Die erste Halbzeit des Top-Spiels der Gruppe C zwischen Japan und Spanien schaut die Nati zusammen in ihrem Hotel in Dunedin an. Und sie ist beeindruckt. «Wow», sagt Ana-Maria Crnogorcevic (32). Assistent Selver Hodzic (44) spricht davon, dass sie sich zur Pause ein Lachen nicht hätten verkneifen können. Denn was sie sehen, überrascht doch. Spanien wird von Japan nach allen Regeln der Kunst zerlegt und ist chancenlos, womit die Nati am Samstag in Auckland – entgegen der Erwartungen der meisten – auf die Nummer 6 der Fifa-Weltrangliste trifft. Doch wer ist dieser Gegner und wie ist er zu knacken?
Ausgangslage
Im letzten September sorgt «La Roja» für Schlagzeilen, als nach erfolgreicher WM-Quali nicht weniger als 15 Spielerinnen in den Streik treten. Sie äussern Bedenken hinsichtlich der Trainingsmethoden und Massnahmen von Cheftrainer Jorge Vilda, der laut den Spielerinnen ein Umfeld von Stress und Angst geschaffen hätte. Doch der Verband lässt sich nicht erpressen, das Team zeigt auch ohne die Abtrünnigen gute Leistungen und schlägt unter anderen in einem Testspiel die USA.
Das Team
Vor der WM kehren einige der Abtrünnigen zurück, mit Mapi Leon, Patricia Guijarro and Sandra Paños vom FC Barcelona fehlen allerdings weiterhin drei potenziell wichtige Spielerinnen in Neuseeland. Noch immer sind aber neun Spielerinnen des Champions-League-Siegers im Kader. Sie alle sind Teamkolleginnen von Crnogorcevic. «Ein paar sind mittlerweile richtig gute Freundinnen von mir», so die Rekord-Natispielerin. «Lieber hätte ich sie aber etwas später im Turnier gesehen.»
Historie
Spanien nimmt erst zum dritten Mal an einer WM teil. Ihre Premiere feiern die Spanierinnen 2015 in Kanada, wo sie mit nur einem Punkt aus drei Spielen sang- und klanglos ausscheiden. Bereits damals mit dabei sind Alexia Putellas und Jennifer Hermoso. Danach übernimmt Vilda, der kürzlich sein 100. Spiel der Nati coacht. 2019 scheitern die Ibererinnen im Achtelfinal an den späteren Weltmeisterinnen aus den USA. An der EM im letzten Sommer unterliegen sie dem späteren Europameister England in den Viertelfinals erst in der Verlängerung.
Stärken
Mit Alexia Putellas (29) stellt Spanien die zweifache Weltfussballerin des Jahres. Mit Aitana Bonmati (25) die wohl stärkste Spielerin der vergangenen Champions-League-Saison. Der FC Barcelona ist das Nonplusultra in Europa, gewann zwei der letzten drei Austragungen der Königsklasse. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Spanien etwas gewinnt», sagt Lia Wälti (30). «Es ist eine extrem spielstarke Mannschaft, gegen die es schwierig ist, an den Ball zu kommen.»
Schwächen
Japan hat gezeigt, wie die Spanierinnen zu knacken sind: mit einer sehr guten Defensive und gnadenloser Effizienz in der Offensive. «Das war mal eine Ansage Japans», sagt Crnogorcevic. «Im Umschaltspiel haben sie es brutal gut ausgespielt. Spielen wir so, haben wir sicherlich eine Chance.» Hinzu kommt, dass Putellas nach ihrem vor einem Jahr erlittenen Kreuzbandriss noch nicht wieder in Topform ist. Und: Die klare Pleite gegen Japan wird ihre Spuren hinterlassen.
Chancen
Die Nati-Cracks sind sich einig: Spanien geht als Favorit in die Partie. «Aber es ist ein Spiel, in dem alles passieren kann», sagt Crnogorcevic. Trainerin Inka Grings ist überzeugt, dass die Art und Weise, wie Spanien spielt, der Nati durchaus entgegenkommen könnte. «Wenn wir den Ball haben und nicht nur hinterherlaufen, dann kann das schon interessant werden für uns», so die Deutsche. Das Turnier zeige, dass viele Nationen Probleme bekämen, wenn man diszipliniert spiele. «Wir gehen mit breiter Brust in das Spiel und wollen es gewinnen.» Voraussetzung dafür ist: Die Nati spielt die sich ihnen bietenden Umschaltmomente besser aus und ist vor dem Tor effizient.