werden droht: Die erfolgreichen Klubs, die in der Champions League der Frauen auch grösste Stadien füllen und Geld verdienen, die investieren längst in die Weiterentwicklung. In der Schweiz ist das ungemein schwieriger, das Interesse geringer, der Markt kleiner. Das gilt auch für viele vergleichbare Länder. Es droht eine Zweiklassengesellschaft.
Heute 64 Jahre alt, spielte Martin Wiesner als Aktiver beim Karlsruher SC, bei den Stuttgarter Kickers, bei TeBe Berlin und beim FC Baden in der Nationalliga B. Er war B-Nationalspieler Deutschlands. Nach der Karriere machte er alle Trainer- und Beraterlizenzen und sich als Spielervermittler selbständig. Er wohnt in Baden im Kanton Aargau.
Heute 64 Jahre alt, spielte Martin Wiesner als Aktiver beim Karlsruher SC, bei den Stuttgarter Kickers, bei TeBe Berlin und beim FC Baden in der Nationalliga B. Er war B-Nationalspieler Deutschlands. Nach der Karriere machte er alle Trainer- und Beraterlizenzen und sich als Spielervermittler selbständig. Er wohnt in Baden im Kanton Aargau.
2025 findet in der Schweiz die EM statt. Eine Chance aufzuholen?
So eine grosse internationale Bühne zu bekommen, ist schon mal grossartig. Es werden viele Fans aus dem Ausland kommen, die Spiele werden europaweit am TV gezeigt, die Akzeptanz für diesen Sport wächst weiter und damit auch die Überzeugung, dass man da investieren sollte.
Ist das mehr als Wunschdenken?
Viel mehr: Es gibt ja bereits Bewegung. Das Schweizer Fernsehen ist eingestiegen, die Medien berichten vermehrt, es werden wichtige Positionen in den Klubs geschaffen, frühere Spielerinnen übernehmen Verantwortung als Trainerinnen, es gibt immer mehr Vorbilder für junge Nachstrebende. Da wächst was – zweifellos. Diese EM im eigenen Land kann für die Schweiz ein Quantensprung werden, eine Initialzündung.
Betreuen Sie auch Schweizer Spielerinnen?
Nein, momentan nicht.
Warum nicht?
Ich weiss gar nicht, wie viele Schweizer Spielerinnen einen professionellen Berater haben. Was mir aber immer wieder auffällt, ist, dass vielen gar nicht bewusst ist, was heute möglich ist. Und damit meine ich nicht nur Transfers, sondern auch Vermarktungschancen, persönliche Sponsoringverträge. Die Türen stehen so weit offen, wie bisher noch nie.
Sie sind bald 65. Des Beratens noch nicht müde?
Nein, das macht mir gerade so viel Spass, Teil dieser rasanten Entwicklung zu sein. Und ich bin auch ein bisschen stolz, dass ich so früh an die Zukunft des Frauen-Fussballs geglaubt habe – damals schon, als wir noch auf dem Startfeld standen. Das war für mich auch ein Risiko, dass sich jetzt langsam aber sicher auszahlt. Gerade in meinem Bereich der Beratung ist Vertrauen und Erfahrung die wichtigste Währung.
Obwohl ich weiss, dass Sie nicht über Zahlen reden wollen: Was verdient eine Weltklasse-Fussballerin heute?
Die bestbezahlten Fussballerinnen der Welt verdienen so um die 500'000 Euro an Lohn pro Jahr. Aber diese Spitze ist noch sehr schmal. Mit steigenden TV-Quoten, Zuschauerzahlen und Sponsorengeldern muss auch mehr Lohn verbunden sein. Dafür kämpfe ich.
Alle reden von Equal Pay im Fussball. Aber bei dieser Zahl scheint mir, dass wir davon noch weit weg sind.
Das stimmt. Aber Forderungen zu stellen, ist enorm wichtig. Die Entwicklung ist ein Prozess. Und manchmal geht alles viel schneller, als man glaubt.