Sie geht, wie es sich gehört für Megan Rapinoe (38): mit einem Lachen im Gesicht. Es läuft das Penaltyschiessen im WM-Achtelfinal zwischen den USA und Schweden, Rapinoe schiesst den vierten Penalty, könnte ihr Team nach einem Schwedinnen-Fehlschuss in Führung bringen. Doch die Routinierin setzt die Kugel drüber. Sie dreht sich ab – und schreitet lächelnd zurück in Richtung Mittelkreis.
Was ihr in dem Moment wohl durch den Kopf gegangen ist? Vielleicht hat sie geahnt, dass ihre Zeit auf der Weltbühne in wenigen Minuten zu Ende gehen würde und hat ihre grosse Karriere noch einmal Revue passieren lassen.
Ein Lachen war es schliesslich auch, das sie vor vier Jahren endgültig zur Ikone gemacht hatte. Im WM-Viertelfinal gegen Frankreich erzielte sie beim 2:1-Sieg beide Tore für die USA, liess sich am Ende grinsend mit ausgebreiteten Armen feiern. Es war «ein ‹Fuck you›, aber mit einem breiten Grinsen», sagte Megan Rapinoe später «Sports Illustrated».
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Ein öffentlicher Streit mit Trump
Der Adressat? Der damalige US-Präsident Donald Trump (77), mit dem sie sich öffentlich zoffte. «Ich werde nicht in das verdammte White House gehen», hatte sie zuvor für den Fall des WM-Triumphs mit Blick auf eine Trump-Einladung ins Weisse Haus erklärt. Trump polterte daraufhin: «Megan soll erst mal gewinnen, bevor sie redet!»
Es war der Höhepunkt von Rapinoes Ruhm. Denn die Kalifornierin fluchte nicht nur, sie lieferte auch, die Amerikanerinnen holten den Titel. Sie bewies, dass man sich als Sportlerin von Weltrang gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzen und Dinge bewegen kann. «Hut ab», sagt die Schweizer Rekord-Nationalspielerin Ana-Maria Crnogorcevic (32) über Rapinoe. «Bei der letzten WM hatte sie Trump und halb Amerika gegen sich. Und wurde trotzdem Toptorschützin, beste Spielerin des Turniers und hat ihr Land zum Titel geführt. Manch andere wäre eingeknickt. Sie nicht!»
Einsatz für Equal Pay, gegen Rassismus und Gewalt
Crnogorcevic hat grössten Respekt für das, was Rapinoe in den letzten Jahren bewegt hat. Ihr Engagement für Equal Pay, als sie sich den eigenen Verband vorknöpfte, war prägend. Dazu schloss sich die offen homosexuelle Rapinoe dem Protest des schwarzen NFL-Quarterbacks Colin Kaepernick gegen Rassismus und Polizeigewalt an, als sie 2016 als einzige Nationalspielerin während der US-Hymne niederkniete, auch für Transgender-Rechte setzt sie sich ein. «Sie sagt, was sie denkt und steht für ihre Anliegen ein. Sie ist keine Ja-Sagerin.» Trumps Nachfolger Joe Biden (80) ehrte sie dafür mit der Freiheitsmedaille.
«Ich habe versucht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen», sagt sie nach dem Schweden-Spiel mit Blick auf die letzten Jahrzehnte. «Das fühlt sich wie ein kranker Witz an», sagt sie. «Dass ich einen Penalty verschiesse.» Mit dem dramatischen WM-Aus der USA ist Rapinoes Traum vom «Threepeat», vom dritten Titel in Folge, geplatzt. Ende Saison tritt sie zurück. Ob es dann leise wird um sie? Es wäre eine Überraschung.