Nati-Goalie Seraina Friedli über Blitz-Rücktritt
Sie hört wegen ihrer mentalen Gesundheit auf

Das Feuer für den Profifussball ist erloschen, selbst ein Wechsel zu Anderlecht änderte für Seraina Friedli nichts mehr. Sie hört per sofort auf. Jetzt will sie für mentale Gesundheit sensibilisieren.
Publiziert: 22.11.2023 um 21:16 Uhr
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Nati-Goalie Seraina Friedli: Die Bündnerin beendete letzte Woche ihre Profikarriere per sofort.
Foto: TOTO MARTI
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Die zurückgetretene Nati-Torhüterin Seraina Friedli (30) und Ex-Winterthur-Goalie Jozef Pukaj (23) kennen einander nicht. Doch sie haben neben der Position im Tor eine zweite Gemeinsamkeit: Beide haben Knall auf Fall aufgehört. Mitten in der laufenden Saison, mitten im Saft stehend, trotz laufendem Profivertrag und tollen Perspektiven wie bei Friedli die Heim-EM 2025. 

Friedli hat letzte Woche den Schlussstrich gezogen. Bei Pukaj war es Mitte September. «Als ich von seinem Rücktritt hörte, war ich in meinem Prozess noch nicht so weit, spürte aber, dass es bei mir in die gleiche Richtung geht. Ich glaube, sein Mut hat mich bestärkt», sagt Friedli zu Blick.

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«Ich musste ehrlich zu mir sein und mir eingestehen, dass ich so nicht mehr weitermachen kann.»
Nati-Goalie Seraina Friedli
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Sie schildert, dass es bei ihr ein monatelanger Prozess war. «Mir hat am Ende die ultimative Leidenschaft gefehlt, die es für den Sport auf diesem Niveau braucht. Ich habe in den letzten 18 Jahren extrem viel in den Fussball investiert. Dass mir das Feuer abhanden kam, ist wohl auch eine Abnützungserscheinung», sagt die Engadinerin aus La Punt GR.

Bereits im April brauchte Friedli für die WM eine Pause

Eine Sinnkrise hat Friedli dieses Jahr schon einmal begleitet. Bereits im April zog sie sich aus einem laufenden Nati-Zusammenzug zurück. Sie machte eine Pause. Studium. Job. Fussball. Das Paket erdrückte sie, jetzt sagt sie: «Ohne die Pause damals hätte ich die Energie für die WM nicht mehr aufgebracht.» 

Im Mai spielte Friedli wieder für den FCZ, holte den Meistertitel und fuhr mit der Nati nach Neuseeland. Dazu kam die verlockende Perspektive nach der WM: Friedli liess Job und Studium hinter sich, konnte in Belgien bei Anderlecht neu als Profi spielen. Friedli: «Mein Wechsel war mit viel Hoffnung verbunden, dass das nötige Gefühl zurückkommt.»

Doch auch das Profileben in Brüssel ändert nichts. Ob Siege oder Niederlagen: Friedli, die Ehrgeizige, nahm es ziemlich gleichgültig zur Kenntnis. Sich auf dem Platz voll reinzuhängen, fühlt sich nicht mehr richtig an. Das Feuer entzündete sich nicht mehr. «Ich war mental nicht auf der Höhe, es ging mir in den letzten Wochen nicht rosig.»

Schuldgefühle gegenüber Anderlecht, doch der Klub unterstützt sie

Selbst nach Siegen fährt sie rasch nach Hause, stellt sich die Sinnfrage, redet mit einer Psychologin. Mit der Erfahrung von der Pause im April wusste sie irgendwann: «Ich musste ehrlich zu mir sein und mir eingestehen, dass ich so nicht mehr weitermachen kann.»

Doch vermeintlich «grundlos» einfach aufhören – Friedli plagen zunächst Schuldgefühle gegenüber Anderlecht. Friedli: «Es war ein profunder Prozess. Doch als ich dem Verein ehrlich kommunizierte, dass es mir nicht gut geht, habe ich sehr viel Unterstützung bekommen.» Auch Nati-Trainerin Inka Grings, damals noch im Amt, hat viel Verständnis für ihren Schritt. Und auch in der eigenen Familie gibts keine Vorwürfe, Friedli kommt nach der Rückkehr aus Belgien bei ihrer Schwester unter und wird mit offenen Armen empfangen. Heute ist sich die Bündnerin sicher, dass sie sich mit dem Ausstieg aus ihrem Hamsterrad für ihre psychische Gesundheit entschieden hat. 

Sie wird wieder wohl im Fussball auftauchen

Auch deshalb redet Friedli nun offen über ihren Rücktritt. Sie will sensibilisieren, dass mentale Gesundheit genauso wichtig ist wie trainierte Muskeln. Hässig auf den Fussball ist sie aber überhaupt nicht: Mit ihrem Bachelor in Sport und Psychologie plus dem Spitzensport-Masterabschluss in Trainingswissenschaft sieht sie ihre Zukunft im Sport. Mit ihrem Netzwerk ist die Chance gross, dass auch der Fussball in Zukunft wieder eine Rolle in ihrem beruflichen Alltag spielen wird. 

Doch zuerst taucht Friedli eine Zeit lang ab und geniesst die Freiheiten, die sie 18 Jahre nicht hatte.

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